Experten des Fraunhofer-IAO über Grundlagen des Erfolges

Arbeit der Zukunft braucht wandlungsfähige Firmen

06.07.2001
Die Wirtschaft benötigt mehr denn je qualifizierte Fachkräfte. Doch viele etablierte Unternehmen können und wollen ihren Wunschkandidaten außer den konventionellen Standards nichts Neues bieten. Langfristig könnte das jedoch ihrer Wettbewerbsfähigkeit schaden. Von CW-Mitarbeiterin Katja Müller

Bei der Veranstaltung des Fraunhofer-Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zum Thema "Arbeit der Zukunft - produktiv und attraktiv gestalten" zeigten Praktiker und Wissenschaftler, dass die schöne neue Arbeitswelt mit Faktoren zu kämpfen hat, die eine enorme Wandlungsfähigkeit der Unternehmen verlangt. So bewegt sich der Trend seit Jahren hin zur Dienstleistungsgesellschaft, selbst das produzierende Gewerbe benötigt mehr und mehr Fachkräfte für wissensintensivere Dienstleistungen wie Berater, Entwickler und Planer.

Fast unspektakulär wirken daher die Worte von Institutsleiter Hans-Jörg Bullinger in seinem Plenumsbeitrag, dass "die richtigen Arbeitskräfte künftig nur schwer zu finden sind". Dennoch scheint es bei vielen Unternehmen so, als ob sie über ihren eigenen Schatten springen müssten, um Neues zuzulassen. Denn die Forderung nach Wandlung beinhaltet hauptsächlich weniger Standards, dafür aber mehr Kreativität. Intelligent wachsende Unternehmen müssen daher geeignete Strukturen und Prozesse etablieren, die flexibel gestaltbar sind. Dies ermöglicht kaum mehr eine Arbeitsteilung nach Funktion und verlangt vom Mitarbeiter ein höheres Maß an Kreativität, Lernbereitschaft, Selbstorganisation und Frustrationstoleranz.

Bei bereits etablierten Unternehmen kommt es laut Bullinger darauf an, Flexibilität und kreative Leistungsfähigkeit zu aktivieren und zu fördern. Besonders seien solche Firmen betroffen, die permanent auf den Markt reagieren müssen, aber nicht über das notwendige Potenzial verfügen, den Veränderungsprozessen gerecht zu werden. Forschungsergebnisse zu "wandlungsfähigen Unternehmensstrukturen" zeigten zudem, dass Veränderungsprozesse nur in einem ständigen Dialog zwischen Führungs- und Mitarbeiterebene erfolgreich sein können. Einseitige Anweisungen greifen nicht langfristig und bremsen die Wandlung. Besser sei es, die Beteiligten über Win-Win-Situationen zu motivieren. Bei der Einführung von Teamarbeit könnte beispielsweise im Gegenzug mehr Zeit für Projektarbeit gewährt werden, so dass ein Interessenausgleich unter den Beteiligten erzielt wird.

Auch die Kreativität spielt bei vielen Unternehmen eher eine untergeordnete Rolle. Viele Firmen fürchten an Kontrolle zu verlieren, weil statt Vernunft und Kalkül Intuition und Gefühl die Oberhand gewinnen könnten. "Verantwortlich für diese Skepsis ist der schillernde Kreativitätsprozess", erklärt Bullinger. Genau hier, so der Institutsleiter, treffen die zwei Welten im Unternehmen zusammen: Das an "harten Fakten orientierte Controlling und die auf Verhaltens- und Lernprozesse ausgerichtete Personal- und Organisationsentwicklung".

Schließlich ist bislang auch noch der Zusammenhang zwischen Kreativität und wirtschaftlichem Erfolg schwer nachweisbar, erklärt Bullinger. Die häufigen Folgen sind Kreativitätsmaßnahmen, die im Sand verlaufen. So werden Mitarbeiter auf Seminare geschickt, in denen Techniken zur Kreativitätssteigerung erarbeitet werden. Später sind aber weder die Rahmenbedingungen vorhanden, um das Erlernte anzuwenden, noch sind neue Ideen überhaupt gefragt.

Wie also kann Kreativität in einem Unternehmen aufgefangen werden? Sibylle Hermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut weist mit ihrem Gate-to-Gate-Management-Konzept einen Ausweg. Die Brücke wird dabei zwischen Personal-, Organisationsentwicklung und Controlling geschlagen. Das Konzept soll für die Old wie auch New Economy gleichermaßen gelten, je nachdem ob Flexibilität und kreative Leistungsfähigkeit ausgebaut oder erhalten werden muss. Der Weg erfolgt über ein Referenzmodell, den "Steckbrief" eines Unternehmens. Darin werden zunächst nicht die kreativen Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter, sondern die gesamte Firmenkreativität betrachtet.

"Es muss ein permanenter Strom für gute Ideen geschaffen werden", erklärt Hermann die erste Aufgabe eines kreativen Unternehmens. Auch sollte man für Impulse von innen wie von außen offen sein. Die Kunden müssen wissen, dass sie kreative Leistungen anfordern können, so dass das Unternehmen auch mit diesem Image auf dem Markt präsent ist. Ein weiterer Bereich ist die Flexibilität, Rahmenbedingungen für engagierte Mitarbeiter zu schaffen. Mit Creativity-Cards, die diesen Steckbrief methodisch unterlegen, werden nun die strategischen Vorgaben in operative Ziele und Maßnahmen umgesetzt. Das Set besteht aus 20 Karten, mit denen vom Diagnostizieren der Defizite bis hin zur Erfolgskontrolle das Zusammenspiel der einzelnen Maßnahmen modelliert werden kann. Den logischen Weg bilden Fragen wie "Gibt es im Unternehmen genügend kreative Mitarbeiter" und Vorgaben, um diese Defizite zu erkennen.

"Das Gate-to-Gate-Management-Konzept verbindet die beiden Denkwelten miteinander, was durch eine direkte Verknüpfung wie etwa eine Aufsplittung über Kennzahlen nicht möglich wäre", sagt Hermann. Noch wird das Konzept gemeinsam mit Partnerunternehmen getestet, man rechne jedoch mit einem erfolgreichen Abschluss, um es Ende des Jahres verkaufen zu können. Immerhin hängt das Überleben von Unternehmen davon ab, wie es gelingt, die Grundlagen des Erfolges dauerhaft zu sichern, so Hermann.