DGZ-Studie über den Kampf zweier multinationaler Konzerne auf dem DV-Weltmarkt:

AT&T konnte Dominanz von IBM nicht brechen

01.11.1985

FRANKFURT (vwd) - Zu einem Kampf der Giganten ist es auf dem DV-Weltmarkt gekommen. So jedenfalls interpretieren die Analysten der Deutschen Girozentrale - Deutsche Kommunalbank (DGZ) das Gerangel der beiden Branchenjumbos AT&T und IBM. Die Machtprobe sei vor allem deshalb spannend, weil sie sich vor dem Hintergrund eines technologischen Wandels abspiele.

Betrachtet man die Entwicklung der Datenverarbeitungsindustrie in den vergangenen 25 Jahren, so sei zu erkennen, daß die gegenwärtige Marktentwicklung, auf einigen Sektoren gekennzeichnet durch Gewinneinbrüche und Korrekturen der Wachstumsprognosen, nicht ungewöhnlich ist. Es habe schon immer, ausgelöst durch den technischen Fortschritt und Änderungen in der Nachfragestruktur, Zeiten stärkeren und schwächeren Wachstums gegeben, so die GDZ.

Rückblickend stellt die DGZ unter Hinweis auf eine Untersuchung von Kidder, Peabody & Co. bisher drei Wellen des technischen Fortschritts in der DV-Industrie fest: "Die Entwicklung von leistungsfähigen Minicomputern Anfang der 70er Jahre führte zu Marktverlusten bei den Herstellern von Großcomputern. Doch schon Ende der 70er Jahre hatte der Minicomputermarkt seinen Höhepunkt überschritten. Zu Beginn dieses Jahrzehnts ermöglichte die Verbesserung von Mikroprozessoren den dezentralen Einsatz preiswerter Mikrocomputer direkt am Arbeitsplatz.

Diese drei Wellen des technischen Fortschritts hatten gemeinsam, daß sie zunächst zu einem überproportionalen Wachstum der DV-Branche führten, nachdem sie aber ihren Höhepunkt überschritten hatten, eine Krise bei spezialisierten und inflexiblen Anbietern auslösten."

Die Marktsättigung bezog sich jedoch stets nur auf Teilbereiche des DV-Marktes, heißt es in der DGZ-Studie. Hersteller, die rechtzeitig den neuen Trend erkannten, verzeichneten auch in den Übergangsphasen zu neuen Technologien überdurchschnittliche Zuwachsraten. Nach einem Umsatz von weltweit 90 Milliarden Dollar im Jahre 1980 dürfte die Branche Informationstechnik nach Kidder, Peabody & Co. 1987 rund 200 Milliarden Dollar umsetzen.

Gegenwärtig scheint sich nach Einschätzung der DGZ der DV-Markt im Anfangsstadium einer neuen Welle der Entwicklung zu befinden. Die Probleme der Hersteller von Heim- und Personal Computern wie Apple und Commodore und die Absatzkrise bei Anbietern von "Arbeitsstationen" wie Wang und Data General, signalisieren das Ende der dritten Phase. Der neue Trend zeichne sich in seinen Grundzügen bereits ab: Er ist gekennzeichnet durch die Vernetzung einzelner Computer, welche die schnelle, preiswerte und effiziente Datenübermittlung ermöglicht.

Günstige Startposition für Datenübertragungsnetz

An "strategische Züge im Schachspiel" erinnert der erste Schritt von IBM in den Telefonmarkt, um die "Monopolposition" des Gegners AT&T zu erschüttern, erklärt die DGZ. Erwähnt wurde dabei, nach den zunächst nicht sehr erfolgreichen Versuchen, eigene Telefonanlagen zu bauen, die Übernahme von Rolm im vergangenen Jahr. Im letzten Juni kam die Beteiligung an MCI Communications, dem Betreiber des nach AT&T größten überregionalen US-Telefonnetzes.

Sollte es in das strategische Konzept von IBM passen, wäre aufgrund der Optionen die vollständige Übernahme von MCI in der Zukunft durchaus möglich. Mit dem Telefonnetz von MCI und dem Know-how von Rolm habe IBM eine günstige Startposition zum Ausbau eines eigenen Datenübertragungsnetzes. Für AT&T, die bisher etwa 85 Prozent des überregionalen US-Fernsprechverkehrs abwickelt, müsse im Kampf mit IBM als positiver Effekt die Aufhebung aufsichtsbehördlicher Nachteile bei Etablierung eines Mitbewerbers berücksichtigt werden. Hier kommt die DGZ zu dem Urteil: Per Saldo dürfte sich trotz des härteren Wettbewerbs die Ertragslage von AT&T im Telefongeschäft in den nächsten Jahren kaum verschlechtern.

AT&T startete gleichsam zum Gegenangriff im Computermarkt. Mit Hilfe der zum Unternehmen gehörenden Bell Laboratories sei relativ schnell die Einführung einer Palette von Mini- und Personal Computern gelungen, denen allerdings nur mäßiger Markterfolg beschieden war, meint die DGZ. Erfolgreicher sei man dagegen mit der entwickelten Software gewesen. Das von AT&T geschaffene Unix-Betriebssystem wurde inzwischen weitgehend zum Industriestandard.

Auf den lange Zeit vernachlässigten Auslandsmärkten versucht man, durch Beteiligungen (Olivetti) und Marketingabkommen (Philips) Fuß zu fassen. Aber auch hier treffe man auf etablierte Unternehmen, die sich nur schwer Marktanteile wegnehmen lassen. Bei dem Produkt Speicherchip habe AT&T mit der in diesem Bereich führenden japanischen Konkurrenz gleichgezogen. Erst vor kurzem kündigte AT&T den Produktionsbeginn des neuen 1-Megabit-Chips an.

Mit all diesen Aktivitäten konnte AT&T nach Einschätzung der DGZ-Analysten allerdings nicht die unumstrittene Marktführerschaft von IBM erschüttern. Die Etablierung im heißumkämpften Computermarkt scheine wesentlich schwieriger zu sein als im Telekommunikationsgeschäft. Darüber hinaus kämpfte AT&T noch immer mit seinem spezifischen Problem: Während man bis zur Abgabe der regionalen Telefongesellschaften, die gleichzeitig die Hauptkunden waren, in einem weitgehend konkurrenzfreien Raum operieren konnte, sei man nun intensivem Wettbewerb ausgesetzt.

Die notwendigen Anpassungsmaßnahmen dürften die Ertragslage auch in den kommenden Jahren belasten. Zu welchen Kosten man sich letztlich einen größeren Marktanteil im Computer- und Datenübertragungsbereich sichern kann, bleibe abzuwarten. Die vielfach erwartete Übernahme eines namhaften Computerherstellers mit breiter Kundenbasis könnte ein Ausweg sein.

Als Computerhersteller, der in nahezu allen Marktsegmenten vertreten ist, konnte sich auch IBM der allgemeinen Marktflaute nicht entziehen. Verstärkt wurde die Käuferzurückhaltung durch den Beginn eines neuen Produktzyklus bei Großcomputern. Die im August begonnenen Auslieferungen des neuen Spitzenmodells 3090/200 sollen nun die Gewinnsituation ab dem vierten Quartal 1985 deutlich verbessern. Neuerdings profitiere der Computergigant von einer wiedergewonnenen Dynamik.

Der früher schon vorgebrachte Vorwurf der Schwerfälligkeit IBMs sei zumindest für die letzten drei Jahre nicht haltbar. Die erfolgreiche Etablierung in wachstumsstarken Markten, in denen man zuvor unterrepräsentiert war, würden eine Strategieänderung signalisieren.