Kolumne

ASP - die Kirche im Dorf lassen

14.04.2000
Christoph Witte, Chefredakteur CW

Beim Application-Service-Providing (ASP) geht es um nicht weniger als das Mieten zentral vorgehaltener Software via Internet. Was sich zunächst nach einer genial einfachen Idee anhört, ist zumindest für unternehmensrelevante Anwendungen schwierig zu realisieren. Auf Anbieterseite stehen dabei zwei Dinge im Vordergrund: Die Applikationen müssen für dieses Verfahren vorbereitet und ständig verfügbar sein. Letzteres bedeutet nicht nur, zu jeder Zeit genügend Bandbreite zum Kunden zur Verfügung zu stellen, sondern auch genügend Rechnerkapazität vorzuhalten. Zur Zeit baut die IBM zusammen mit KPN Qwest und British Telecom mit AT&T derartige Rechenzentren rund um den Globus auf. Allein BT investiert zwei Milliarden Dollar in diese Infrastruktur - vorab. Investitionen dieser Größenordnung können sich regionale Internet-Service-Provider nicht leisten und deshalb auch das immer unrentabler werdende reine Zugangsgeschäft kaum durch ASP-Aktivitäten ersetzen.

Und weil so viel Geld in diesen gerade entstehenden Markt fließt, dürften die Anwender binnen kürzester Zeit eine Vielzahl von Software und IT-Dienstleistungen via Netz angeboten bekommen. Gelingt es den Anbietern, diese Services zu etablieren, dann können sie sich über einen kontinuierlichen Umsatzfluss freuen. Anders als beim Software-Lizenzverkauf und -Servicegeschäft fallen hier Monat für Monat Gebühren an - ähnlich wie bei den TK-Carriern oder beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Aber was springt für den Anwender heraus? Versprochen wird ihm zumindest, dass er in Zukunft Software, auch vom Kaliber R/3, gebrauchsfertig mieten kann. Damit wäre ein Großteil der eigenen IT-Infrastruktur und -Mitarbeiter nicht mehr notwendig. Die Kosten, so zumindest wird suggeriert, lassen sich bei viel weniger Ärger besser planen.

Vorsichtige Anwender sollten jedoch zunächst die Kirche im Dorf - sprich die Software im Hause lassen - und ASP zunächst nur für neue Applikationen ins Auge fassen, die von der eigenen Mannschaft nicht schnell genug entwickelt werden können. Ein Mail- oder ein elektronisches Procurement-System ist doch auch gut zu mieten. Damit schlägt der Anwender zwei Fliegen mit einer Klappe: Er kann Applikationen schnell einsetzen und das neue Modell testen, ohne seine Kernapplikationen zu gefährden.