Wettlauf um Unix-Dominanz noch offen:

AT&T und Berkeley weisen IBM die Richtung

22.06.1984

FRANKFURT (hh) - Allen Unkenrufen zum Trotz ist das Betriebssystem Unix weiter auf dem Vormarsch, wird aber erst dann zum Masseneinsatz kommen, wenn sich eine Standardisierung am Horizont abzeichne. So lautete eine der Aussagen auf dem Unix-Kongreß des Control Data Instituts in Frankfurt. Unklar sei allerdings noch, wer von den drei Unix-Verfechtern, nämlich Berkeley, AT&T und neuerdings auch IBM, sich durchsetzen werde.

Das Betriebssystem Unix ist derzeit in verschiedenen Versionen auf dem Markt. So wurde von den Bell Laboratories die Version 7 entwickelt, die nach der Auflösung des Bell-Konzerns im Rahmen eines Anti-Trust-Verfahrens ihren Nachfolger im "System III" fand.

Zeitgleich machte sich die Berkeley University als zweites Entwicklungszentrum für dieses Betriebssystem einen Namen. Versionen, die aus dieser Schmiede stammen, tragen die Kennbuchstaben BSD (Berkeley Software Distribution). Aktuell vertrieben wird das BSD 4.2. Nach der Zerschlagung von Bell übernahm AT&T die Arbeiten und Lizenzrechte an diesem Operating System und bietet zur Zeit das Unix-System V an.

Außerdem sind auf dem Markt aber auch Derivate verschiedener Softwarehäuser zu finden. Unter ihnen spielen Xenix und Microsoft und das System/One von Interactive Systems die größte Rolle.

Bislang teilten sich AT&T und Berkeley den Markt. Seit kurzem scheint auch die IBM die Chance erkannt zu haben, die in einem Breiteneinsatz des Betriebssystems liegen würden und involvierte sich mit drei Produkten, erläuterte Joe di Giacomo, Vizepräsident der Computer Technology Group aus Chicago. Dazu zählt zum einen das Betriebssystem PC/IX, das für den PC/XT vorgesehen ist. Dieses Operating System basiert auf dem IS/3 von Interactive Systems.

Für die Serie 1 hat Big Blue zudem das System CP/IX herausgebracht, das auf der Basis der Unix-Version 7 aufgebaut ist. Als drittes Produkt im Unix-Bereich bietet die IBM für den wissenschaftlichen Einsatz Microsofts Xenix für Rechner der Serie 9002 an.

Gegenspieler in diesem zukunftsträchtigen Markt sind nach Giacomos Aussage die alteingesessenen Unix-Entwickler AT&T sowie Berkeley. So ging der Telefonriese nach Aussage des Amerikaners kürzlich eine Allianz mit dem CP/M-Entwickler Digital Research ein, um vor allem ein Manko des Unix-Betriebssystems aus der Welt zu schaffen: das Fehlen von Anwendungssoftware.

Zudem steuerte die Entwicklung in den AT&T-Forschungsstätten immer stärker in Richtung der Berkeley-Philosophie. Andere als diese drei Unternehmen haben nach Giacomos Meinung nur wenige Möglichkeiten, in diesem Markt dominierend tätig zu werden.

Unklar sei momentan noch die Strategie von DEC, so führte Jürgen Schröder von der Danet GmbH aus Darmstadt aus. Das Unternehmen fährt zur Zeit inkompatible Unix-Versionen auf den verschiedenen Systemen. Allerdings zeige das Betriebssystem Ultrix für die VAX/ 11730 eine Richtung auf, die für die Frage der Standardisierung von Bedeutung werden könnte: Es basiert auf der Unix-Version BSD 4.2.

Und noch eines spricht dafür, daß sich AT&T/Berkeley mit ihren Betriebssystemphilosophien als Quasi-Standard etablieren könnten. Schätzungen von Danet, die auf amerikanischen Daten beruhen, gehen davon aus, daß sich bereits 1985 weltweit 65 Prozent der Source- und Binärlizenzen dieser Richtung angeschlossen haben werden. Insgesamt soll es dann rund 315 000 Lizenzen geben.

Der Stand der 1983 ausgegebenen Lizenzen lag bei 86 000, von denen zwei Prozent auf Basis der Version 7 respektive dem System III basierten, 6,5 Prozent auf der Version BSD 4.1 und 35 von Hundert auf dem System V von AT&T beruhten. Die restlichen 62 Prozent sind als "Exoten zu betrachten, die lediglich eine Unix- ähnliche Struktur aufweisen.