Assessment-Center sind wieder gefragt

05.03.2007
Von Anja Dilk
Doris Brenner war 15 Jahre lang als Führungskraft und Personalerin in großen Unternehmen tätig. Vor neun Jahren machte sie sich als Beraterin mit den Schwerpunkten Personalentwicklung und Karriereberatung selbständig. Brenner hat mehr als 2000 Bewerber und Führungskräfte interviewt und gecoacht und zahlreiche Bücher zum Thema Personalarbeit und Bewerbung veröffentlicht. In ihrem Buch "Neue Mitarbeiter - suchen, auswählen, einstellen", Luchterhand Verlag, 29,50 Euro, ISBN-10: 347205395X, widmet sie sich dem Thema Personalsuche.

CW: Was sind die wichtigsten Trends in der Bewerberauswahl?

BRENNER: Personaler schauen sich immer früher nach Nachwuchskräften um. Sie nehmen Kontakt mit möglichen Kandidaten auf, während diese noch studieren, bieten ihnen Praktika oder kleine Werkverträge an. Gerade in der IT-Branche gibt es viele Kooperationsprojekte von Firmen und Lehrstühlen. Ebenfalls im Trend: Online-Bewerbungsverfahren, Assessment-Center, auch wenn sie schon oft totgesagt wurden, und Telefoninterviews. Als kostengünstige Zwischenstufe zwischen Bewerbung und Vorstellungsgespräch setzen Personaler oder Personalberater zunehmend auf diese Methode.

CW: Wie gehen Personaler vor?

BRENNER: Dabei gibt es zwei Methoden: Telefoninterviews mit oder ohne Anmeldung. Spontane Anrufe sind ein guter Test in puncto Flexibilität. Ein Gespräch dauert etwa zwanzig Minuten. Die Bewerber werden gefragt, was sie bisher gemacht haben, wo die Schwerpunkte ihrer Arbeit lagen, welche Erfolge sie bei dieser Arbeit hatten. Es sollte auch darum gehen, warum sie Entscheidungen getroffen und wie sie ihre Aufgabe bewältigt haben. Wenn jemand im Lebenslauf schreibt, er habe ein Projekt geleitet, und es stellt sich im Telefonat heraus, dass er nur für die Abwicklung zuständig war, dann hat der Personaler schon eine wichtige Information sammeln können.

CW: Wird da ein persönliches Vorstellungsgespräch nicht schnell überflüssig?

BRENNER: Das Vorstellungsgespräch darf natürlich nicht zum Déjà-vu werden, zur Neuauflage des Telefoninterviews. Gut ist, wenn ein anderer Interviewer die Gesprächsführung übernimmt. Es sollte mehr in die Tiefe gegangen werden. Die persönliche Begegnung, Gestik, Mimik, Auftreten des Bewerbers liefern wichtige Zusatzinformationen.

CW: Worauf kommt es im Vorstellungsgespräch an?

BRENNER: Leider gelingt es den Unternehmen erstaunlich oft nicht, diese klassische Führungsaufgabe professionell zu meistern. In Vorstellungsgesprächen erzählen Führungskräfte häufig zu viel von sich selbst. Oft habe ich erlebt, wie besonders Ingenieure und IT-ler begeistert von ihren eigenen Aufgaben schwärmen, statt den Bewerber zu Wort kommen zu lassen. Eine professionelle Gesprächsführung ist ungeheuer wichtig. Da gibt es noch enormen Schulungsbedarf.

CW: Wie sollte so ein Gespräch aufgebaut sein?

BRENNER: Es gibt drei Arten von Vorstellungsgesprächen: strukturierte, halbstrukturierte, offene. Beim strukturierten Interview werden Punkte aus einem Fragenkatalog systematisch abgearbeitet. Im halbstrukturierten Gespräch werden lediglich Themenkomplexe vorher definiert, die Fragen können individueller gestellt werden. Das offene Interview sollten nur erfahrene Personaler führen, Anfänger laufen Gefahr, den Faden zu verlieren. Es braucht viel Schulung, bis ein Interviewer richtig fit ist. Er kann nicht gut genug vorbereitet sein, sollte sehr stark auf die Erfahrungen des Bewerbers eingehen und sich Situationen schildern lassen, in denen der Kandidat beispielsweise Schwierigkeiten erfolgreich bewältigt hat.

CW: Haben Führungskräfte und Personaler das langfristige Potenzial der Kandidaten ausreichend im Blick?

BRENNER: Häufig leider nein. Freilich ist die Frage, wie man dem langfristigen Potenzial eines Bewerbers auf die Spur kommt. Natürlich ist es hilfreich, den Kandidaten in einer realen Arbeitssituation zu erleben. Auch bei berufserfahrenen Bewerbern wird dieser Ansatz wichtiger. Unternehmen testen Kandidaten gerne erst einmal als Freiberufler oder Zeitarbeitnehmer. Ebenfalls sinnvoll: Ich bilde die Arbeitssituation möglichst realitätsnah und praxisbezogen in einem Assessment-Center nach und schaue, wie der Bewerber diese Situation bewältigt.

CW: Haben Personaler heute mehr Einfluss im Auswahlprozess als früher?

BRENNER: Immer noch treffen meist die Fachvorgesetzen die letzte Entscheidung. Für die Vorauswahl und die Gestaltung des Rekrutierungsprozesses sind die Personaler dagegen wichtiger geworden.