Arbeitszeiterfassung durch betriebsbezogene Software-Lösung:Computergestützte Gleitzeitmodelle erhöhen die Flexibilität

01.09.1989

Arbeitszeitverkürzung, flexible Arbeitszeiten und Überstundenausgleich erfordern ein Zeiterfassungssystem, das Personalabteilungen von komplizierten Rechenaufgaben entlastet. Über die unterbrechungsfreie Installation eines betriebsbezogenen Systems berichtet Günter Pott*

*Günter Pott ist freier Fach- und Wirtschaftsjournalist in Kuppenheim.

Zeiterfassung war für das Unternehmen Becker Autoradiowerk GmbH in Karlsbad nicht neu. Gründe für eine Umstellung und die Entscheidung für modernere Systeme lagen vielmehr im erheblichen Kostenaufwand, den ein Ausbau der vorhandenen Geräte verursacht hätte. Außerdem stand für den inzwischen nicht mehr lieferbaren Basisrechner kein Nachfolgemodell zur Verfügung. Weitergehende Vorstellungen des Unternehmens konnten daher mit den vorhandenen Zeiterfassungssystemen nicht erfüllt werden, die technischen Möglichkeiten waren erschöpft.

Wechsel mußte außerhalb der Arbeitszeit erfolgen

"Wir haben im Frühjahr 1987 damit begonnen, uns nach geeigneten Lösungen umzusehen und verschiedene Hersteller zur Angebotsabgabe aufgefordert", berichtet Dieter König, stellvertretender Leiter der Personalabteilung und verantwortlich für das Projekt. Dabei kam es besonders auf die Möglichkeiten der Mehrarbeitserfassung und -abgeltung in Gleitzeitmodellen an. Ein Katalog mit sämtlichen Anforderungskriterien diente der differenzierten Beurteilung angebotener und vorgeführter Leistungen.

Die positive Beurteilung der Hard- und Softwareleistungen der Interflex Datensysteme GmbH führte im Dezember 1987 zur Entscheidung für wesen Hersteller. Hauptentscheidungsgründe waren, wie König feststellt, die individuell zusammenstellbare, modulare Software und deren bedarfsgerechte Weiterentwicklung durch den Hersteller sowie die mit zirka 3000 Installationen hohe Verbreitung des DEC-Rechners PDP 11/53. Hinzu kam die Möglichkeit zur eigenen Erstellung, Codierung und Pflege der Magnetstreifen-Ausweise - ein nicht unbedeutender Kostenfaktor. Schließlich spielte auch die Servicenähe eine wichtige Rolle.

Installiert wurde das Zeiterfassungssystem 5060 mit insgesamt sieben Erfassungsterminals. Das Kundendienstgebäude hat man bei Becker zusätzlich mit einem Zutrittskontrollterminal ausgestattet, da dieser Bereich außerhalb des eigentlichen Werksgeländes liegt und keinen Pförtner hat.

Die zum System gehörende DEC-Zentraleinheit verfügt über einen 1,5-MB-Hauptspeicher, 42 MB Plattenkapazität und eine Bandstation mit 95 MB für die tägliche Datensicherung. Drei Bildschirmterminals und ein Drucker sind angeschlossen. Eine in das Konzept integrierte Funkuhr sorgt für den ständigen Abgleich mit der Normalzeit und für die Umstellungen auf Sommer- und Winterzeit.

Die Becker-Gruppe beschäftigt bundesweit rund 2700 Mitarbeiter davon etwa 1500 am Hauptsitz Karlsbad. Hier erfolgt die Zeiterfassung für 500 Angestellte in Gleitzeitmodellen und für 250 gewerbliche Arbeitnehmer in Zeitlohngruppen.

Die Erfassungsterminals sind dazu in den Eingangsbereichen der Verwaltung, technischen Entwicklung, dem Werkzeugbau, Kundendienst, Lager und Versand installiert worden. Im Produktionsbereich ist die elektronische Zeiterfassung nicht eingeführt, da eine Flexibilisierung der Arbeitszeit dort derzeit aufgrund der Fertigungsstruktur noch nicht möglich ist.

Bei der Umstellung auf das neue Konzept waren Systemhersteller und Anwender sehr gefordert. Da eine unterbrechungsfreie Weiterführung der Zeiterfassung gewährleistet werden sollte, konnte der Wechsel nur außerhalb der Arbeitszeit erfolgen. Der "Countdown" für die Vorbereitungen lief ab dem 15. Dezember 1987, dem Tag der Auftragserteilung.

Das Erstellen und Testen der Programme zur Übernahme der Daten aus dem bisherigen Zeiterfassungssystem und dem Personalabrechnungssystem Paisy sowie das Überspielen der auf Magnetband gespeicherten Informationen auf die Anlage 5060 erfolgte in der dritten Januarwoche bei Interflex. In diese Zeit fiel auch die eintägige Einweisung der beiden Becker-Mitarbeiter. Es folgten die Installationen durch Interflex und DEC, der Monatsabschluß für das bisherige System, ferner Eingabe und Abgleich der aktuellen Daten (Zeitsalden und Bestände). Diese Arbeiten waren am Samstagabend, dem 30. Januar 1988, abgeschlossen. Ab Montag, dem 1. Februar 1988, buchten die Mitarbeiter auf neuen Terminals.

Der Anwender setzt verschiedene Tagesprogramme ein, die Beginn und Ende der Rahmenzeit (6.30 bis 18.30 Uhr), Normalzeit (8.00 bis 17.00 Uhr) und Kernzeit (8.00 bis 15.00 Uhr) sowie feste und variable Pausen beinhalten. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit beträgt bei Becker 37,5 Stunden. In den Tagesprogrammen sind ferner tägliche Arbeitszeiten mit 7:27, 7:28 und 7:54 Stunden sowie Module für Teilzeitarbeit festgelegt.

Für die Abgeltung angeordneter Mehrarbeit, die ab Erreichen der Tages-Sollarbeitszeit gewertet wird, bietet der Arbeitgeber den Beschäftigten zwei Möglichkeiten an: Die geleistete Mehrarbeit kann bei Auszahlung der Zuschläge als Freizeit "abgefeiert" werden, oder sie wird komplett finanziell abgegolten.

Von Vorteil ist, daß sich die Mitarbeiter über den eigenen Zeitsaldo jederzeit am Terminal-Display informieren können. Außerdem erhalten sie einmal monatlich einen Ausdruck ihres Zeitkontos von der Personalabteilung.

Erfaßte Mehrarbeit wie auch Urlaubstage läßt der Anwender jeweils in Listen ausdrucken. Die Eingabe dieser Daten zur Verrechnung im Lohn- und Gehaltsprogramm Paisy erfolgt mit einem geringen Aufwand von drei bis vier Stunden pro Monat manuell.

König stellt zufrieden fest: "Die Einführung der Gleitzeit sowie die Erfassung und Abrechnung in verschiedenen Arbeitszeitmodellen hat sich für unsere Mitarbeiter und das Unternehmen bewährt. Es hat eine Entzerrung der "Rush-hour" stattgefunden und neues Personal ist an unserem ländlichen Standort aufgrund der flexiblen Arbeitszeit leichter zu engagieren. Das trifft besonders für sogenannte Pendler zu." Als weiteren Vorteil erwähnt König die Möglichkeit für die Mitarbeiter, sich ein Freizeitkonto von bis zu drei Tagen im Monat aufzubauen.

Für den Anwender ist vor allem auch die Modularität der Interflex-Software von Bedeutung und daß jetzt ein Rechner der neuesten technischen Generation eingesetzt wird. "Für Reserven", so König, "um die elektronische Zeiterfassung eventuell in anderen Unternehmensbereichen einzuführen, haben wir mit diesem System zusätzlich gesorgt."