Verbindliches Arbeitsverhältnis

Arbeiten auf Probe kann zur Falle werden

27.01.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Die Probearbeit eines künftigen Arbeitnehmers vor Beginn eines befristeten Arbeitsverhältnisses kann eine arbeitsrechtliche "Zuvor-Beschäftigung" sein.

Durch Probearbeiten kann ein verbindliches Arbeitsverhältnis und nicht nur ein unverbindliches "Einfühlungsverhältnis" begründet werden. Das, so die Berliner Fachanwältin für Arbeitsrecht Monika Birnbaum, MM, Mitglied im VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, haben verschiedene Landesarbeitsgerichte (LAG) entschieden, so u. a. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.03.2005 - 4 Sa 11/05; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.04.2007 - 2 Sa 87/07 und LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.04.2007 -13 Sa 129/05.

Lassen Sie Ihrem Arbeitsvertrag juristisch prüfen, bevor Sie unterschreiben.
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Foto: Gina Sanders - Fotolia.com

Viele Arbeitgeber möchten den künftigen Arbeitnehmer vor Abschluss des Arbeitsvertrages besser kennenlernen und vereinbaren deshalb mit ihm ein sogenanntes "Probearbeiten". Man findet dazu die verschiedensten Ausgestaltungen, die sich sowohl vom Inhalt, der erwarteten Leistung als auch von der Dauer stark unterscheiden. So wurden in den o.g. Fällen die jeweils betroffenen Arbeitnehmer einige Tage, drei Wochen und fast drei Monate eingesetzt. Allen Fällen gemeinsam war die Auffassung des betroffenen Arbeitnehmers, es habe sich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt. Die Arbeitgeber meinten, es habe lediglich ein - keine arbeitsrechtlichen Verpflichtungen auslösendes - Einfühlungsverhältnis vorgelegen, so Birnbaum.

Das Einfühlungsverhältnis ist gesetzlich nicht geregelt. Es handelt sich um ein Vertragsverhältnis eigener Art und kann jederzeit wirksam begründet und auch mündlich beendet werden. Im Einfühlungsverhältnis unterliegt der potenzielle Arbeitnehmer keiner Arbeitspflicht und keinem Direktionsrecht. Er ist keinen Weisungen unterworfen, weder bezüglich des Inhalts, noch der Zeit oder des Ortes seiner Leistung. Ihm soll lediglich die Möglichkeit gegeben werden, sich einen Überblick zu verschaffen, was auch auf Gegenseitigkeit beruhen kann. Der Arbeitgeber hat lediglich ein Hausrecht.

Da es meist zum Einfühlungsverhältnis gerade keine schriftlichen Vereinbarungen gibt, sind die Umstände des Einzelfalles von besonderer Bedeutung. Aus ihnen muss deutlich werden, dass es sich um eine nicht vergütete "Kennenlernphase" handelt, um ein "Schnuppern" und um Unverbindlichkeit von beiden Seiten. Die Einteilung in Arbeitspläne oder gar wie im Fall des LAG Schleswig-Holstein die Einteilung in Tourenpläne zur selbstständigen Abarbeitung, sprechen gegen ein Einfühlungsverhältnis. Zwar sagt das LAG Schleswig-Holstein, dass ein Einfühlungsverhältnis sogar dann noch vorliegen kann, wenn der zukünftige Arbeitnehmer verwertbare oder nützliche Tätigkeiten verrichtet. Wird aber über einen längeren Zeitraum ein zukünftiger Mitarbeiter nicht nur eingearbeitet, sondern leistet er tatsächlich vollwertige, insbesondere selbständige Arbeit, liegt ein Arbeitsverhältnis vor.

Rechtsprechung uneins

Die Rechtsprechung ist uneins, wer die Beweislast dafür trägt, ob es sich um ein Einfühlungs- oder bereits ein Arbeitsverhältnis handelt. Das LAG Rheinland-Pfalz sieht diese beim Arbeitnehmer, denn dieser will schließlich die Rechte herleiten, die sich daraus ergeben, dass es sich um ein Vergütung oder Kündigungsschutz auslösendes und/oder eine Befristung hinderndes Arbeitsverhältnis handelt. Anders das LAG Baden-Württemberg, das erklärt, derjenige trage die Beweislast, der sich auf den Sonderfall eines Einfühlungsverhältnisses berufe, also der Arbeitgeber.

Birnbaum empfiehlt, dies zu beachten und in allen Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei sie u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (www.vdaa.de) verweist.

Weitere Informationen und Kontakt:

Monika Birnbaum MM, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Wirtschaftsmediatorin, c/o FPS Fritze Wicke Seelig, Kurfürstendamm 220, 10719 Berlin, Tel.: 030 88 5927-39, E-Mail: illmer@fps-law.de, Internet: www.fps-law.de