Werkzeuge zur Nachrichtenerstellung und -verarbeitung

Architektur zum Austausch strukturierter Nachrichten

28.08.1992

Offenheit resultiert nicht allein aus einem offenen Betriebssystem und der Beachtung von OSI-Normen. Soll eine offene Lösung auch wirtschaftlich sein, so empfiehlt sich eine Form der Nutzdatenübertragung, die eine automatische Auswertung und Aktualisierung der Stammdaten ermöglicht.

Datenverarbeitung macht in einer Organisation oder Unternehmung nur dann einen Sinn, wenn sie in der Lage ist, relevante und adäquate Informationen schneller, billiger oder qualitativ höherwertiger als konventionelle Methoden bereitzustellen. Informationen sind relevant, wenn sie genau das mitteilen, was man in einer bestimmten Situation braucht, um ein Problem zu lösen. Relevante Informationen müssen demnach für einen bestimmten Verwendungszweck maßgeschneidert sein. Eigentlich brauchbar und wirksam - also adäquat - werden relevante - Informationen erst dann, wenn die verarbeitende Instanz sie auch verstehen und verwerten kann. Daß die Informationen darüber hinaus leicht auswertbar sowie schnell und ihrem Einsatzzweck entsprechend genügend häufig übertragbar sein müssen, sind übliche Ansprüche.

Kommunikationsmittel sollen integriert werden

Diese Forderungen sollen natürlich auch in Umgebungen erfüllt sein, die

- auf heterogenen Hard- und Softwaresystemen - und damit auch Kommunikationsmitteln

- basieren,

- weit verzweigt sind insbesondere hierarchisch gegliederte Organisationen mit vielen Filialen und einem intensiven Melde- und Berichtswesen, und - eventuell mobile Komponenten, etwa bei Handelsreisenden, Inspektoren, Wartungsteam, beinhalten.

In einer solchen Umgebung kann der Forderung nach Offenheit und Flexibilität nicht einfach durch kostenintensive Umstellungen auf die oft gepriesenen Allheilmittel Unix und OSI erfüllt werden. Viel mehr muß eine offene und zugleich wirtschaftliche Lösung zwei Aspekte berücksichtigen:

- Die Nutzdaten müssen gemäß ihrem Inhalt in einer Form übertragen werden, die eine weitgehend automatische Auswertung und Aktualisierung von Stammdaten, ermöglicht (Relevanz und Adäquanz.).

- Bereits vorhandene Kommunikationsmittel (TCP/IP, ISDN, X.400, Fax, Telex etc.) sollen soweit möglich in einen Verbund integriert werden, der die Übertragung der formalisierten Nutzdaten transparent abwickelt.

Unternehmensweite Datenübermittlung

Für den Austausch von Dokumenten zwischen offenen Systemen wurde mit ODA eine Dokumentenarchitektur und ein genormtes Format (ODIF) entwickelt (1). Hiermit können im Prinzip sowohl beliebige Nutzdaten als auch deren Layout systemunabhängig definiert, übertragen und verarbeitet werden. Für die meisten Anwendungen dürfte ODA allerdings ein viel zu mächtiges Konzept darstellen.

Etwas einfacher ist es, für die zu übertragenden Informationen unternehmensweit einheitliche Strukturen festzulegen, bei denen das Layout, also Attribute wie Schriftarten, Schriftgrößen oder Farben, keine Berücksichtigung erfährt. Eine solche Struktur entspricht im wesentlichen einem Formular und kann relativ einfach mittels einer formalen Grammatik festgelegt werden. Dabei lassen sich Eigenschaften definieren, die bei Papierformularen nicht ohne weiteres möglich sind, etwa die variable Anzahl von Einträgen (zum Beispiel in Bestellisten), vorgegebene Eingabemöglichkeiten

(<Monat>:=,Jan","Feb",...) oder Masken für Feldinhalte

(< Datum>: =99. Monat>9999).

Durch die wiederholte Verwendung einmal definierter Grammatikelemente, zum Beispiel Datum, in verschiedenen Dokumentenstrukturen erreicht man sehr elegant einen unternehmensweit einheitlichen Nachrichtenaufbau.

Da die Datenflüsse innerhalb einer größeren Organisation zumeist bereits formalisiert sind und aus Text und Zahlen bestehen, ist die Neuerstellung und nachträgliche Anpassung von Dokumentenstrukturen ('Content Architecture' in der ODA-Norm), basierend auf den bereits vorhandenen Grammatikelementen, nicht allzu schwierig.

Werkzeuge für den Datenverkehr

Diese Ansatz bringt allerdings erst dann Vorteile, wenn entsprechende Werkzeuge zur Nachrichtenerstellung und -verarbeitung zur Verfügung stehen, nämlich

- Editor: Ein Struktureditor ist in der Lage eine vorgegebene Dokumentensyntax zu lesen und darauf basierend dem Benutzer Masken. zum - zwangsläufig korrekten - Eingeben der Nutzdaten anzubieten. Das heißt, je nach gewählter Dokumentart verhält sich der Struktureditor temporär wie ein spezieller Editor für genau diese Dokumentart (Bericht, Bestellung, Meldung).

- Akzeptor: Ein Akzeptor ist eine Anwendung, die ankommende Nachrichten empfängt und gemäß ihrem Typ weiterverarbeitet, beispielsweise eine bestimmte Datenbank aktualisiert, etwa bei einer Meldung der Tagesumsätze oder der verbrauchten Ersatzteile einer Filiale.

Ebenso wie beim Struktureditor ist es zur korrekten Behandlung mehrerer Nachrichtentypen nur notwendig, alle benötigten Dokumentenbeschreibungen dem Akzeptor zur Verfügung zu stellen. Das kann auch ein Subset der im Unternehmen vorhandenen Beschreibungen sein, um den Meldefluß bestimmter Teilnehmer inhaltlich einzuschränken.

Für das automatische Update einer Datenbank ist es zusätzlich, notwendig, den auszuwertenden Nachrichtenelementen einen Bezug zu den entsprechenden Datenbankelementen und eventuell komplexere Bearbeitungsroutinen (SQL-Prozeduren) zuzuweisen.

- Generator: Im umgekehrten Fall sollen, basierend auf vorhandenen Daten, automatisch (zeit- oder ereignisgesteuert) oder halbautomatisch entsprechende Meldungen erzeugt und versandt werden, zum Beispiel abendliche Nachbestellung von verbrauchten Teilen, Monatsberichte. Ebenso wie beim Akzeptor ist dazu nur das Vorhandensein einer Dokumentensyntax und der entsprechenden Verknüpfungen zur Datenbank notwendig.

Der große Vorteil all dieser Werkzeuge besteht darin, daß sie sich durch einfaches Einspielen der Dokumentenbeschreibungen auf geänderte oder zusätzliche Dokumenttypen anpassen lassen. Offensichtlich notwendig ist dazu allerdings eine zentrale Stelle, die das Konfigurations-Management für alle in der Organisation verwendeten Beschreibungen sowie deren Verteilung an die Kommunikationspartner übernimmt.

Das Einsatzspektrum obiger Strukturen ist recht begrenzt, sofern es nicht gelingt, die Daten transparent über verschiedenartige Kommunikationsmedien zu bewegen. Schlüsselelement hierbei ist ein Kommunikations-Server der folgende Eigenschaften haben muß:

- Anbindung verschiedener Typen von Nutzer-Arbeitsplätzen (X.400 User Agents, direkte Verbindung zu Anwendungsprogrammen wie Faxsoftware);

- Möglichkeit zur Anbindung an verschiedene externe Kommunikationsmedien (ISDN, X.25, Fax, Telex);

- Automatische Analyse der Empfängeradressen ankommender Sendungen ( intern wie extern) und Routing auf das entsprechende Übertragungsmedium. Bei mehreren Empfängern (Broad- und Multicasts) kommt hierzu noch die Vervielfältigung der Nachrichten.

Die logischen Adressen kann die Serversoftware durch die Kenntnis der Struktur direkt aus den Dokumenten extrahieren. Für die Umsetzung auf physikalische Adressen beziehungsweise Übertragungsmedien sind entsprechende Tabellen notwendig;

- Konvertierung von Dokumenten für das jeweilige Kommunikationsendgerät: So bereitet zum Beispiel die Ausgabe einer Nachricht die über X.25 ankommt, auf einem Fax-Gerät keine großen Probleme. Auch die Umkehrung, also eine Fax-Nachricht in eine X.400 Message umzuwandeln, ist - entsprechende Faxsoftware vorausgesetzt - aufgrund der bekannten Dokumentenstruktur ebenfalls machbar; um auch eine Anbindung von Kommunikationspartnern zu ermöglichen, die nicht mit den definierten Nachrichtenstrukturen arbeiten, muß der Server in solch einem Fall als normales Gateway fungieren;

- Flexibilität in der Hardware-Ausstattung: Dazu gehört, daß der Server leicht, etwa durch den Einbau einer Kommunikationskarte, das Laden eines Treibers und Anpassen der Routing-Tabellen, für die Anbindung an neue Kommunikationsmedien erweitert werden kann.

Die Dienste des Kommunikations-Servers sind zweifelsohne nicht einfach zu implementieren. Allerdings gibt es für die meisten Protokoll- und Dienstekonvertierungen fertige Softwaremodule auf dem Markt, die nur entsprechend kombiniert werden müssen.

Die Nutzeffekte eines solchen Kommunikations-Servers sind vielfältig:

- Strukturierte Nachrichten werden völlig transparent und automatisch transportiert, konvertiert und verteilt.

- Angeschlossene Nutzer können von ihren Arbeitsplätzen aus direkt auf verschiedenste Netzdienste zugreifen (Gateway-Funktion) und damit zusätzlich Verbindung zu externen Partnern erhalten.

- Durch das für einen bestimmten Organisationsbereich, zum Beispiel eine Niederlassung, zentralisierte Konzept des Kommunikations-Servers lassen sich sämtliche notwendigen Sicherheitsfunktionen etwa Rückruf, Logging, auf diesem Server zusammenfassen.

Eine Verknüpfung zweier Konzepte

Durch die Verknüpfung der beiden Konzepte des formalisierten Nachrichtenaustauschs, basierend auf Werkzeugen, die sich adaptiv an die Nachrichtensyntax anpassen, und eines Kommunikations-Servers, der zentral sämtliche Vermittlungs- und Konvertierungsfunktionen wahrnimmt, erhält man eine funktionsfähige Architektur. Sie ist in der Lage in Organisationen mit stark normierten Datenflüssen (Behörden, Großunternehmen) einen hohen Anteil der Daten (halb)automatisch zu erfassen und in Datenbanken abzulegen beziehungsweise aus Datenbanken zu generieren und dabei durch die leichte Änderbarkeit der Dokumentenstruktur und Erweiterbarkeit des Kommunikations-Servers

ein Höchstmaß an Flexibilität zu erhalten.