Marktkenner kritisiert Big Blues Strategie auf dem Mikrokanal-Sektor:

Armonk spaßt nicht mit PS/2 Nachahmern

04.03.1988

PARIS (IDG) - Mikrocomputerhersteller, die sich mit dem Gedanken tragen, lBMs PS/2-Familie nachzubauen, sollten diese Absicht noch einmal überdenken. Diese Meinung vertrat William Zachmann von der US-Marktforschungsgesellschaft IDC auf einem PC-Forum in Paris. Der größte Rechnerhersteller der Welt werde jeden Konkurrenten vor Gericht zerren, der seine patentrechtlich geschützte Mikrokanal-Architektur (MCA) kopiert.

Seit Big Blue im April vergangenen Jahres die PS/2-Familie offiziell vorgestellt hat, debattieren die Insider darüber, ob der Computerriese den Nachbau des Mikrokanals tolerieren werde. Von Interesse ist bei der Auseinandersetzung besonders die Frage, ob eine strikt herstellergebundene Architektur überhaupt in der Lage sein kann, die Nachfolge der zur Zeit vorherrschenden offenen PC/AT-Architektur als Standard in der individuellen DV anzutreten.

"Trotz all der mutigen Sprüche von PS/2-Chipsets hat IBM weitreichende rechtliche Möglichkeiten, die Herstellung von Nachbauten zu verhindern", meinte der als IBM-Kritiker bekannte Zachmann. "Eine Strategie der Kompatibilität mit IBMs PS/-Produktlinie ist für Konkurrenten ein sehr schwankender Boden. IBMs Botschaft lautet: Wer eine Mikrokanal-Maschine will, muß ein PS/2 kaufen."

Allerdings, so der Marktbeobachter weiter, solle man nie "nie" sagen. Möglicherweise werde auch IBM einmal die Notwendigkeit zur Änderung dieser Politik verspüren, um die Unterstützung für MCA und die gemeinsam mit Microsoft entwickelte, aber noch nicht ausgelieferte Extended Edition des Betriebssystems OS/2 zu fördern. "Aber wenn sie eine Second Source lizenzieren, werden sie jedenfalls einen großen Anbieter auswählen, der bisher nicht erfolgreich auf dem Microcomputermarkt tätig war", sagte er voraus.

Ganzer Schwung von PS/2-Ankündigungen

Wie andere Teilnehmer eines vorhergegangenen Briefings bei IBMs Entry Systems Division in Boca Racon berichtete auch Zachmann, Big Blue werde in der ersten Hälfte dieses Jahres einen ganzen Schwung von PS/2-Ankündigungen vom Stapel lassen. Bis Ende 1989, so habe ihnen der blaue Computergigant erklärt, werde der 32-Bit-Prozessor 80386 auch in Entry-Level-Maschinen vertreten sein und die zur Zeit vorherrschenden 16-Bit-Chips 8086 und 80286 völlig verdrängt haben.

Zachmann meinte auch, daß dies eine Voraussetzung für die Akzeptanz von OS/2 sei. Dabei sparte der Experte nicht mit Kritik an IBMs derzeitigem PS/2-Angebot, besonders im unteren Bereich. Das Modell 30 sei wenig mehr als ein "PC 2", das Modell 50 gar eine "verunstaltete Maschine". "IBM wird Probleme bekommen, wenn die Leute entdecken, daß das Modell 50 sich nicht als Plattform für OS/2 eignet." Insgesamt sieht er wohl eine Chance, daß sich OS/2 durchsetzt, aber nicht die PS/2-Serie. "Ich bin definitiv der Meinung, daß IBMs Strategie langfristig versagen wird." Grund: "Es gibt nichts am Mikrokanal, was man nicht mit vernünftigem Ergebnis auch mit einem AT machen könnte." Deutlich wurde Zachmann auch gegenüber der Kundschaft des Branchenführers: "Es sind nur IBMs dümmste, faulste und loyalste Kunden, die das kaufen. Aber es gibt eine ganze Menge davon."

AIX gilt selbst bei IBM als subversive Architektur

Auch für die Mittelklasse-Strategie des Herstellers sieht Zachmann schwarz. Die Verkaufszahlen nannte er ein "Desaster". Die Zukunft der Systeme /36 und /38 liege bei kleinen Unternehmen. "Die Geschichte vom /36 und /38 als Abteilungsrechner wird verschwinden", prophezeite er. Er sagte voraus, IBM werde auch die neuere Produktfamilie 9370 nicht als Abteilungsmaschine etablieren können. "Objektiv betrachtet, eignet sich der PC RT (in Deutschland als Modell 6150 bekannt) unter Unix am besten dafür." Aber, so fügte er hinzu, IBMs Unix-Version AIX gelte im eigenen Hause ja als eine "subversive Achitektur".

"IBM liegt in den Wehen einer hausinternen Debatte", sagte der Marktkenner. "Die kürzlich erfolgte Umstrukturierung institutionalisiert diese Auseinandersetzung und erlaubt, sie über den Markt auszutragen." Deren Protagonisten seien einerseits jene, die "zurückkehren wollen in die Welt der Vergangenheit mit ihren herstellerspezifischen, monopolartigen Architekturen" und diejenigen, die "weine etwas offenere Welt verfechten." Die Unterschiede zwischen beiden Gruppierungen sieht Zachmann jedoch offenbar als nicht sehr groß an: Beide Gruppen schalt er "Konservative", die die "Rechte" und die "Extreme Rechte" im ideologischen Spektrum der Computerwelt verträten.