Kolumne

Arbeitsteilige Innovation ist schneller

23.05.2005

Erstaunlich, wie schnell Branchen reifen. Die IT-Industrie ähnelt inzwischen sehr stark der viel älteren und ausdifferenzierten Automobilindustrie. Dort geben einige wenige globale Player den Takt an, und eine Heerschar von Zulieferern sorgt dafür, dass die vom Hersteller spezifizierten Komponenten zur rechten Zeit am richtigen Fließ-band stehen. Die Fertigungstiefe der Autobauer beträgt deshalb manchmal nur noch zehn Prozent. Trotzdem halten die Autohersteller wie BMW, Daimler-Chrysler oder VW an großen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen fest.

Die meisten IT-Hersteller verfolgen trotz ähnlich flacher Fertigungstiefe eine andere Strategie. Sie übernehmen Technologien und Talente häufig durch den Kauf von Startup-Companies, die über ein innovatives Produktangebot verfügen oder auch erst innovative Produkte vorbereiten. Die Router-Company Cisco ist eine absolute Meisterin in diesem Spiel. Die meisten in ihren Produkten eingesetzten Techniken stammen von kleinen aufgekauften Unternehmen. Inzwischen hat diese Art der Innovation Schule gemacht. Die letzten Beispiele für Ergänzungen des eigenen Entwicklungsportfolios sind die Übernahmen von Gluecode durch IBM und von Tarantella durch Sun Microsystems.

Diese Arbeitsteilung vor allem in der US-amerikanischen Hightech-Industrie erhöht die Innovationsgeschwindigkeit enorm. Kleine und hungrige Unternehmen entwickeln neue Technologien oder neue Anwendungen für Technologien, und große, etablierte Unternehmen kaufen diese kleinen Erfinderbuden samt den wichtigsten Talenten auf und übernehmen die Vermarktung der Produkte. Das geht sehr viel schneller, als wenn große Unternehmen selbst Neues entwickeln.

Allerdings hat die Sache einen Haken. Dieses System funktioniert nur, wenn es einen Markt für Wagnisfinanzierung gibt. In den USA finanzieren sich kleine Startups in der Regel zunächst über Business Angels und/oder über Venture-Capital-Unternehmen, die dann bei einem Börsengang oder dem Verkauf des Unternehmens für ihr Risiko belohnt werden.

Was in den USA funktioniert, ist in Deutschland praktisch nicht vorhanden. Die wenigen Wagnisfinanzierer lassen nach wie vor die Finger von IT-Startups, und viele Firmengründer haben hierzulande ihrerseits Angst vor Venture-Capital-Gebern. Daher lässt die Arbeitsteilung zwischen großen und kleinen Unternehmen stark zu wünschen übrig. Das Ergebnis ist bekannt: In Deutschland kommen zu wenige IT-Innovationen auf den Markt. Kommentare zu dieser Kolumne gerne im CW-Notizblog unter blog.computerwoche.de.