Arbeitsmarktstudie der Fachhochschule Jena

Arbeitsmarktstudie der Fachhochschule Jena Gute Groupware-Experten haben Hochkonjunktur

03.04.1998

Seit mehreren Jahren fehlt es an IT-Servicepersonal.Eine Studie der Fachhochschule Jena hat nun die Situation bei Groupware-Personal in Deutschland erfaßt, um eine Planungsgrundlage für neue Ausbildungsangebote zu erhalten.Die Ergebnisse belegen die Beschäftigungsmöglichkeiten und den zum Teil sehr hohen Personalbedarf in diesem Sektor.

Die Befragung war in mehrere Themenkomplexe gegliedert und lieferte folgende Ergebnisse:

Eingesetzte Groupware-Produkte: Es wurde erfragt, welches Groupware-System in welchem Umfang (genutzte Softwarelizenzen) die Unternehmen einsetzen, und welches Wachstum sie bis Anfang 1999 erwarten.Aus dem Lizenzbestand läßt sich auf den aktuellen und zukünftigen Personalbedarf schließen.Die Umfrage zeigte einen großen Vorsprung von "Lotus Notes" (96,3 Prozent) vor Microsoft "Exchange" (14,8 Prozent), Netscape Suitespot und Novell (jeweils weniger als fünf Prozent).

Das bis Anfang 1999 geplante Wachstum auf dem deutschen Markt bei Notes-Installationen (Bestand Mitte 1997 von 42 212 Lizenzen - vorgesehen bis Anfang 1999 insgesamt 78 289 Lizenzen) und bei Netscape (Bestand Mitte 1997 von 9015 Lizenzen - bis Anfang 1999 werden 17 418 Lizenzen erwartet) beträgt jeweils knapp 100 Prozent.

Groupware-Personal: Entsprechend den Untersuchungszielen geriet dieser Befragungsteil mit fünf Unterabschnitten recht umfangreich.Es wurde durch Vorgabe von Kriterien detailliert erfragt, welche Mitarbeiter mit welchem Qualifikationsstand (siehe Kasten "Qualifikationsstufen") in welchen Positionen (Schulung, Anwendungsentwicklung, Groupware-Systemtechnik sowie nichttechnische Beratung) in den Unternehmen beschäftigt sind.

Die für Anfang 1999 geplanten Soll-Beschäftigungszahlen wurden ebenso detailliert ermittelt.Die Befragten wurden gebeten, Planzahlen nur in der Höhe zu nennen, in der auch tatsächlich Stellen besetzt würden.

Zusätzlich wurde erfragt, welche Art von Ausbildung (Universität, Fachhochschule etc.) mit welchem fachlichen Schwerpunkt die Unternehmen für die unterschiedlichen Mitarbeiterkategorien für geeignet halten.

Die Zahl der Groupware-Profis bei den Servicedienstleistern wird auf etwa 2000 geschätzt.Bei den Anwenderunternehmen werden nochmals 3000 vermutet.Insgesamt ist von etwa 5000 bis 8000 Groupware-Experten in der Bundesrepublik auszugehen.

Die Zahl der Mitarbeiter mit Herstellerzertifikaten in allen Kategorien ist vergleichsweise gering (zirka 20 Prozent des Personals).Eine Erhöhung dieses Anteils ist auch bei Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter nicht geplant.

Bei den Groupware-Trainern konzentriert sich die Nachfrage auf Mitarbeiter mit niedrigem Qualifikationsniveau (geplantes Wachstum bis Anfang 1999 gegenüber Mitte 1997 etwa um den Faktor zehn) und auf Personal mit hohem Qualifikationsniveau (Steigerung um 90 Prozent im gleichen Zeitraum). Zusätzliche Dozenten mit mittlerem Qualifikationsniveau wurden nicht nachgefragt.Diese Entwicklung läßt sich mit einem zu erwartenden starken Zuwachs bei Notes-Endanwenderschulungen erklären.

Als Basisausbildung wird bei Trainern vorzugsweise ein Fachhochschulabschluß der Fachrichtung Wirtschaftsinformatik (83 Prozent der Nennungen) erwartet. Eine Universitätsausbildung oder eine Ausbildung an Berufsakademien erscheint einer größeren Anzahl von Nachfragern hingegen als weniger sinnvoll; dies gilt auch für eine Basisausbildung in Informatik.

Anders als bei den Trainern sind Neueinstellungen bei den Groupware-Anwendungsentwicklern auf der untersten Qualifikationsstufe nicht zu erwarten - die gemeldeten Planwerte deuten sogar auf einen weitgehenden Abbau von weniger derartigen Mitarbeiter hin.Die Zahl der Entwickler mit mittlerer Qualifikation wird etwa um 25 Prozent, die im oberen Qualifikationsbereich um mehr als 50 Prozent wachsen.Bei der von den einstellenden Unternehmen gewünschten Basisausbildung zeigt sich ein ähnliches Bild wie schon im Trainingsbereich - Fachhochschulausbildung vor Universitäts- und Berufsakademie-Ausbildung, Wirtschaftsinformatik- vor Informatikausbildung.

Administratoren mit niedrigem Qualifikationsniveau werden voraussichtlich ebenso wie Trainer zu den besonders stark Umworbenen gehören.Im Zeitraum von Mitte 1997 bis Anfang 1999 erwarten die Befragten etwa eine Vervierfachung des Personalbestandes in dieser Kategorie.Die Nachfrage nach Mitarbeitern mit mittlerer Qualifikation sinkt geringfügig, bei Administratoren mit hohem Qualifikationsniveau gehen die Unternehmen von einem durchschnittlichen Mitarbeiterzuwachs von etwa 60 Prozent aus.Die Bevorzugung von Fachhochschulabsolventen gilt auch hier, allerdings besitzen die Wunschkandidaten in diesem Fall eine Informatikausbildung.

Personal für die nichttechnische Beratung ist mit geringen Qualifikationen nicht gefragt.Die Zahl der Mitarbeiter mit mittlerem Qualifikationsniveau wird sich etwa halten, bei den Hochqulifizierten erwarten die Studienteilnehmer ein Plus von 60 Prozent.

Die meisten Firmen wünschen sich Mitarbeiter mit Universitätsdiplom in Wirtschaftsinformatik oder - in diesem Falle an zweiter Stelle - einer abgeschlossenen Fachhochschul-Wirtschaftsinformatik-Ausbildung.Kandidaten von Berufsakademien sind weniger gefragt.

Am Schluß des dritten Fragenkomplexes ging es um Arbeitsverhältnisse.Nur sieben Prozent der Groupware-Spezialisten arbeiten in Teilzeit.Die befragten Firmen gaben lediglich einen Bestand von sieben Prozent an.Jeweils zwölf Prozent der Arbeitsverhältnisse entfielen auf freie Mitarbeiter und auf solche mit befristeten Arbeitsverträgen.

Der ideale neue Mitarbeiter ist zwischen 25 und 35.Immerhin 88 Prozent der Befragten erklärten sich aber auch bereit, Mitarbeiter mit 45 bis 50 Jahren einzustellen, wenn diese eine ausreichende Qualifikation und Leistungsbereitschaft mitbringen.

Erst wenige Hochschulen im deutschsprachigen Raum bieten eine Ausbildung an, die den Studenten die Möglichkeit gibt, sich für eine Groupware-Profikarriere zu qualifizieren.Die kommerziellen Ausbildungsinstitute sind gerade dabei, das Thema als neues Geschäftsfeld zu entdecken.Aufgrund des hohen Groupware-spezifischen Qualifikationsniveaus und der damit zwangsläufig verbundenen Länge der Ausbildungsgänge wird es jedoch noch dauern, bis die Spezialisten dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Studie

Ziel der Untersuchung war es, den allgemein bekannten Mangel systematisch zu erfassen, um eine Planungsgrundlage für neue Ausbildungsangebote zu erhalten. Außerdem ging es darum, den qualitativen und quantitativen Bedarf sowie die zu erwartenden Zuwächse in den Berufsgruppen der Groupware-Spezialisten produktunabhängig abzuschätzen.

Die Fachhochschule schrieb 600 Unternehmen an und wertete 60 Fragebögen von Anwender- und Servicefirmen aus, von denen bekannt war, daß sie Groupware einsetzen oder Serviceleistungen bei der Entwicklung, Einführung und Administration anbieten.

Qualifikationsstufen

Bei Groupware-Personal bei Systemhäusern

Personen mit hoher Qualifikation:

-Mitarbeiter mit den der abgefragten Qualifikation entsprechenden Herstellerzertifizierungen (zum Beispiel Certified-Lotus-Professional-Prüfung) oder vergleichbarem Wissensstand.

Personen mit mittlerer Qualifikation:

-Mitarbeiter mit Qualifikationsniveau zwischen Anfangsqualifikation und Zertifizierungslevel.Personen mit niedriger Qualifikation:-Mitarbeiter mit Einstiegsqualifikation, die typischerweise noch unter Supervision erfahrener Kollegen tätig sind.

Bei Anwendern

Personen mit hoher Qualifikation:

-können einfache Groupware-Anwendungen selbst erstellen und sind in der Lage, mit einem selbst erstellten "Connection Document" per Modem Kontakt zu einem Server aufzunehmen.Personen mit mittlerer Qualifikation:-können selbständig einfache Macros und "Private Views" erstellen, benutzen komplexe Groupware-Anwendungen.

Personen mit niedriger Qualifikation:

-können als Endanwender mit Mail-Funktionen und Diskussions-Informations-Datenbanken gut umgehen.

Dr.Wolfgang Finke ist Professor an der Fachhochschule in Jenna.