Illegale Leiharbeit kann für alle Beteiligten sehr teuer kommen

Arbeitskräfteverleih - ein gutes Geschäft mit Fußangeln

25.01.1991

Nicht selten geraten EDV-Unternehmen bei der Entsendung ihrer Mitarbeiter zu Kundenbetrieben in Konflikt mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Insbesondere Softwarehäuser und andere Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Datenverarbeitung können die Möglichkeiten des AÜG aber auch gezielt nutzen und die Arbeitnehmerüberlassung in ihr Dienstleistungsangebot aufnehmen. Die Nachfrage nach qualifizierten DV-Fachkräften, die als "ausgeliehene" Arbeitnehmer im eigenen Betrieb eingesetzt werden, ist in vielen Firmen vorhanden.

Das AÜG gestattet die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nur mit einer Erlaubnis der Bundesanstalt für Arbeit und unterwirft sie einer Reihe von Beschränkungen. Diese Erlaubnis benötigen nicht nur reine Verleihunternehmen, sondern auch sogenannte Mischbetriebe, die neben der Arbeitnehmerüberlassung auch selbst produzieren oder echte Werkverträge abwickeln (Bundesarbeitsgericht in Neue Juristische Wochenschrift 1979 S. 2636). Bei am Wirtschaftsleben teilnehmenden Unternehmen kann davon ausgegangen werden, daß eine Arbeitnehmerüberlassung gewerbsmäßig erfolgt. Es reicht bereits eine einmalige Arbeitnehmerüberlassung aus, es sei denn, die Wiederholungsabsicht ist aufgrund besonderer Umstände, wie etwa bei einer Hilfe in Notfällen, ausgeschlossen.

Grundvoraussetzung ist Zuverlässigkeit

Die Verleiherlaubnis ist beim örtlich zuständigen Landesarbeitsamt zu beantragen. Sie ist verhältnismäßig leicht zu erhalten: Auf die Erteilung besteht ein Rechtsanspruch. Allerdings muß der Verleiher einige Voraussetzungen erfüllen: Er muß zuverlässig sein, seine Betriebsorganisation muß die Erfüllung der Arbeitgeberpflichten sicherstellen, und er muß bestimmte Sondervorschriften des AÜG beachten.

Die Zuverlässigkeit wird verneint, wenn der Verleiher vorbestraft ist, Pflichten gegenüber der Sozialversicherung zur Lohnsteuerabführung verletzt hat oder Vorschriften über die Arbeitsvermittlung im weitesten Sinne - einschließlich der Ausländerbeschäftigung - sowie des Arbeitsschutzrechtes nicht eingehalten hat oder gegen seine Arbeitgeberpflichten verstößt. Ein seriöses Unternehmen jedoch wird keine Schwierigkeiten haben, eine Verleiherlaubnis zu erhalten. Die Gebühr für die erstmalige Erteilung beträgt 750 Mark. Ende 1990 gab es mehr als 4000 Erlaubnisinhaber, darunter zahlreiche Unternehmen der EDV-Branche.

Mit Ausnahme des Baubereichs (in den nicht zu Arbeiten verliehen werden darf, die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden) berechtigt die Verleiherlaubnis zum Verleih in alle Wirtschaftszweige. Sie berechtigt auch - jedenfalls gegenüber den deutschen Behörden - zum Verleih ins Ausland.

Seit der Herstellung der deutschen Einheit gilt das AÜG auch in den neuen Bundesländern. Mit einer Verleiherlaubnis ist es daher gestattet Arbeitnehmer aus den neuen Bundesländern in die alten Länder zu verleihen und ebenso aus den alten in die neuen. Der Mangel an DV-Fachkräften, die mit westlichen Standards vertraut sind, hat in den neuen Bundesländern einen breiten Markt für Überlassungen aus den alten Bundesländern geschaffen.

Arbeitnehmerüberlassung ist streng reglementiert

Die Erfüllung der im AÜG vorgesehenen Anzeige-, Melde- und besonderen arbeitsrechtlichen Pflichten - wie die Niederlegung des wesentlichen Inhalts des Arbeitsvertrages in einer Urkunde und die Aushändigung eines Merkblatts an den Leiharbeitnehmer - werden von den DV-Unternehmen meist ohne größere Schwierigkeiten erfüllt.

Als Haupthemmnis für die legale Arbeitnehmerüberlassung hat sich die Begrenzung der Überlassung eines Leiharbeitnehmers an denselben Entleiher auf höchstens sechs Monate (° 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG) erwiesen. Bei der oftmals erforderlichen langen Einarbeitungszeit im Entleiherbetrieb und bei der Kompliziertheit vieler DV-Aufgaben, insbesondere bei umfangreichen Programmierarbeiten, führt diese starre Zeitgrenze zu Schwierigkeiten. Die Verleiherlaubnis eröffnet also keine unbegrenzten wirtschaftlichen Möglichkeiten; sie schafft aber für kurz- und mittelfristige Überlassungen echte zusätzliche wirtschaftliche Chancen.

Im Zweifel die Erlaubnis vorsorglich beantragen

Auch wenn ein EDV-Unternehmen nicht bewußt Arbeitnehmerüberlassung betreiben will und darauf verzichtet, die Palette seiner Dienstleistungsangebote mit echter Arbeitnehmerüberlassung zu erweitern, ist eine Erlaubnis vorteilhaft. Selbst wenn die Beteiligten davon ausgehen, daß nicht Arbeitnehmerüberlassung, sondern ein anderer Vertragstyp gegeben ist, kann dennoch eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegen. Sobald eine Firma Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung einem Dritten überläßt, greifen die Vorschriften des AÜG. Dabei macht es keinen Unterschied, ob Hilfsarbeiter oder DV-Fachkräfte verliehen werden. Auch wenn alle Beteiligten meinen, es handle sich nicht um eine Arbeitnehmerüberlassung, sondern um eine Entsendung im Rahmen eines anderen Vertrages, meist eines Werkvertrages, ja sogar dann, wenn sie die Anwendung des AÜG ausdrücklich ausschließen wollen, findet das AÜG Anwendung, weil es zwingendes Recht enthält. Dabei nützt es nichts, vertraglich einen ordnungsgemäßen Werkvertrag zu vereinbaren. Wenn die tatsächliche Abwicklung von der vertraglichen Ausgestaltung abweicht, ist die praktische Durchführung der Verträge für die rechtliche Beurteilung entscheidend (Bundesarbeitsgericht in Neue Juristische Wochenschrift 1984, Seite 2912; Bundessozialgericht in Breithaupt 1983, Seite 384).

Das AÜG ist nicht nur ein Gesetz gegen unsolide oder ausbeuterische Arbeitgeber. Auch wenn der Verleiher alle Vorschriften des Sozialversicherungsrechtes, Steuerrechtes und Arbeitsrechtes beachtet hat, aber ohne die erforderliche Verleiherlaubnis verleiht, greifen die Sanktionen des AÜG.

Illegaler Verleih kann sehr teuer kommen

Bei Arbeitnehmerüberlassung ohne die erforderliche Verleiherlaubnis ist der Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeitnehmer unwirksam. Kraft Gesetzes (° 10 Abs. 1 AÜG) entsteht statt dessen ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher. Diese gesetzliche Folge illegalen Verleihs kann weder vertraglich ausgeschlossen noch rückwirkend beseitigt werden. Allerdings kann durch einen Aufhebungsvertrag oder durch eine ordentliche oder - falls zulässig - außerordentliche Kündigung auch ein fingiertes Arbeitsverhältnis aufgehoben werden. Es besteht jedoch immer die Gefahr, daß bei illegalem Verleih der Leiharbeitnehmer dem verleihenden EDV-Unternehmen verlorengeht, weil er es für wirtschaftlich vorteilhafter hält, in dem fingierten Arbeitsverhältnis beim Entleiher zu verbleiben.

Nicht nur der Arbeitsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und illegalem Verleiher ist nichtig, sondern auch der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher (° 9 Nr. 1 AÜG). Daher bestehen in diesem Fall auch keine vertraglichen Ansprüche zwischen Verleiher und Entleiher. Das unwirksam Vertragsverhältnis wird nach den Regeln des Bereicherungsrechtes abgewickelt, was in der Regel dazu führt, daß der Verleiher nicht das vertraglich vereinbarte Entgelt vom Entleiher verlangen kann, sondern nur den von ihm aufgewendeten Brutto-Arbeitslohn des Leiharbeitnehmers. Denn eigentlich hätte der Entleiher, der ja fingierten Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers geworden ist, den Leiharbeitnehmerlohn zu zahlen gehabt. Von dieser Verpflichtung ist er durch die Zahlung des Lohnes durch den Verleiher freigeworden.

Aufgrund des fingierten Arbeitsverhältnisses bei illegalem Verleih haftet der Entleiher auch für Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern, die für den Leiharbeitnehmer zu entrichten sind.

Alle diese Folgen treten unabhängig von einem Verschulden der Beteiligten ein.

Schon bei Fahrlässigkeit droht ein hohes Bußgeld

Ohne die entsprechende Erlaubnis droht dem Verleiher ein Bußgeld bis zu 50 000 Mark. Das gleiche Bußgeld droht einem Entleiher, der ohne Erlaubnis Leiharbeiter beschäftigt ( Paragraph 16 Absatz 1 Nr. 1 und 1 a AÜG). Als Verschulden reicht Fahrlässigkeit aus! Die Ausrede, die Notwendigkeit einer Verleiherlaubnis habe man nicht erkannt, reicht wegen der weitgehenden Erkundigungs- und Sorgfaltspflichten nicht aus. Zwar verringert sich nach den allgemeinen Regeln des Ordnungswidrigkeitengesetzes bei Fahrlässigkeit der Höchstbetrag der Geldbuße auf die Hälfte, also auf 25 000 Mark.

Nach den gleichen allgemeinen Regeln kann der aus einer Ordnungswidrigkeit gewonnene wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft werden. Dieser wirtschaftliche Vorteil ist bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung meist recht bedeutend. So hat die Bundesanstalt für Arbeit, die hier nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) die Bußgeldbehörde ist, in den letzten Jahren wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung mehrmals Bußgelder in Millionenhöhe festgesetzt.

Besonders gefährlich ist der Verleih, wenn Ausländer ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis verliehen werden. Dem Entleiher droht in diesem Fall ein Bußgeld bis zu

100000 Mark (Paragraph 16 Absatz Nr. 2 AÜG); einem Verleiher ohne Verleiherlaubnis, der ausländische Arbeitnehmer ohne Arbeitserlaubnis überläßt, droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. In besonders schweren Fällen droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Diese Strafdrohungen stehen nicht nur auf dem Papier! Das zeigen Fälle in den letzten Jahren, in denen gegen illegale Verleiher, die Ausländer ohne Arbeitserlaubnis in ausbeuterischer Weise verliehen hatten, mehrjährige Freiheitsstrafen verhängt worden sind.

Wichtig ist, daß eine Arbeitserlaubnis grundsätzlich alle Staatsangehörigen von Nicht-Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft benötigen, also auch US-Amerikaner, Schweizer oder Österreicher, die häufiger in EDV-Unternehmen beschäftigt werden. Die Arbeitserlaubnis berechtigt in der Regel nicht dazu, in einem Entleiherunternehmen als Leiharbeitnehmer tätig zu sein. Auch ein Ausländer, der irgendeine, aber nicht die für die Tätigkeit im Entleiherbetrieb erforderliche Arbeitserlaubnis hat, wird daher ohne Arbeitserlaubnis verliehen. Fehlt zudem die Verleiherlaubnis, drohen dem Verleiher Freiheitsstrafen.

Bei Personalentsendung lieber vorsichtig sein

DV-Unternehmen sollten bei der Entsendung von Arbeitnehmern in Kundenbetriebe immer erwägen, ob nicht vorsorglich eine Verleiherlaubnis erworben werden sollte. Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß der Inhaber einer Verleiherlaubnis verstärkter Prüfung und Überwachung durch die Bundesanstalt für Arbeit unterliegt, und daß die Beantragung einer Verleiherlaubnis bei der Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Entsendung im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen als Indiz für Arbeitnehmerüberlassung gewertet werden kann.

Wird aus diesen Gründen von einer Verleiherlaubnis abgesehen, sollte immer geprüft werden, ob nicht auf die Entsendung in den Kundenbetrieb verzichtet werden kann. Oft ist die erforderliche Kommunikation zwischen Kunden und DV-Unternehmen auch auf andere Weise möglich oder es reicht aus, Mitarbeiter des Kundenunternehmens im DV-Unternehmen für Auskünfte oder Anweisungen zur Verfügung zu haben. Stets aber sollte bei Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung darauf geachtet werden, daß eine Arbeitnehmerüberlassung ohne Verleiherlaubnis vermieden wird.