Funktionen und Anwender im Mittelpunkt

Apps im Wandel der Digitalisierung

05.06.2017
Von   
Mark Zimmermann leitet hauptberuflich das Center of Excellence (CoE mobile) zur mobilen Lösungsentwicklung bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG in Karlsruhe. Er weist mehrere Jahre Erfahrung in den Bereichen Mobile Sicherheit, Mobile Lösungserstellung, Digitalisierung und Wearables auf. Der Autor versteht es, seine Themen aus unterschiedlichsten Blickwinkeln für unternehmensspezifische Herausforderungen darzustellen. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeiten ist er Autor zahlreicher Artikel in Fachmagazinen.
Klassische Apps weisen ein bekanntes Schema auf: Ein schönes Firmenlogo auf dem Splash-Screen und im Menü und auch die "latest and greatest" Informationen der Firma kommen meist an erster Stelle. Dabei geht es deutlich besser.

Wer kennt das nicht? Apps werden als Helferlein angepriesen. Kleine Aufgaben und Herausforderungen finden ihre Lösungen in einer App. So zumindest das Versprechen. Dabei denken sich (einige) Firmen aus, was der Anwender alles sehen und erleben möchte. Personas werden erstellt und die Customer Journey wird dagegen gelegt. Dann kommt ein Schuss Marketing und Selbstdarstellung dazu und fertig ist die App.

Dabei begehen viele den Irrglauben, das Rad neu erfinden zu müssen. Der Anwender soll für Dinge in die eigene App kommen, obwohl andere Apps dies besser können. Alles nur, um einen "Mehrwert" zu den eigenen Daten zu liefern.

Damit eine App nicht nur einen Selbstzweck erfüllt, müssen Funktionen und Anwender im Mittelpunkt stehen.
Damit eine App nicht nur einen Selbstzweck erfüllt, müssen Funktionen und Anwender im Mittelpunkt stehen.
Foto: guteksk7 - shutterstock.com

Die Möglichkeiten von iOS und Android ausnutzen

Dabei schleicht sich eine neue Form der Interaktion in die Ökosysteme ein. Am Beispiel der Möglichkeiten von iOS möchte ich ein paar provokante Fragen stellen:

  1. Muss man Ihre App starten, um mit dieser zu interagieren oder kann dies über Sprache (SiriKit) ebenfalls erfolgen?

  2. Integriert sich Ihre App in das Ökosystem und stellt Ihre Daten und Dienste auch in anderen (System-) Apps zur Verfügung (Extensions)

  3. Stellen Sie Ihre Daten als Integration in Chats zur Verfügung (iMessage Apps)?

  4. Nutzen Sie (Rich-)Notifications, um Ihre Anwender auch außerhalb Ihrer App zu informieren, bzw. um Informationen von ihnen zu erhalten?

  5. Pflegen Sie Ihre Liegenschaften in den Kartendiensten?

Sie fragen sich vielleicht: "Wer braucht das schon?". Die Antwort ist einfach: die junge Generation, deren Surf- und Kommunikationsverhalten nicht mehr mit klassischen Safari- und E-Mail-Aufrufen zu beschreiben ist. Sie dürfen den Zug der Systemintegration nicht verpassen. Schauen Sie sich genau an, was Android und iOS für Möglichkeiten bieten. Warum muss ich eine Collaboration-App öffnen, wenn ich die darin enthaltene Funktion der Terminfindung in meinem Chat-Programm öffnen kann?

Notifications nutzen

Stellt Ihre App Informationen dar, überlegen Sie sich, ob zum Auffinden oder Interagieren die integrierte Systemsuche von iOS ein guter Weg sein könnte. Dank NSUserActivity können Sie Informationen und Statis in der Spotlight Suche auf dem iOS Gerät direkt anzeigen und dem Anwender zur Interaktion anbieten.

Warum muss ich mit meiner Tracking-App im geöffneten Zustand interagieren, wenn das Ganze in Sekunden über das Notification Center abzuwickeln wäre? Wäre es nicht wunderbar, wenn Sie als Anwender informiert werden würden, wenn ein geänderter Sachverhalt eintritt und Sie proaktiv informiert werden und reagieren können -- und das nicht erst, wenn Sie die App öffnen? Eine Integration in den Kartendiensten erspart mir eine eigene Tank-App. Integration in die Navigation inklusive.

Auch sind sich viele Firmen nicht bewusst, welches Potential in der Pflege öffentlich erreichbarer Liegenschaften liegt. Pflegen Sie als Drogeriemarkt Ihre Regale und profitieren Sie davon, dass Ihre Kunden sich von ihrem iPhone direkt hinbringen lassen können. Zoos und Museen können dies ebenfalls nutzen. Aber auch ein Baumarkt kann vermerken, wo die Eisenwaren zu finden sind.

Muss Ihre App beim Autofahren genutzt werden? Erlauben Sie Ihrem Anwender mit Ihrer App zu sprechen. Auch wenn Apple die Szenarien noch einschränkt, darf mit iOS 11 eine Erweiterung erwartet werden. Das Reservieren eines Tisches beim Lieblingsitaliener ist heute jedoch technisch genauso möglich, wie das Reservieren einer Ladestation.

Die am Anfang belächelten Funkkopfhörer von Apple sind hier ebenfalls ein Beispiel für den Wandel der Gesellschaft. Diese nur als Kopfhörer zu bezeichnen wäre ein Irrtum, viel mehr sind sie der Beginn einer Zukunft von "Computern am menschlichen Ohr". Die Interaktion mit der Sprache ist damit allgegenwärtig und nur nicht durch Telefone, Tablets, Computer auf Schreibtischen oder Lautsprecher in Wohnräumen beschränkt.

Schwerpunkt auf Inhalt und Umgang mit dem Anwender legen

Apps stehen vor der Herausforderung, dem Kunden zu gefallen. Gefallen tun Apps mit Mehrwert und mit dem "its like magic"-Faktor. Natürlich werden Anwender weiterhin mit Ihrer App direkt agieren. Dies wird aber nicht in 100% der Fälle erfolgen. Achten Sie in Ihrer App unbedingt auf die User Experience. Dabei meine ich aber nicht nur die "Klickpfade" in der App oder die Anordnung von Elementen.

Achten Sie auch auf den Umgang mit Ressourcen und die Tatsache, dass ein iPhone ein mobiles Gerät und kein Notebook ist. Arbeiten Sie bewusst mit den Möglichkeiten der Hintergrundaktualisierung, Ortung und den anderen Frameworks des Betriebssystems. (mb)