Mobile Dating

Apps verändern die Partnersuche

08.09.2012
Grindr ist eine App, mit der sich Schwule gegenseitig per GPS orten und verabreden können. Weltweit hat sich so schon für Millionen Männer das Sexleben verändert. Ereilt diese Revolution auch die Heteros?

Eine neue sexuelle Revolution kommt über das Handy. Via Smartphone chatten immer mehr Männer, die auf Männer stehen, mit Gleichgesinnten in ihrer direkten Umgebung - mit Hilfe GPS-basierter Dating-Dienste. Sie zeigen an, in wie vielen Metern Entfernung sich ein möglicher Partner aufhält. Schnell kann die Kommunikation hier sehr offenherzig werden. Treibt das standortbezogene Mobile-Dating jetzt auch das Privatleben von Heterosexuellen zu mehr Gelegenheitssex?

Das Internet hat die Potenziale des Liebeslebens radikal verändert. Vorreiter waren viele Schwule, weil die Suche im Web gerade für eine Minderheit bequemer ist als im Offline-Leben. Vor genau zehn Jahren kam beispielsweise Gayromeo auf den Markt. Das Portal, scherzhaft als "schwules Einwohnermeldeamt" tituliert, schuf eine vielseitige Parallelwelt.

Eine neue Dimension bringt jetzt die Verbindung ortsbezogener Dienste mit Sozialen Netzwerken. Diese Location-Based Social Networks heißen zum Beispiel Scruff, Jack'd, Bender oder Nearox. Letzteres ist ein Hamburger Start-up und gibt aktuell seine User-Zahl in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit etwa 70.000 an. Das größte Netzwerk dieser Art, das sich an Homo- und Bisexuelle wendet, heißt Grindr. Es ging im März 2009 online.

Inzwischen nutzen mehr als vier Millionen Menschen auf der ganzen Welt die Grindr-App, allein in den USA sind es nach Angaben des Unternehmens etwa 1,6 Millionen, in Deutschland etwa 100.000, die meisten von ihnen in Berlin, München, Köln und Frankfurt. Top-Städte weltweit seien London, New York, Paris, Chicago und Los Angeles, heißt es. In der Schweiz machen gut 30.000 mit und in Österreich etwa 16.000.

Mit Grindr auf dem Smartphone gestaltet man sich ein knappes Profil: Spitzname, Angaben zur Person wie Beziehungsstatus, Alter, Größe und natürlich ein Foto - da ist es besonders angesagt, mit dem iPhone und nacktem Oberkörper vor dem Spiegel zu posieren.

Geht man online, sind Dutzende Profile zu sehen. Man kann viele Bildchen gucken und Messages schreiben. Ein Symbol zeigt, wer gerade ebenfalls im Netz ist. Die Kontaktaufnahme ist locker: "Hey sexy", "300m - wo bist du gerade?", "Worauf stehst du?". Man kann Leute speichern, aber auch blocken. Das Ganze ist gratis, Grindr finanziert sich über Werbeanzeigen und Premiumdienste, die es gegen Aufpreis gibt.

"Jeder Mann, der merkt, dass er schwul ist, fragt sich bald, ob jetzt gerade in diesem Augenblick um ihn herum noch andere Leute so fühlen wie er", meint Grindr-Gründer Joel Simkhai, der 1976 in Tel Aviv geboren wurde, bei New York aufwuchs und seine Firma nun in Los Angeles betreibt. Seine App hält er für die Erfüllung eines Menschen-Traums. Das Coming-out sei oft immer noch ein einsamer Prozess, doch Internet und Smartphone seien hilfreich.

Nutzer wie Matthias (36) in Hamburg sehen dennoch Probleme: "Mit der intimen Handhabung auf dem Handy wird der männliche Spieltrieb und Jagdinstinkt gereizt. Doch Dating dieser Art vermittelt auch eine Illusion. Man glaubt immer, noch jemand Besseres kennenlernen zu können." Ständig schlage einem die App neue Leute vor. "Auf die Dauer entsteht eine Sammelwut, man wird faul und zu anspruchsvoll."

Vor einem Jahr, im September 2011, brachte Simkhais Firma zusätzlich das Netzwerk Blendr auf den Markt, das sich nicht nur an gleichgeschlechtlich Orientierte richtet und betont, für freundschaftliche Kontakte entwickelt worden zu sein. Aber natürlich können es Frauen und Männer nutzen, wie sie wollen. Nutzerzahlen werden keine bekanntgegeben. Aber Deutschland sei unter den Top-Ten-Märkten, heißt es. Doch ein Blick zeigt: Nur wenige Frauen sind dort online.

Zahlen zum Gesamtmarkt des Mobile Datings gibt es kaum. Laut einer Studie von "Dating-Vergleich.de" vor ein paar Wochen flirten in Deutschland bereits eine Million Menschen mobil. Dies könne man schätzen, wenn man die Download-Zahlen von Apples AppStore und dem Android-Store Google-Play sowie mobile Abrufstatistiken der führenden Dating-Anbieter zusammenrechne. Neben den genannten Apps sind auch die Portale von Badoo, Lovoo und FriendScout24 beliebt.

Mobile Dating steckt noch in den Kinderschuhen, wie Karolina Schaefer von "Dating-Vergleich.de" sagt. Manche Apps seien technisch noch nicht ausgereift. Sie prophezeit trotzdem: Da Smartphones immer beliebter werden, und dank Foursquare und Co die Hemmung abnehme, den eigenen Standort preiszugeben, werde die neue Technik in den kommenden Jahren die Partnersuche extrem verändern. (dpa/tc)