Microsoft kauft sich bei größtem US-Carrier ein

AT&T soll Windows CE zum Durchbruch verhelfen

14.05.1999
NEW YORK (CW) - Der Taktiker Bill Gates hat wieder zugeschlagen. Für fünf Milliarden Dollar kauft sich der Softwareriese bei AT&T ein. Der amerikanische TK-Konzern erhielt letzte Woche den Zuschlag für den TV-Kabelbetreiber Media One und ist deshalb für Gates besonders interessant. AT&Ts Kabelnetz könnte für das Betriebssystem Windows CE nämlich der Türöffner zum Erfolg im Privathaushalt sein.

Im amerikanischen Kabelnetzmarkt steht eine Weichenstellung bevor, die weltweit Auswirkungen haben könnte. Tatsächlich überschlugen sich in den Vereinigten Staaten in den vergangenen drei Wochen die Ereignisse. Nachdem der Kabelnetzbetreiber Comcast für den Konkurrenten Media One eine Kaufofferte in Höhe von 53 Milliarden Dollar vorlegte, trat AT&T überraschend mit einem 58-Milliarden-Dollar-Angebot auf den Plan. Das Management von Media One stimmte der Übernahme durch AT&T zu, und Comcast mußte klein beigeben.

Die Ausbootung von Comcast war indirekt auch eine Niederlage für Bill Gates, denn Microsoft ist an dem Unternehmen mit einer Milliarde Dollar beteiligt. Hätte Comcast den Zuschlag für Media One erhalten, wäre Microsoft seinem Ziel ein großes Stück nähergekommen, im Kabelgeschäft nennenswert Fuß zu fassen. Microsoft hat diesen Markt seit längerem im Visier, um sein Low-end-Betriebssystem Windows CE als Standard zu etablieren. Diese Pläne durchkreuzte AT&T mit dem Gegenangebot für Media One.

Bis zuletzt hatte Comcast noch versucht, mit Hilfe von Microsoft und AOL dem Opponenten AT&T doch noch einen Strich durch die Rechnung zu machen. Vergeblich. Gates, der die Felle für Windows CE davonschwimmen sah, stellte eine eigene Kostenrechnung auf und machte aus der Not eine Tugend. Er verhandelte mit AT&T-Chef Michael Armstrong und kaufte sich letztendlich mit fünf Milliarden Dollar bei AT&T ein.

Die Vereinbarung der beiden Konzernbosse sieht vor, daß Microsoft im Rahmen von drei Pilotprojekten, die nächstes Jahr starten, die Software Windows CE für 2,5 Millionen Set-top-Boxen liefert. Diese Komponenten sind in den Haushalten erforderlich, um die Fernsehgeräte mit dem Kabelnetz zu verbinden. Darüber hinaus besteht eine Option auf die Lieferung weiterer 2,5 Millionen CE-Einheiten.

Mit diesem Deal hat Gates einen großen Coup gelandet. Denn schon im Vorfeld war es dem Microsoft-Gründer gelungen, mit dem Kabelnetzbetreiber Telecommunications Inc. (TCI) einen Vertrag auszuhandeln, der die Integration von Windows CE in fünf Millionen Set-top-Boxen festschreibt. Gates hatte den Vertrag noch geschlossen, ehe TCI von AT&T im Herbst 1998 für 52 Milliarden Dollar übernommen wurde.

Während die Integration von TCI in AT&T bereits beendet ist, steht für Media One noch das Ja der Kartellbehörden aus. Diese hatten im Vorfeld jedoch eine Zustimmung in Aussicht gestellt, obwohl sich AT&T mit dieser Akquisition inoffiziellen Schätzungen zufolge Zugang zu mehr als 60 Prozent der US-Haushalte schafft. Das amerikanische Gesetz sieht höchstens 30 Prozent vor, AT&T spricht von maximal 27 Prozent der Privatkunden.

Der jüngste Deal zwischen AT&T und Microsoft könnte die Wettbewerbshüter noch einmal umdenken lassen. Um die Behörden positiv zu stimmen, signalisierte der TK-Konzern bereits, sein Netz auch für Konkurrenten zu öffnen, und versüßte Comcast den Verzicht auf Media One mit rund zwei Millionen Kunden. Diese fallen dem Anbieter durch eine mit AT&T ausgehandelte "Bereinigung" einzelner lokaler Märkte zu.

Für AT&T und Microsoft hängt jedenfalls viel vom Plazet der Kartellbehörden ab. Noch mehr jedoch vielleicht für Gates. Sollten die Wettbewerbshüter grünes Licht geben, hat Microsoft mit dem amerikanischen Massenmarkt im Rücken gute Chancen, Windows CE auch weltweit als De-facto-Standard in Komponenten für die fernsehbasierte Verbraucherelektronik durchzudrücken. Wie wichtig Gates der Erfolg von Windows CE ist, beweist das Investment von fünf Milliarden Dollar. Der Softwaremagnat macht damit immerhin ein Drittel seiner Barreserven locker.

Insider sehen in dem AT&T-Einstieg von Microsoft aber nicht nur Chancen, Privatkunden Sprach-, Daten- und Internet-Dienste zu liefern. Nach Ansicht der Analysten ist es durchaus denkbar, daß beide Partner auch Unternehmen Dienste dieser Art als Outsourcing-Leistung anbieten. Ein solches Angebot würde dann natürlich nicht auf Windows CE, sondern auf Windows 2000 basieren.

In die Bewertung der Kooperation mischt sich aber auch Skepsis. Beobachter kritisieren, daß sich insbesondere AT&T zu stark auf das Kabelgeschäft konzentriert und andere Zugangstechniken wie Digital Subcriber Line (DSL) vernachlässigt. Der Konkurrent AOL setzt auf dieses Verfahren und will zusammen mit den Bell-Companies und GTE ein nationales DSL-Netz aufbauen. Auch MCI-Worldcom hat Pläne in diese Richtung.