AT&T steht mit NCR in einem Übernahmekampf

14.12.1990

AT&T und NCR befinden sich im Übernahmekampf. Nachdem der NCR-Vorstand das AT&T-Angebot eines einvernehmlichen Aktientausches auf der Grundlage einer Bewertung von 90 Dollar je NCR-Aktie abgelehnt hat, bietet AT&T jetzt den freien NCR-Aktionären gegen den Willen des NCR-Vorstands 90 Dollar je NCR-Aktie an. Das Angebot ist bis zum 4. Januar 1991 befristet.

Die NCR-Führung hält das Angebot für unzureichend, 123 Dollar je Aktie seien angemessen. Das Management bot an, Unternehmensdaten, die diesen höheren Preis rechtfertigen, preiszugeben. AT&T lehnte bisher eine Nachbesserung ab.

Zum Zeitpunkt des Aktientausch-Angebotes notierte NCR bei 60 US-Dollar. Die Meinungen der Analysten über den "richtigen Preis" für die NCR-Aktie differieren erheblich. Das Spektrum reicht von 70 Dollar bis weit über 100 Dollar. Eine "poison pill", eine "Giftpille" für potentielle Übernehmer, existiert in Form des Bezugsrechts für eine Aktionärsgruppe bei einem Kurs der NCR-Aktie von über 175 Dollar. Diese Abwehrhürde dürfte im gegenwärtigen Übernahmekampf allerdings wirkungslos bleiben, da ein Anstieg der Aktie auf über 175 Dollar äußerst unwahrscheinlich ist.

Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Übernahmeversuchs wird nicht die "richtige" Bewertung des Unternehmens entscheidend sein, sondern die Frage, ab welchem Preis bei AT&T ein spürbarer Verwässerungseffekt der Bewertung des eigenen Unternehmens einsetzt.

Börsennotierte Unternehmenskäufer versuchen in der Regel, zu niedrigeren Bewertungskennzahlen zu kaufen, als das eigene Unternehmen an der Börse bewertet ist. Wer teurer kauft, verschlechtert seine eigenen Bewertungskennziffern und verursacht in der Regel Kursrückgänge der eigenen Aktie.

Die Börsenkapitalisierung (Anzahl der Aktien multipliziert mit dem Kurs je Aktie) von AT&T ist zirka fünfmal so groß wie die von NCR. Vor diesem Hintergrund spielt der Verwässerungseffekt erst bei einem erheblichen Auseinanderklaffen der Bewertungen eine Rolle. Auf der Basis der für 1991 erwarteten Gewinne ergibt sich eine aktuelle Bewertung für AT&T vom elffachen Gewinn nach Steuern. Dem steht eine Bewertung vom 16fachen Gewinn nach Steuern bei NCR gegenüber, wenn das Übernahmeangebot von 90 Dollar zugrundegelegt wird.

Den verbleibenden Spielraum dürfte AT&T nutzen, um nach dem 4. Januar 1991 die Übernahme zügig abzuwickeln. Für das Unternehmen geht es darum, im Computerbereich eine kritische Größe zu erreichen. NCR soll als selbständiges Tochterunternehmen bestehen bleiben. AT&T plant, seinen Computerbereich mit einem Umsatzvolumen von rund 1,5 Milliarden Dollar bei NCR einzubringen.

Mit einem Umsatz von zirka 7,5 Milliarden Dollar würde NCR dann weiterhin hinter IBM (Umsatz 1989: 63,4 Milliarden Dollar), Digital Equipment (12,9 Milliarden Dollar), Hewlett-Packard (11,9 Milliarden Dollar) und Unisys (10,1 Milliarden Dollar) auf Platz fünf der US-Computerhersteller rangieren.