Im öffentlichen Bewußtsein bisher noch Gegensätze:

"artware" - Kunst am Bildschirm

28.03.1986

HANNOVER (rs) - "Kunst und Computer", philosophierte Dr. Dankwart Rost, Leiter des Siemens-Hauptbereiches Werbung und Design, "sind im öffentlichen Bewußtsein Gegensätze." Rost sprach zur Eröffnung von "artware", der Kunst- und Elektronik- Gemeinschaftsaktion von Siemens und der hannoverschen Messegesellschaft.

"artware", zwei Tage vor Messebeginn eröffnet, stellt 21 Künstler aus 11 Ländern vor, die statt Pinsel und Meißel zu Mikrocomputer, Btx oder Laser gegriffen haben. Digitale Bilder, flimmernde Mattscheiben und Hologramme zeigt die junge Künstlergarde (die meisten Teilnehmer sind unter 30). Auch Malerei, Photografie und Videos erwarten den Ausstellungsbesucher, und mitunter zeigt sich auch eine kritische Distanz zu den neuen Werkzeugen. Als Forum der elektronischen Künste soll "artware" zu einem festen Bestandteil der Hannover-Messe CeBIT werden.

Mit erfrischender Komik, so die artware-Veranstalter, werde der Beweis geführt, daß "die elektronischen Künste erwachsen geworden sind". So ist beispielsweise Daniel Peonsgens Video-Installation "Psycho III" eine satirische Anspielung auf den bekannten Hitchcock-Thriller. Bei dem schwedischen Bildhauer Jarg M. Geismar führen in "Crash" zwei geisterhafte Autokarosserien einen anhaltenden Dialog mit Hilfe von Diaprojektoren.

In seiner Arbeit "Blatt-Licht-Stille" kombiniert der in München lebende Exilrusse Igor Sacharov-Ross synthetische Musik mit Naturklängen und Blätter mit einem "Blatt-Video" zu lyrischen Reflektionen seiner sibirischen Kindheit. Harald Frackmann nimmt autobiografische Notizen in seine "Tagebuch Passage" auf, in der er gemalte und Fernsehbilder vermischt. Dabei bedient er sich des Bildschirms als neuer Lichtquelle ähnlich wie der Italiener Fabrizio Plessi, der das bläulich schimmernde Leuchten mit dem "Universalmedium" Wasser vergleicht und für die Ausstellung ein "Meer" von Bildschirmen zusammengestellt hat.

Doch der enthusiastische Gebrauch der neuen Werkzeuge und Materialien schließt kritische Distanz nicht aus. Die Ironie in Janusz Hajduks "Ite missa est", einer Version von Leonardo da Vincis "Abendmahl" aus dem elektronischen Blickwinkel, ist deutlich genug. Der Londoner Dick Jewell hat eine monumentale Collage von Fernsehbildern zusammengestellt, die zeigt, wie visuelle Vielfalt in Überdruß umschlagen kann.

Die künstlerische Leitung von "artware" liegt bei Professor David Galloway von der Ruhr-Universität Bochum. Der ehemalige Chefkustos des Tehran Museum of Contemporary

Art ist heute als Kritiker für die Herald Tribune (Paris) und Art in Amerika (New York) tätig. Galloway hatte mit "artware" einige Startprobleme: Wechselseitig mußte er die Messe-Gesellschaft und die Siemens AG von der Ausstellungsidee überzeugen.