Italienisch-amerikanische Beziehungskiste bringt keinem etwas

AT&T und Olivetti: Kooperation geht kaputt

06.05.1988

MÜNCHEN (dow) - Kräftig rappelt es zur Zeit in der Beziehungskiste von Olivetti und AT&T. Von Trennung ist - offiziell wenigstens - jedoch noch nicht die Rede. Dennoch sind beide Partner unzufrieden mit dem Engagement des anderen für die eigenen Produkte. Olivetti-Manager Vittorio Cassoni, der im Oktober 1986 zum amerikanischen Telefonriesen wechselte, um dessen Rechnergeschäft zu sanieren, kehrt Ins Headquarter des italienischen Konzerns zurück.

Seit gut fünf Jahren besteht jetzt die damals gefeierte "globale Allianz". Die Amerikaner halten derzeit 22 Prozent an dem italienischen Unternehmen mit einer Option auf weitere 40 Prozent.

Noch im November 1986 sorgte Olivetti-Chef Carlo de Benedetti dafür - "mit persönlichem Einsatz", wie er damals betonte -, daß der Vertrag mit dem Partner für weitere zehn Jahre verlängert wurde. Jetzt hat sich das transatlantische Verhältnis merklich abgekühlt.

Die Hoffnung des italienischen Finanzstrategen, über den Partner AT&T im US-Markt Fuß zu fassen, hat sich nicht erfüllt. Die anvisierte einheitliche Linie im Rechnergeschäft ist bis heute nicht erreicht worden. Im Gegenteil, im Herbst stellte Olivetti mit seiner LSX-Serie einen neuen Minisupercomputer vor, der über AT&T auch in den USA verkauft werden sollte. Daran schien AT&T jedoch kaum Interesse zu haben, zumal sie eigene Rechner gleicher Klasse - nämlich die 3B-Linie - am europäischen Markt plazieren wollte.

Vorstöße der Amerikaner, über Aktienaufkäufe mehr Einfluß auf den Olivetti-Konzern zu gewinnen, wehrte de Benedetti vor wenigen Wochen erfolgreich ab. Das Aktienpaket der Amerikaner aufzukaufen, dürfte auch nicht ganz leicht sein: Rund eine Milliarde Dollar sind mittlerweile die damals für 250 Millionen Dollar an AT&T veräußerten Anteile wert. Der Ausstieg bei Olivetti scheint von AT&T jetzt vorbereitet: Das Telefonunternehmen hat 15 Prozent der Aktien des Workstation-Hersteller Sun Microsystems erworben, um sich so Anteile am Rechnergeschäft zu sichern.

Als sich AT&T und Olivetti 1983 entschlossen hatten, gemeinsam den Markt anzugehen, wollte man vor allem der IBM Kunden im PC-Geschäft abjagen. Von diesem Ziel ist längst nicht mehr die Rede: Im vergangenen Jahr hat, AT&T im Rechnergeschäft starke Einbußen erlitten. Nicht zuletzt der wachsende Anteil der Clones für AT-kompatible Rechner ließ die Verkaufszahlen der teuren italienischen PCs in den Keller rutschen. Die PC-Orders von AT&T bei den Italienern wurden von 215 000 Stück im Jahre 1986 auf 40 000 Stück reduziert. Pläne, den verlustträchtigen Geschäftsbereich in ein eigenes Unternehmen umzuwandeln, an dem beide Partner 50 Prozent halten sollten, sind wohl vorerst auch in der Schublade verschwunden.

Nachfolger von Cassoni als Kopf der Data Systems Group von AT&T ist Robert Kavner. Der 44jährige Manager arbeitete vorher für das Beratungsunternehmen Coopers und Lybrand. Die Meinungen über die Zukunft des Rechnergeschäftes von AT&T sind geteilt: Die einen trauen Kavner trotz geringer Erfahrung im DV-Geschäft zu, den Geschäftsbereich aus den roten Zahlen herauszuführen. Andere schätzen, daß AT&T sich langfristig aus dem Computergeschäft zurückziehen wird.