Verdoppelung des Marktvolumens bis 1990:

Asiaten Schrittmacher der Nachrichtentechnik

24.10.1980

CAMBRIDGE/MASSACHUSETTS (cw) - Der Weltmarkt für nachrichtentechnische Ausrüstungen dürfte sich nach Ansicht von Marktforschern der Arthur D. Little, Inc. (ADL) bis 1990 mehr als verdoppeln, wobei asiatische Länder als Schrittmacher auftreten werden. Nach der ADL-Studie kann man davon ausgehen, daß sich das für 1980 geschätzte Marktvolumen von 40 Milliarden Dollar auf rund 87,5 Milliarden (Geldwert von 1979) erhöhen wird. Das entspricht einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 8,5 Prozent im Jahr.

Bei einer projizierten Wachstumsrate, die beträchtlich über dem Weltdurchschnitt liegt, wird der asiatische Markt laut ADL von einem für 1980 geschätzten Volumen von zehn Milliarden auf 27 Milliarden im Jahr 1990 zunehmen. Dieses Marktwachstum sei eine Folge der erheblichen Kapital-lnvestitionen die von den fünf Ländern Sowjetunion, Japan, Korea China und Türkei geplant sind, meint der nachrichtentechnische Experte von ADL, Edgar A. Grabhorn, der für die "World Telecommunications Study II, 1980-1990" federführend war. In der früheren World Telecommunications Study von 1970 sagte Grabhorn übrigens genau den heute zutreffenden Umfang des Weltmarktes von 40 Millionen Dollar voraus.

Sowjets lösen Japaner ab

Der vorliegende, vier Bände umfassende Report enthält die erste eingehende Untersuchung des sowjetischen Marktes, stellt ADL fest und weist darauf hin, daß die Sowjetunion zur Zeit ein Drittel des gesamten Marktvolumens an nachrichtentechnischen Ausrüstungen abnimmt.

Die genaue Größe des sowjetischen Marktes - geschätztes Volumen: 3,5 Milliarden Dollar - ist schwer auszurechnen, da ein großer Teil der Ausrüstungen nach Ansicht von Grabhorn durch Kompensationsgeschäfte mit Comecon-Ländern bezogen wird.

Etwas hinter dem amerikanischen Stand der Technik bei der Fernsehbildübertragung über Satelliten, folgt die Sowjetunion einem ähnlichen Plan, der die Installation Hunderter von Empfangsstationen auf der Erdoberfläche vorsieht. Sie sollen in erster Linie abgelegene Siedlungen versorgen. In der Sowjetunion gibt es etwa 20 Millionen Fernsprechanschlüsse für eine auf 268 Millionen geschätzte Bevölkerung, demgegenüber stehen den 224 Millionen Amerikanern 175 Millionen Fernsprechanschlüsse zur Verfügung, wird in dem Report betont.

Mit einem Anteil von 30 Prozent am Weltmarkt dürfte Asien die europäische Region 1990 überholt haben und dann an zweiter Stelle hinter Nordamerika stehen. In einigen Fällen werden Länder, die bisher in einer Region den größten Markt darstellten, bis 1990 von anderen Ländern verdrängt werden. So wird beispielsweise die Sowjetunion in Asien Japan als Nummer eins ablösen.

In der Studie werden die nachrichtentechnischen Ausrüstungen in sechs Systemkategorien unterteilt: Fernsprechverkehr, Telegraphen-, Telex- und Datenverkehr, Fernmelde-Satellitensysteme, bewegliche Funk- und Funksprechdienste, Personensuchsysteme und Kabelfernsehen. Grabhorn betrachtet die Ausbreitung fortschrittlicher Halbleiterprodukte, in erster Linie der LSI-Schaltungen, als eine der technologischen Triebkräfte, die hinter der Expansion der Märkte stehen. In der Fernsprechtechnik ist das herausragende technische Ereignis der 80er Jahre die ausgedehnte Digitalisierung der Netze auf der Ebene der Ortsvermittlungsstellen, meint der ADL-Spezialist. Jeder Hersteller von Vermittlungssystemen sei bei der Entwicklung in starkem Maße an diesen Trend gebunden. Mit wenigen Ausnahmen werden die Postverwaltungen und Fernmeldegesellschaften weltweit die digitale Technik im Verlauf des Jahrzehnts übernehmen. Grabhorn rechnet auch mit einer raschen Ausbreitung der Digitaltechnik im Nahbereich. Während der Fernverkehr sich von Land zu Land stark unterscheidet, glaubt Grabhorn, daß Monomode-Lichtleiter gute Aussichten auf Kosten von Koxial-, Erd- und Seekabeln haben werden.

Außerdem rechnet er mit einer stärkeren Nutzung von Fernmelde-Satelliten privater Unternehmen und einer Ausbreitung speicherprogrammierter Nebenstellenanlagen. Die Studie sagt ein enormes Wachstum im Einsatz von Fernmelde-Satelliten für den globalen Fernsprech- und Datenverkehr voraus - bei einer Vervierfachung der Intelsat-Nutzung bis 1990 mit bis zu 200 000 Halbkanälen in Sprechgüte. Eine effiziente Nutzung des knapp bemessenen Radiofrequenzspektrums wird durch bewegliche Funkdienste erreicht, die über automatische Fahrzeugidentifizierung, digitale Geräuschunterdrückung, Zustandsabfrage und Frequenzsynthese verfügen .

Grabhorn ist der Ansicht, daß das Wettbewerbsgeschehen innerhalb der Regionen und Länder im Laufe der 80er Jahre erheblichen Änderungen ausgesetzt sein wird. Bestimmt werden diese Änderungen vor allem durch die jeweils eingeschlagene Politik und die internationalen Marketing-Aktivitäten .

Bei einer Analyse der sechs Fernmelderegionen Nordamerika, Europa, Asien, Lateinamerika, Ozeanien und Afrika kamen die Marktforscher in der Studie zu folgenden Aussagen:

- Auf dem verhältnismäßig homogenen nordamerikanischen Markt (die einzige Region, in der ein großer Teil des Fernmeldeverkehrs durch unabhängige Gesellschaften getragen wird) spielt sich der Wettbewerb vor allem auf dem privaten Käufersektor ab. Das Marktvolumen wird 1990 etwa 6,5 Milliarden Dollar betragen.

- Eine weitere Umstrukturierung der europäischen Märkte in dieser Dekade wird für möglich gehalten.

- Die Japaner werden mit ihrem Angriff auf die asiatischen Märkte fortfahren, die bisher eine Domäne amerikanischer und europäischer Hersteller waren.

- In Lateinamerika wird sich der Wettbewerb zum größten Teil auf dem Gebiet der Nebenstellenanlagen abspielen.

- Ozeanien wird mit einer großen Zahl von Anbietern ein offener Markt bleiben, der 1990 ein Volumen von etwa 1,4 Milliarden Dollar aufweisen wird.

- Afrika stellt als Konglomerat von Entwicklungsländern einen wachsenden Markt für alle größeren Hersteller dar.

Die "World Telecommunications Study II 1980-1990" wurde von Grabhorn und fünf anderen Mitgliedern einer Projektgruppe erarbeitet, die 42 Untersuchungen in den einzelnen Ländern durchgeführt und 90 Prozent des globalen Fernmeldemarktes analysiert hat. Für ADL-Abonnenten kostet die Studie 29 000 Dollar. Die Arthur D. Little Inc. sitzt in Acorn Park, Cambridge, Mass. 02140.

Aus Computerworld vom 8. September 1980, übersetzt von Hans J. Hoelzgen, Böblingen.