Arthur D. Little: US-Haushalte bereit fuer interaktive Dienste Multimedia laeutet traditionellem Otto-Katalog das Sterbegloeckchen

16.09.1994

MUENCHEN (CW) - Nichts wird mehr so sein, wie es war. Diese von Multimedia-Kritkern ins Feld gefuehrte Befuerchtung scheint, was kommende Marktstrukturen betrifft, auch zuzutreffen. Telefon- und Kabel-TV-Gesellschaften in den USA muessen sich jedenfalls, so eine Studie des internationalen Consulting-Unternehmens Arthur D. Little, kuenftig von ihrer angestammten Klientel mehr und mehr verabschieden und sich auf einen verstaerkten Wettbewerb einstellen. Gleichzeitig ist schon jetzt knapp die Haelfte der US- amerikanischen Haushalte bereit, interaktive Multimedia-Dienste in Anspruch zu nehmen.

Die Studie bezieht sich auf Umfragen vom Fruehjahr dieses Jahres, die nach Angaben von Arthur D. Little mit 1011 befragten Personen (Alter ueber 18 Jahre) einem repraesentativen Querschnitt der US- Bevoelkerung entsprechen. Dabei lassen sich den Auguren zufolge drei wesentliche Veraenderungen erkennen: Zum einen werden Telefon- und Kabel-TV-Gesellschaften beginnen (muessen), in Ergaenzung zu ihrem jeweiligen Core-Business neue Dienste wie Video on demand und Teleshopping anzubieten - mit der Folge radikaler Veraenderungen ihrer Umsatz- und Kostenstruktur. Zweitens werden die neuen Dienstleistungen das Marktpotential dieser Firmen erheblich erweitern, und drittens, fuehrt die steigende Akzeptanz von Multimedia-Services zu deutlichen Umsatzeinbussen bei Unternehmen, die "Shopping per Katalog" oder den Verleih von Videos anbieten.

Trotz aller Euphorie in Sachen Multimedia muessen sich die zukuenftigen Player im Markt jedoch auf ein deutlich rauheres Klima einstellen - erst recht durch das in einem demnaechst noch mehr liberalisierten Markt zu erwartende Verhalten der Konsumenten. So wuerden laut Arthur D. Little bis zu 27 Prozent der Kabel-TV- Abonnenten zu einem - falls vorhanden - in etwa gleich viel kostenden TV-Dienst einer Telefongesellschaft wechseln; bei einem Preisunterschied von zehn bis zwanzig Prozent koennten die Carrier sogar bis zu 45 Prozent des Kabel-TV-Marktes erobern. Auf der anderen Seite belegt die Studie, dass rund 16 Prozent aller US- Haushalte bei gleichem Preis mit dem Telefondienstangebot einer Kabel-TV-Gesellschaft liebaeugeln wuerden.

Unabhaengig davon duerften aber, so Arthur D. Little, beide bisher getrennten Maerkte in den USA nicht nur zusammenwachsen sondern vom Multimedia-Boom auch profitieren. Waehrend in Europa noch, wie es in der Untersuchung heisst, ueber die Akzeptanz von Multimedia- Anwendungen nachgedacht wird, konnte man in den Vereinigten Staaten bereits eine substantielle Nachfrage nachweisen. So wuerden immerhin 47 Prozent der befragten Haushalte, ausgehend von der Preisbasis heutiger Leihvideos, Videofilme ueber eine elektronische Videothek beziehungsweise Datenbibliothek kaufen. Gleichzeitig waeren 26 Prozent der Haushalte bereit, Homeshopping mit Hilfe eines elektronischen Kataloges zu praktizieren. Im beiden Faellen ersetzen, so die Studie, die neuen Dienste ein bestehendes Angebot, daher koenne ein direkter Preisvergleich angestellt werden. Im Bereich digitaler Zeitungen, Buecher und Info-Dienste ist dies jedoch nicht moeglich. Um so erstaunlicher finden es die Marktforscher, dass gut 25 Prozent der Haushalte - abhaengig vom Preis - einen elektronischen Info-Dienst abonnieren wuerden.

Das steigende Angebot von Multimedia-Diensten wird sich allerdings negativ auf die Umsaetze von Anbietern gedruckter Shopping- Kataloge, Retailgeschaeften und Film- beziehungsweise Videoverleihfirmen auswirken. Hinzu komme, dass, so Arthur D. Little, Kabel-TV- und Telefongesellschaften gezielt das Konsumguetergeschaeft anvisieren werden, zu dem sie bis dato keinen Zutritt gehabt haben. Einziger Trost fuer die Anbieter nichtelektronischer Medien sei, dass Multimedia-Dienstleistungen heute noch nicht in vollem Umfang erhaeltlich sind, also eine Art Schonfrist, um sich auf neue Maerkte vorzubereiten.