US-Carrier installiert paneuropäisches Netzwerk

AT&T lockt die Großanwender mit Netz-Management-Diensten

27.03.1992

HANNOVER (pg) - AT&T drängt jetzt mit Vehemenz auf den europäischen Netzwerkmarkt. Der amerikanische Carrier ist dabei, ein digitales paneuropäisches 2-Mbit/s-Datennetz zu errichten. Mit Managed Network Services will der US-Konzern insbesondere multinationale Großkunden davon überzeugen, das Network Facilities Management in ihre Hände zu legen.

Mit der Installation eines Netzwerkes zur Datenkommunikation unternimmt AT&T den ersten großen Schritt, um sich in Europa als privater Netzbetreiber zu etablieren. Das paneuropäische Netzwerk erstreckt sich gegenwärtig auf die sieben Staaten Großbritannien, Belgien, Frankreich, Deutschland, Niederlande, Spanien sowie Schweden und soll laut AT&T bis Ende 1992 auf 17 Länder der Alten Welt ausgedehnt werden.

Auf der CeBIT erklärte Joseph Nacchio, President der Business Communications Services Organisation von AT&T, sein Unternehmen wolle die Dienste speziell auf die Bedürfnisse multinationaler Unternehmen zuschneiden. Die Managed Network Services basieren Nacchio zufolge auf Mehrwert-Versionen des "Accunet Packet Service", eines Datenpaket-Vermittlungsdienstes nach X.25, sowie auf dem "Accunet Spectrum of Digital Services", einem Dienst, der Mietleitungen mit verschiedenen Übertragungsgeschwindigkeiten bereitstellt. Darüber hinaus wird AT&T den "Accumaster Management Service" für das Peer-to-Peer-Management von globalen Netzwerken ins Diensteangebot aufnehmen.

Der AT&T-Manager gab ferner bekannt, daß die 1989 durch die Akquisition von Istel entstandene britische Company-Tochter AT&T Istel die Accunet Services sowie das Netzwerk-Management mit Hilfe seines Global Network Management Center (GNMC) realisieren wird. Das Center in Großbritannien sowie ein GNMC in den USA garantieren den Kunden den Zugang zum internationalen AT&T-Netz. Ein drittes GNMC wird derzeit in den Niederlanden fertiggestellt.

John Leighfield, President von AT&T Istel, erklärte auf der Pressekonferenz, sein Unternehmen werde in Europa außerdem eng mit der 1991 in den Konzern eingegliederten NCR zusammenarbeiten, um das Serviceangebot in Zukunft noch zu erweitern. Dabei will AT&T lstel insbesondere von der europäischen Präsenz, dem Netzwerk und Personal sowie der Service-kapazität des Augsburger Unternehmens profitieren.

Zunächst wird AT&T pro Land nur einen X.25-Knoten in einem Wirtschaftszentrum plazieren, um möglichst schnell flächendeckend in Europa anbieten zu können. Für das Netzwerk mit einer Übertragungsate von 2 Mbit/s mietet der Carrier die Leitungen bei den nationalen PTTs an und nutzt außerdem eigene Verbindungen. Auf Anfrage der COMPUTERWOCHE sagte Trevor Watts, Marketing Manager für Managed Network Services bei AT&T Istel, daß dem Kunden bald über die genannten Services hinaus Satellitenkommunikation, LAN-lnterconnection sowie Frame Relay als weitere Dienste angeboten werden. Wenn es die Anwendernachfrage erfordere, wolle AT&T Istel auch höhere Transferraten als 2 Mbit/s realisieren.

Firmenaufkäufe sollen die Marktposition stärken

Zum Angebot von Syncordia und Cable & Wireless, die ebenfalls eigene Netzwerke betreiben und die Kunden mit Facilities Management locken, sagte Watts: "Jeder Anbieter, der das Netz-Management von multinationalen Unternehmen übernehmen oder andere Dienste anbieten will, ist ein Konkurrent für AT&T." Komplettes Outsourcing, wie es Syncordia bald betreiben wolle, sei für AT&T zunächst kein Thema, wohl aber Outsourcing in Sachen Datenkommunikation.

Dafür, daß AT&T über kurz oder lang Outsourcing nicht nur für Networking anbieten wird, spricht jedoch die Akquisitionspolitik der Tochter AT&T Istel Europe Development Group Ltd. Nach der Übernahme von Infoplan im vergangenen Jahr hat das Unternehmen kürzlich die französische Dataid S.A. (vgl. CW Nr. 11 vom 13. März 1992, Seite 5) gekauft und wird sich, sofern das Kartellamt keine Einwände hat, auch die Essener Computeranwendungs-Beratungs GmbH (CAB) einverleiben.

Mit diesen Übernahmen will das Unternehmen seine Position als Dienstleistungskonzern in Mitteleuropa stärken. Neben so renommierten Kunden wie der französischen Bahn SNCF, Renault, CitroÙn, Aérospatiale, Banken und Versicherungen sollen weitere Großkunden über die Grenzen Frankreichs hinaus mit Dienstleistungen im Bereich Finanzwesen sowie Fertigung gewonnen werden.