Ackermann Göggingen erfaßt dezentral mit X1100er Systemen von Philips:

Arbeitsteilige EDV-Organisation per Datensammlersystem

23.03.1979

AUGSBURG-GÖGGINGEN - Dezentrale Datenverarbeitung bedeutet nicht zwangsläufig, daß die Daten

dort, wo sie anfallen, auch komplett verarbeitet werden müssen. In zahlreichen Fällen genügt es, wenn sie "vor

Ort" erfaßt und soweit vorverarbeitet werden, wie es für die Abwicklung der laufenden Geschäftsvorfälle

erforderlich ist. Die weitere Bearbeitung kann dann zentral vor sich gehen. Ein Beispiel für eine solche

arbeitsteilige EDV-Organisation liefert die Ackermann Göggingen AG. Das Unternehmen hat in mehreren

Auslieferungslägern Multi-Terminal-Mehrzwecksysteme X 1150 von Philips stehen, mit denen die Daten der

Aufträge und der Warenbewegungen erfaßt und soweit vorverarbeitet werden, daß eine dezentrale

Auftragsabwicklung und eine ständige Auskunftsbereitschaft über den Lagerbestand gewährleistet ist. Mit der

Zentrale wird über eine DFÜ-Wählleitung kommuniziert. "Partner" ist dort eine X 1160 des gleichen

Herstellers, die sozusagen nebenbei als Quasi-Konzentrator fungiert. Die Hauptaufgabe dieser Anlage besteht

im Einsatz als Datensammelsystem. Die eigentliche Verarbeitung aller Daten erfolgt im zentralen

Rechenzentrum, das mit einem System 64 von Honeywell Bull bestückt ist.

Die Ackermann Göggingen AG mit Firmensitz in Augsburg-Göggingen ist 1957 aus der Fusion der

Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen mit der Heilbronner Zwirnerei Ackermann AG hervorgegangen. Sie

ist einer der größten Hersteller von Nähgarnen in Europa. Das Produktionsprogramm wird ergänzt durch

Stopfgarne, Maschinenstickgarne und Handarbeitsgarne. Die Erzeugnisse gehen in über 40 Branchen, von der

Bekleidungs- bis zur Automobilindustrie. Das Programm umfaßt mehr als 12 000 Artikel. Der Lagerbestand ist

im Bereich der Modefarben starken Schwankungen unterworfen. Die rund 20 000 inländischen Abnehmer

werden von 30 Verkaufsbüros oder Bezirksvertretungen betreut.

Komplizierte Struktur

Die Kunden können entweder in Verkaufsbüros ohne Auslieferungslager, in regionalen

Auslieferungslager, regionalen Zentrallagern oder im zentralen Werkslager bestellen. Beliefert wird in der

Regel über ein regionales Auslieferungslager oder ein regionales Zentrallager, gelegentlich auch direkt vom

zentralen Werkslager. Das hängt von der Verfügbarkeit der Ware am Ort, aber auch von den Wünschen des

Kunden ab. So werden gewisse Sondereinfärbungen grundsätzlich direkt ausgeliefert. Trotz dieser

komplizierten Struktur der Warenverteilung ist sichergestellt, daß alle Daten nur einmal erfaßt werden und die

Auftragsbearbeitung von der Stelle aus komplett erfolgen kann, bei der der Kunde seine Ware geordert hat.

Eventuell notwendige Warenbewegungen zwischen einzelnen Lägern und Nachlieferungen sind nahtlos in das

System der einmaligen Datenerfassung integriert.

Mitte 1976 wurde die zentrale Erfassung der Daten im Augsburger Rechenzentrum auf ein

Datensammelsystem mit Bildschirmarbeitsplätzen umgestellt. Vorher waren Löcher im Einsatz gewesen. Bei

der Suche nach einem geeigneten DSS wurde von der Ackermann Göggingen AG berücksichtigt, daß der

Rechner später auch als Subsystem und Quasi-Konzentrator für die dezentrale Auftragsabwicklung und

Lagerbewirtschaftung fungieren sollte.

Die EDV-Abteilung testete fünf verschiedene Datensammelsysteme nach folgenden Kriterien:

- Zuverlässigkeit und Qualität der Hardware;

- Verfügbarkeit (möglichst geringe Ausfallquote);

- Klimatisierung (keine Klimaanlage erwünscht);

- Bedienung des Systems (sie sollte einfach und ohne Operator möglich sein);

- Servicebereitschaft (der Kundendienst hat auch in weniger zentralen Regionen innerhalb von Stunden da zu

sein);

- Zuverlässigkeit und Komfort des Betriebssystems

- Programmierung (einfache Programmiersprache, Unterstützung durch Betriebssystem, Softwaretools - zum

Beispiel Generatoren);

- Qualität der Anwendersoftware, um die sich der Hardwarelieferant kümmern sollte (ausgereifte Programme

und schnelle Realisierung waren unabdingbare Prämissen);

- Wirtschaftlichkeit (günstige Kosten-Nutzenrelation).

Die Ackermann Göggingen AG entschied sich für die X 11OOer Serie von Philips, da dieser Hersteller

nach Ansicht des Anwenders zumindest im Zeitpunkt der Auftragsvergabe die gestellten Anforderungen am

besten erfüllte. Die Serie X 1100 besteht aus sieben Systemen mit Hauptspeichergrößen von 24 KB bis 192 KB

und Plattenkapazitäten von 2,5 Mio Bytes bis 270 Mio Bytes, die jeweils entsprechend dem Einsatzzweck als

Datensammel- und Vorverarbeitungssystem beziehungsweise als Auskunfts- und Bestandspflegesysteme

verwendet werden können. Rechenlogik und Hauptspeicher sind bei allen Modellen in MOS/LSI-Technik

ausgeführt. Die Bildschirmarbeitsplätze sind lokal anschließbar und können bis zu 625 Meter vom

Systemprozessor entfernt stehen.

Als Datensammelsystem für die zentrale EDV wurde ein System X 1160 gewählt. Auch die zehn

installierten Bildschirmarbeitsplätze stehen im Rechenzentrum, die restlichen zwei in der Finanzbuchhaltung.

Die Daten werden auf Magnetplatten erfaßt und später auf Magnetbänder konvertiert, für die Offline-

Verarbeitung im Zentralrechner. Auf einen Online-Anschluß verzichtete der Anwender aus Kostengründen. Er

brachte weder nennenswerten Zeitgewinn noch größere organisatorische Vorteile. Die X 1160 besitzt eigene

Intelligenz für die programmgesteuerten Plausibilltätsprüfungen und die Bedienerführung.

Alle Läger mit "Netzanschluß"

Zu Beginn des Jahres 1978 wurde der erste Schritt für die dezentrale automatische

Auftragsbearbeitung und Warenbewirtschaftung getan. Bis dato mußten die Daten manuell in den Außenlägern

und dann nochmals EDV-gerecht in der Zentrale erfaßt werden. Außerdem hatte jedes Lager eine eigene

konventionelle zusätzliche Lagerbuchführung und Adremadateien für die Kundenstammdaten. Um diese

Nachteile zu beseitigen, wurde zunächst in einen regionalen Auslieferungslager ein System X 1150 mit drei

Bildschirm-arbeitsplätzen installiert. Im August vergangenen Jahres folgte eine weitere Anlage in einen anderen

Auslieferungslager mit zwei Bildschirmarbeitsplätzen. Die gleiche Anzahl von Terminals ist in einer weiteren

Außenstelle seit Beginn dieses Jahres in Betrieb. Nach und nach sollen alle bedeutenden Auslieferungsläger an

dieses Netz angeschlossen werden.

Grundlage für die Programmierung der von der Ackermann Göggingen AG eingesetzten Systeme ist

das Softwarepaket UPDATA X 1150, Version3. Die UPDATA-Formate sind in der Philips Programmiersprache

DATA X 1150 zu programmieren. Die Anwenderprogramme für das Augsburger Unternehmen schrieb Philips-

Systemberater Günter Stährmann. Die Problemlösungen entstanden im engen Dialog mit dem Anwender. Das

Programmpaket "Dezentrale Auftragsabwicklung und Warenbewirtschaftung" enthält folgende Programme:

- Auftragserfassung und Lieferscheinschreibung,

- Wareneingangsbuchung,

- Bestandskorrekturen (auch Warenbewegungen zwischen den einzelnen Lägern fallen darunter),

- Abfrage/Reservierung,

- Änderungsdienst,

- Disposition (Bestandsüberwachung mit automatischer Bestellschreibung),

- Monatsabschluß,

- Inventur.

Problemlösung für Hersteller und Handel

Die Programme sind so gestaltet, daß die Daten, egal wo sie anfallen, nur einmal erfaßt werden.

Zwischen dem zentralen System X 1160 in seiner Funktion als Konzentrator und DFÜ-Station und den

einzelnen X 1150er Systemen in den Lägern findet über Wählleitung folgender Datentransfer statt:

In Richtung Zentralcomputer via X 1160:

- Auftragsdaten (für Fakturierung, Debitorensollstellung etc.) ,

- Warenbestelldaten,

- Auftragsdaten jener Artikel, die zentral ausgeliefert werden sollen,

- Umbuchungen/Bestandskorrekturen - Inventurdaten.

In Richtung dezentrale X 1150er Systeme:

- Stammdatenänderungen (Kunden/Artikel),

- Daten von Lieferungen des Zentrallagers an regionale Läger,

- Programmpflege.

Die Problemlösung der Ackermann Göggingen AG für die dezentrale Auftragsbearbeitung und

Warenbewirtschaftung ermöglicht eine wirtschaftliche Datenerfassung dort, wo die Daten anfallen, eine

ständige Auskunftsbereitschaft über die für die Auftragsabwicklung benötigten Daten, eine rationelle

Lagerbewirtschaftung und eine hohe Datentransparenz. "Vor Ort" ist nur so, viel Computerintelligenz

vorhanden, wie für die Abwicklung der laufenden Geschäftsvorfälle erforderlich. Redundante Datenspeicherung

wird weitgehend ausgeschaltet. Zentrale und dezentrale Datenverarbeitung ergänzen sich sinnvoll. Obwohl es

sich bei der Ackermann Göggingen AG um einen Hersteller handelt, ist die geschilderte Problemlösung

besonders für Handelsbetriebe mit regionalen Auslieferungslägern interessant. In der Warendistribution

unterscheidet sich der Augsburger Anwender kaum von solchen Unternehmen.

* Ulf Bauernfeind ist freier EDV-Journalist