Lünendonk und TDS stellen "Trendpapier" vor

Application-Management: Der Königsweg?

11.07.2003
MÜNCHEN (CW) - Outsourcing boomt, heißt es landauf, landab, während das IT-Dienstleistungsgeschäft insgesamt lahmt. Dennoch stellen sich immer häufiger kritische Fragen. Viele Infrastruktur- oder Komplett-Outsourcing-Projekte verlaufen für Anwender wie Anbieter enttäuschend. Nun kündigt sich eine neue Facette an. Es geht um die Pflege von Anwendungen.

Eigentlich liegt das Problem, gerade in Zeiten wie diesen, klar auf dem Tisch: Die IT ist Teil der Wertschöpfungskette und unterliegt den gleichen wirtschaftlichen Anforderungen wie andere Unternehmensbereiche. Für die IT-Verantwortlichen kommt es deshalb darauf an, ihre Kosten zu senken, neue Wege der Projektfinanzierung zu finden und sich - so betrachtet - auch völlig neu im Unternehmen zu positionieren. Mehr Leistung für weniger Geld, wie ironische Zeitgenossen es formulieren. Mitunter ist der einzige Ausweg das Outsourcing.

Prominente Beispiele weisen den Weg

Zwei aktuelle Beispiele zeigen, das Unternehmen dabei häufiger als früher mehrgleisig fahren: Die Commerzbank fasst neben der Auslagerung des Rechenzentrums-Betriebs, der Netze sowie Desktop-Services auch die externe Anwendungsentwicklung ins Auge und verhandelt darüber unter anderem mit IBM. Der schweizerisch-schwedische Industriekonzern ABB verhandelt dem Vernehmen nach ebenfalls mit Big Blue über das Outsourcing seiner IT-Infrastruktur, hat aber vor kurzem den Auftrag für die Pflege und Weiterentwicklung seiner Applikationen bereits an die CSC Ploenzke AG vergeben.

Was sich - gerade im Bankensektor - auf den ersten Blick wie das Schlachten der letzten heiligen Kuh darstellt, nämlich die vermeintliche Aufgabe jeglichen direkten Einflusses auf Projektsteuerung, Prozesskontrolle und Produktentwicklung zugunster klarer Kostenvorteile, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein noch weitaus vielschichtigeres Problem. Grund: Weder Application-Hosting, noch Application-Management und/oder das komplette Outsourcing der IT-Infrastruktur oder gar der Business-Prozesse sind ein Allheilmittel. Vielmehr kommt es für jedes Unternehmen darauf an, "eine den individuellen Anforderungen entsprechende Lösung zu finden, die die anstehenden Probleme beseitigt und gleichzeitig einen Zukunftspfad bietet". So bedeutungsschwanger liest sich die Problematik in einem gemeinsam von der Lünendonk GmbH und der TDS Informationstechnologie AG veröffentlichten Trendpapier zum Thema "Application-Management". Trotzdem trifft der Tenor dieser Auftragsstudie damit den Nagel auf den Kopf. Denn der Outsourcing-Markt ist noch flexibler geworden - für Kunden und Dienstleister!

Beleg für diese Aussage ist die plötzliche Popularität des Begriffs Application-Management, für die es eine Reihe von Ursachen gibt. War die Auslagerung der Anwendungsentwicklung und -betreuung bisher noch ein Sakrileg, so scheint sie sich nun neben dem gängigen Infrastruktur-Outsourcing als zweite Disziplin zu etablieren. Dabei ist der Ansatz nicht vergleichbar mit dem bisher praktizierten Application Hosting. Vielmehr verbleibt nach inzwischen allgemein akzeptierter Lesart beim Application-Management die Anwendungsentwicklung eben nicht mehr beim Kunden, sondern geht komplett zum Dienstleister über, der die entsprechende Software über ihren gesamten Lebenszyklus (Entwicklung, Management, Betrieb/Wartung, Governance) hinweg betreut.

Jahrelang, um nicht zu sagen jahrzehntelang hat dieses Geschäft vor allem als klassisches "SAP-Outsourcing" ein Schattendasein gefristet - jedenfalls in der Sprache der Marketiers. Dienstleister "X" betrieb in seinem Rechenzentrum die SAP-Anwendungen des Anwenders "Y" - Pflege, Wartung und, je nach Vertrag, auch weitere Anpassungen inklusive. Nun kommen, glaubt man den Marktforschern und Anbietern, immer mehr Disziplinen hinzu, wo ein nach dieser Lesart weiter gefasstes Application Hosting im Sinne von Application Management praktikabel sein könnte. Die Rede ist von Anwendungen wie Workflow-/Groupware, Portale, E-Shops, E-Procurement sowie Customer-Relationship-Management (CRM) und Supply-Chain-Management (SCM).

Viele IT-Services wurden zur "Commodity"

Treibende Kraft dieser Entwicklung ist laut Lünendonk/TDS "Industrialisieriung" von IT-Dienstleistungen. Desktop-Verwaltung, die Auslagerung des Helpdesks sowie großer Teile von Netzen und inzwischen auch das reine Application Hosting seien früher aufwändige Beratungsthemen gewesen, hätten sich inzwischen aber als Standardangebote durchgesetzt. Gleichzeitig sind es aber auch die seit geraumer Zeit zu beobachtenden Veränderungen in der Anbieterszene, die für den neuen Trend Application Management sorgen. Beratungshäuser und Systemintegratoren bau(t)en beispielsweise Hosting-Kapazitäten entweder selbst auf oder haben ihr entsprechendes Portfolio mit Partnerschaften erweitert. Folge davon sind die Überkapazitäten, an denen der Markt heute leidet, weil sich nahezu jeder Provider als Full-Service-Dienstleister und -Berater positioniert hat. Viele IT-Dienstleister forcieren nach Ansicht von Tobias Ortwein, Analyst von Pierre Audoin Consultants (PAC), das Thema Application Management vor allem deshalb, weil sie dadurch "ihre Angebotsstruktur weiter flexibilisieren und ihre teuren Berater zum Teil wenigstens weiter beschäftigen können". Lieber den Spatz in der Hand als gar nichts, also.

"Application-Management verknüpft IT-Services mit Beratung", heißt es bei Lünendonk und TDS. Das Thema werde wichtiger, weil IT-Umgebungen zunehmend standardisiert seien und keinen Wettbewerbsvorteil mehr brächten. Durch den Abschluss von Application-Management-Verträgen könnten Anwender als Kompromiss zwischen dem Hosting einer Applikation und der kompletten, mehr denn je mit Emotionen behafteten Auslagerung ganzer Geschäftsprozesse "von den Erfahrungen eines Dienstleisters beim Betrieb einer Anwendung sowie dessen Branchen-Know-how und Prozess-Expertise für die Weiterentwicklung der Anwendung profitieren".

Trend zum Generalunternehmer bröckelt

Inwieweit die Kunden tatsächlich von dieser neuen Facette des IT-Service-Marktes Gebrauch machen können und wollen, bleibt abzuwarten. Vieles spricht dafür, dass das Application-Management zunächst den logischen weiteren Schritt nach dem reinen Application-Hosting darstellt - sofern die Anwender ihn aus grundsätzlichen, strategischen Erwägungen gehen wollen. Für PAC-Analyst Ortwein ist es dabei offen, ob der Hosting-Anbieter, ähnlich wie im Falle ABB, zwangsläufig auch der Dienstleister ist, der die Applikationen weiterentwickelt. Entsprechend sind auch seine Prognosen: PAC schätzt den deutschen Markt für das so genannte Stand-alone-Application-Management, also Services für die Anwendungspflege und -entwicklung, die von einem Anbieter entweder ausschließlich oder im Verbund mit weiteren Outsourcing-Projekten anderer Dienstleister erbracht werden, im Jahr 2002 auf ein Volumen von 255 Millionen Euro. Bis 2007 sei hier mit durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten von 27 Prozent zu rechnen." (gh)

Auswahlkriterien

Ob Anwender nun ihre Anwendungsentwicklung an den bisherigen Outsourcing-Partner oder einen weiteren Dienstleister übergeben - bei der Auswahl des betreffenden Dienstleisters gilt immer die gleichen Checkliste:

- Wirtschaftliche Situation des Dienstleisters

- Entspricht das Servicemodell den Anforderungen hinsichtlich Kosten, Verfügbarkeit etc.?

- Verfügt der Anbieter über die notwendige Branchen- und Technologiekompetenz?

- Verfügt der Anbieter über die notwendigen Infrastrukturen?

- Sind die Schnittstellen für die operative Zusammenarbeit eindeutig definiert?

- Gibt es vergleichbare Referenzkunden?

- In welchem Rahmen sind Änderungen der Prozessschritte möglich? Gibt es dafür klare Kostenstrukturen?

- Passen die Prozessmethodiken zusammen?

- Sind Modalitäten für ein Re-Insourcing vereinbart?

Darüber hinaus müssen laut Lünendonk/TDS auch die Anwender ihr "Pflichtenheft", das sie gegebenenfalls aus anderen Outsourcing-Projekten kennen, erfüllen. Dazu gehören im Sinne einer beidseitigen Due Dilligence die Beschaffung aller notwendigen Informationen zur Gesamtsituation der IT beim Kunden, insbesondere, was Organisation, Betrieb und Schnittstellen zu einzelnen Fachabteilungen angeht. Daneben muss eine komplette Liste der verwendeten Hard- und Software (Betriebssystem, Datenbanken, Programmiersprachen) erstellt werden. Wichtig für die grundsätzliche Klärung der Zusammenarbeit mit dem externen Application-Management-Partner sind zudem alle relevanten Informationen über etwaige Verträge (Laufzeiten, Kosten) mit anderen Serviceanbietern. Last, but not least sollte die betreffende Anwendung sauber und nachvollziehbar dokumentiert sein.

Abb: Application-Management im Service-Portfolio

Vom Kompromiss leben: Glaubt man den Marktforschern, lassen sich in den kommenden Jahren nur mit Application-Management zweistellige Wachstumsraten erzielen. Der Übergang zu anderen Facetten des Outsourcings dürfte aber fließend bleiben. Quelle: Lünendonk/TDS