Schwedischer Elektronikgigant soll Embargobestimmungen verletzt haben

Asea: BIühendes Ostgeschäft mit US-Computern

12.04.1985

MÜNCHEN (ih) - Auf Abwege scheint einer der größten Elektronik-Konzerne des neutralen Schwedens geraten zu sein: US-Behörden ermitteln, ob mit Hilfe der Asea hochentwickelten US-Computer in die UdSSR gelangten. Offen ist zur Zeit die Frage, ob die Asea-Geschäftsleitung "offiziell" informiert war.

Bereits im Herbst des vergangenen Jahres erhoben die US-Regierungsvertreter gegen das Unternehmen den Vorwurf, amerikanische High-Tech-Produkte über Schweden in die Sowjetunion geliefert zu haben. Das Management streitet die Verletzung der Exportgesetze zwar nicht ab, behauptet aber, daß die unerlaubten Transfers von leitenden Angestellten in Eigenregie durchgeführt worden seien.

Im September 1984 entdeckten amerikanische Behörden, daß sechs Rechner der Modular Computer Systems Inc., Fort Lauderdale, kurz "Modcomp", über die Bundesrepublik in die UdSSR gelangten. Die Systeme gehörten zu einem 70-Millionen-Dollar-Vertrag, der mit Asea im Jahre 1979 unterzeichnet worden war. Ursprünglich waren die Rechner für ein Stahlverarbeitungsprojekt vorgesehen. Nach Angaben der US-Experten können sie aber auch für militärische Anwendungen eingesetzt werden.

Schwedische und amerikanische Beamte untersuchen derzeit nach Angaben des US-Magazins "Business Week" auch eine Zeugenaussage, nach der die Schweden DEC-Computer in die Tschechoslowakei transportiert haben sollen.

Nachdem die amerikanische Regierung im Jahre 1980 die Exportgesetzgebung für Technologien drastisch verschärft hatte, fungiert ein früherer Direktor des schwedischen Unternehmens für Robotertechnik in Stockholm als Verbindungsmann. Im vergangenen Jahr wurde er in Schweden wegen Schmuggels von Computern in den Osten verurteilt. Der Mann hat nach Berichten aus Stockholm zugegeben, für die Vermittlung der Rechner 600 000 schwedische Kronen erhalten zu haben.

Wie wichtig Schweden als Dreh- und Angelpunkt für Moskau zu sein scheint, zeigt, daß 59 sowjetische Handelsbeauftragte mit einem Stab von 141 Mitarbeitern in Stockholm und Göteborg tätig sind. Diese Fachleute bearbeiten Importe im Wert von 190 Millionen Dollar jährlich, was weniger als einem Prozent des schwedischen Gesamtexports entspricht.

Dagegen importieren die Amerikaner Waren in Höhe von 3,5 Milliarden US-Dollar. Doch gibt es nach Aussage des amerikanischen Magazins dafür nur einen US-Handelsbeauftragten.

Amerikanische Regierungsvertreter sind der Meinung, daß Ausrüstungen für die Halbleiterherstellung ganz oben auf der Wunschliste der Sowjets stehen.

Im vergangenen Jahr verurteilte ein amerikanisches Gericht das schwedische Telekommunikations-Unternehmen L. M. Ericsson zu einer Strafe von drei Millionen Dollar, weil es in den Transfer von Luftüberwachungssystemen in die UdSSR verwickelt war.

Der deutsche Geschäftsbereichsleiter von Asea, Christoph Kossin, gab zu, daß die US-Behörden gegen das Unternehmen ermitteln. Die schwedische Geschäftsleitung war zu keiner Stellungnahme bereit, da man nicht in ein Ermittlungsverfahren eingreifen wolle. In Schweden selbst scheint der "Fall Asea" Staub aufgewirbelt zu haben. Nach Aussage eines englischen Journalisten beorderte die Regierung wegen der "Schmuggel-Affäre" vor zwei Wochen ihre Cocom-Spezialisten aus Tokio, Bonn, London und Paris zur Beratung nach Stockholm.