DV und Recht/Beide Seiten sollten sich den Vertrag genau anschauen

Arbeitnehmerüberlassung ist kein Kinderspiel

24.09.1999
Von Maja Schneider* Um Kosten zu vermeiden oder vorübergehende Engpässe zu überbrücken, greifen große IT-Dienstleister gern leihweise auf das Personal kleinerer zurück. Doch spätestens dann, wenn Verträge geschlossen werden, treten gesetzliche Regelungen in Kraft, deren Nichtbeachtung unangenehme Folgen nach sich ziehen kann.

Daß Dienstleistungspersonal in der IT-Branche vom Call-Agent über den Computertechniker bis hin zum Projekt-Manager verzweifelt gesucht wird, ist längst kein Geheimnis mehr. Vor allem für jene Firmen, deren Job es ist, diese Projekte umzusetzen und das Personal zu stellen. "Viele IT-Firmen behandeln das Thema Personaleinkauf und das damit verbundene Dienstleistungsvertrags-Recht ziemlich stiefmütterlich oder wissen es oft einfach nicht besser", berichtet Christiane Fortmann, Juristin beim IT-Projekt- und Personaldienstleister Tecops in München, aus eigener Erfahrung: "Daß für bestimmte Beschäftigungsverhältnisse ein Arbeitnehmerüberlassungs-Vertrag geschlossen werden muß und der Verleiher dafür eine Genehmigung benötigt, ist auch für unsere Kunden nicht immer leicht nachzuvollziehen."

Vor allem in der IT-Branche ist die Abgrenzung zu anderen Vertragsformen oft variabel. Um gravierende Konsequenzen zu vermeiden, sollten beide Seiten vor dem Einsatz von Fremd- oder Leihpersonal den Vertragsgegenstand genau überprüfen.

Um Arbeitnehmerüberlassung handelt es sich dann, wenn ein Unternehmen (Verleiher) einem anderen (Entleiher) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Die Arbeitnehmer unterliegen in ihrer Tätigkeit nicht mehr den Weisungen des Arbeitgebers, der sie eigentlich bezahlt, sondern denen des Entleihers, der sie auch aussuchen und nach seinen betrieblichen Erfordernissen einsetzen darf. Der Leiharbeitnehmer kann voll in den Entleihbetrieb eingegliedert werden. Eine solche Konstellation unterliegt dem Arbeitnehmerüberlassungs-Gesetz, das dem Mitarbeiter ein sozial gesichertes und arbeitsrechtlich verträgliches Beschäftigungsverhältnis garantieren soll.

Firmen können einen Beschäftigten bis zu zwölf Monaten beim Entleiher einsetzen. Der Verleiher ist nicht für den Erfolg des Projektes verpflichtet, sondern lediglich für die Arbeitskraft, deren Vergütung nach Zeiteinheiten erfolgt.

Abgrenzung zum Werks- und Dienstvertrag

Um die Rechtsfolgen und das Erlaubnisverfahren zu umgehen, wird am häufigsten auf den Werkvertrag zurückgegriffen. Im Unterschied zur Arbeitnehmerüberlassung schuldet der Verleiher bei dieser Vertragsform dem Entleiher einen konkret festgelegten Erfolg. Der Verleiher ist bei Werkvertrag für die Herstellung des Werkes verantwortlich und kann eigenverantwortlich entscheiden, wie er die getroffenen Vereinbarungen erfüllt.

Liegt ein Werkvertrag vor, kann der Arbeitnehmer für eine unbegrenzte Dauer an seinem Einsatzort bleiben. Beim Dienstvertrag hingegen wird eine bestimmte Tätigkeit geschuldet. Der Unterschied zur Arbeitnehmerüberlassung besteht darin, daß die persönliche Unabhängigkeit des Dienstverpflichteten gewährleistet sein muß, das Weisungsrecht bleibt beim Verleiher.

Keine Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn laut Bundesanstalt für Arbeit "ein Unternehmen, das technische Produktionsanlagen, Einrichtungen oder Systeme herstellt, eigenes Stammpersonal zu einem Betreiber derartiger Anlagen, Einrichtungen oder Systeme entsendet, um typische Revisions-, Instandhaltungs-, Inbetriebnahme-, Änderungs-, Erweiterungs- oder Ingenieurleistungen daran durchzuführen".

Konkret bedeutet das für die IT-Branche: Schickt ein Unternehmen, das Software herstellt, sein Personal zu einem Anwender, um ein solches Programm auf dessen Anlagen ablauffähig zu machen oder zu entwickeln, ist nicht von Arbeitnehmerüberlassung auszugehen. Es bedarf also keiner besonderen Genehmigung.

Ebenfalls fällt nicht unter das Arbeitnehmerüberlassungs-Gesetz, wenn ein Softwarehersteller eigenes Personal zu einem Entwickler entsendet, um aus Teilprogrammen des entsendenden Unternehmens ein Gesamtprogramm auf dessen Anlagen zu entwickeln und zu testen. Allerdings muß das entsendende Unternehmen das Risiko tragen und seine unternehmerische Dispositionsfreiheit besitzen. Bei der permanenten Anwendung eines Programms durch Fremdkräfte handelt es sich dann jedoch in der Regel um Arbeitnehmerüberlassung.

Verleiher benötigt Erlaubnispflicht

Wer Arbeitnehmer überlassen will, braucht eine gewerbliche Genehmigung des für den Geschäftssitz zuständigen Landesarbeitsamtes. Zunächst erteilen die Behörden die Erlaubnis befristet für ein Jahr. Nach Ablauf von drei Jahren erlaubter Verleihertätigkeit kann das Arbeitsamt die Erlaubnis auch unbefristet erteilen. Es prüft die Angaben über Geschäftsräume, Betriebsorganisation und den beabsichtigten Geschäftsumfang ebenso wie Führungszeugnis, Nachweise zur Vermögenssituation oder die mit den Leiharbeitnehmern geschlossenen Verträge. Auf dem Prüfstand steht auch die persönliche Zuverlässigkeit der Geschäftsführung. Fachwissen und Berufserfahrung sind hingegen keine notwendigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis.

Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten brauchen keine Erlaubnis, wenn sie Arbeitnehmer zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassung bis zu zwölf Monaten verleihen. Unter bestimmten Umständen ist auch unentgeltlicher und kurzfristiger Verleih keine Arbeitnehmerüberlassung. Allerdings muß auch dieser Verleih vorher dem Landesarbeitsamt mitgeteilt werden. Ebenso gelten besondere Regeln für die Entleihung innerhalb eines Konzerns.

223mal wurde 1998 gegen das Arbeitnehmerüberlassungs-Gesetz verstoßen. "In den meisten Fällen werden Ordnungswidrigkeiten von Konkurrenzunternehmen oder Arbeitnehmern angezeigt, deren Arbeitsplatz durch die Leiharbeiter gefährdet ist," berichtet Adalbert Hirmer von der Abteilung Bekämpfung illegaler Beschäftigung des Münchner Arbeitsamtes. "Typisch", so Hirmer, "ist bei IT-Firmen das sukzessive Abgleiten von der Erfüllung des Werkvertrags zur Arbeitnehmerüberlassung." Vor einiger Zeit habe ein großes Unternehmen Programmpakete an Firmen geliefert und installiert. Alles begann mit Werkverträgen, aber nach und nach wurden Programmierer in die Betriebsorganisation des Auftraggebers integriert. Zwar mußte der Verleiher seine Dispositionsfreiheit aufgeben, aber schließlich hatte er auch nicht mehr den Erfolg für die Arbeitsleistung zu gewährleisten. "Und gutes Geld ließ sich damit allemal verdienen", erzählt Hirmer.

Wird einem Unternehmen unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung nachgewiesen, sind alle geschlossenen Verträge unwirksam. Nach dem Arbeitnehmerüberlassungs-Gesetz kommt als Folge automatisch ein Arbeitsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Entleiher zustande. Sozialabgaben und Steuern müssen rückwirkend gemeinsam von Ver- und Entleiher getragen werden, und der überlassene Arbeitnehmer wird automatisch zu den gleichen Konditionen angestellt. In schwerwiegenden Fällen kann es zu mehrjährigen Haftstrafen und Geld- bußen bis zu 500000 Mark kommen.

Zahlen

Deutschlandweit gibt es 9654 Verleihbetriebe, deren Betriebszweck ausschließlich oder überwiegend auf Arbeitnehmerüberlassung gerichtet ist. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 1998 über eine Viertelmillion Arbeitnehmer überlassen.

157000 Arbeitgeber wurden überprüft, 440000 Personen befragt und 980000 Lohn- und Meldeunterlagen durchgesehen. Als Folge von Strafanzeigen liefen 1998 insgesamt 39412 Verfahren.

*Maja Schneider ist freie Journalistin in München.