Gewinne trotz proprietärer Systeme

Apples Marsch aus der Nische - aber mit Partnern

12.06.1992

Für Apple scheint es schwierig, wenn nicht unmöglich das Flair des Außerordentlichen loszuwerden. Die scheinbare Außenseiterschaft reicht von eigener Basissoftware beim Macintosh bis zur Partnerschaft mit einem Antipoden wie IBM, aber auch von postzugelassenen Funk-Notebooks bis zu standardmäßig multimedialen PCs.

Was Apple jedoch - vor allem für im PC-Markt vorgeprägte Marktbeobachter - ganz und gar den Geruch des Exotischen verleiht, sind steigende Marktanteile und unzweifelhafte Geschäftserfolge in Form von Gewinnen, noch dazu mit proprietären Produkten.

Oberflächlich betrachtet, scheint Apple weit neben vielen Schlüsseltrends zu liegen, etwa offenen Systemen, MS-Windows, OLTP, Konfrontation mit der IBM und Quartalsverlusten. Allein bei der grafischen Benutzeroberfläche spricht man Apple eine gewisse Vorreiterrolle zu. Doch damit allein lassen sich weder der Erfolg der Vergangenheit noch die Chancen der Zukunft für dieses Unternehmen erklären.

Um Apple richtig bewerten zu können, muß der Begriff eines proprietären, also herstellerspezifischen, Systems einmal genau analysiert werden. Es fällt auf, daß sich auch heute noch jede Workstation mit ihren Anwendungen größtenteils herstellerspezifisch darbietet. Das fängt bei weniger wichtigen Dingen, wie Gehäuseform und Farbe, Bildschirmkrümmung sowie Lage der Bedienelemente an und geht bis zu für die Wirtschaftlichkeit bedeutsamen Implementierungen von Systemverwaltung, Textverarbeitung und Tabellenkalkulation. Selbst die verbreitetsten Basissoftwareprodukte une MS-DOS oder Windows sind eindeutig proprietär.

Vor allem fällt auf, daß bei der Workstation noch relativ selten eine Grundsatzentscheidung für ein Betriebssystem gefällt wird, man entscheidet sich für eine Anwendung und nimmt das Betriebssystem mehr oder weniger in Kauf. Der Einsatz von Standardpaketen (proprietären, versteht sich!) ist die Regel, der Schutz von Eigenentwicklungen bildet die Ausnahme.

Hingegen ist aus Gründen des Investitionsschutzes der historisch gewonnenen Unternehmensdaten und eines produktiven ganzheitlichen Netz- und System-Managements natürlich eine offene Gestaltung der Netzwerkschnittstelle gefordert. SNA, TCP/IP, OSI müssen problemarm implementiert sein. Andererseits kann der Umstellungs- und Schulungsaufwand für PC-Anwendungen letztlich nur durch eine Art Standardisierung optimiert werden, durch eine konsistente Verfahrensweise beim Umgang mit diesen Anwendungen.

Der Trend zu offenen Systemen stellt sich, der PC-Welt demnach durchaus nicht als Unix-Bewegung dar. Leicht zugängliche, problemarme Netzwerkfunktionen und Anwendungsschnittstellen mit minimalem Trainingsaufwand sind hier als Offenheit gefragt. In diesem Lichte betrachtet, kann der Erfolg der Apple-Produktstrategie besser verstanden werden. Nach anfänglichen Sündenfällen (zum Beispiel mit eigener Appletalk-Verkabelung!) hat die Mac-Firma reagiert.

Die Apple-Basissoftware zwingt die Anwendungsentwickler sanft, die Benutzer-Schnittstelle mit einem einheitlichen Look and Feel auszustatten, was nach Analysen unabhängiger Institute wie Gartner Group bewirkt, daß der Mac wegen deutlich geringerer Einarbeitungs- und -Betriebsaufwände - über die Abschreibungszeit gerechnet - in der Regel der billigste PC ist. Auch das Einbinden der Apple-PCs in existierende SNA-, Decnet- und Hardwareanbieter-unabhängige LAN-Umgebungen ist mittlerweile besser gelöst als in der MS-DOS- Welt.

Insbesondere die Kooperation mit IBM wird Apple neben dem Zugriff auf schnelle Prozessoren (RS/6000-basiert) für künftige Produkte verbesserte Netzwerkfähigkeit im SNA-Umfeld liefern. Wie ernsthaft die Apple-IBM-Allianz gemeint ist, zeigt die Gründung der Gemeinschaftsunternehmen "Taligent" für Multimedia-Anwendungen. Die Firma wurde schon von Beginn an reichlich mit Personal und erfahrenen Managern aus beiden Häusern ausgestattet. Besonders interessant erscheint hierbei die IBM-Investition in eine Plattform, die mit OS/2 wenig zu tun hat. Sollte IBM den OS/2-Poker mit Ersatzkarte im Ärmel spielen?

Ganz allgemein setzt Apple beim Marsch aus der Nische vor allem auf Kooperationen. Die wichtigsten seien aufgezählt: mit der Software AG für 3270-Terminal-Replacement und Client-Server-Anwendungen auf IBM-Mainframe-Plattformen, mit Sony für die Fertigung von Produkten mit hohen Stückzahlen, mit Sharp für die Distribution im Heimmarkt.

Wo liegen bei so vielen meßbaren Vorteilen die Risiken für Apples Weg in die normale Informationsverarbeitung? Vor allem die Ausrichtung auf die Händlerdistribution wird wohl noch eine ganze Weile für Unverständnis am Markt sorgen. Denn Eingliederung in Nicht-PC-Netzwerke und Gesamtkostenbetrachtungen sind die Stärke von PC-Händlern nicht. Auch ist der mündige Kunde oft noch nicht bereit, Kaufentscheidungen über den Anschaffungspreis für Hard- und Software hinaus zu untermauern.

Für den künftigen Erfolg muß daher Apple die Quadratur des Kreises versuchen: Seine Distribution muß an fachlicher und geschäftsmäßiger Qualität gewinnen und dabei immer noch genügend Gewinn übriglassen. Vorbilder in diesem Feld gibt es kaum, eine Pionierleistung ist gefragt. Wenn dazu auch noch der schwierige Balanceakt gelingen sollte, wirklich innovative Softwaretechnologie, verknüpft mit der Offenheit aller wichtigen Schnittstellen, voranzubringen, dann wird Apple dem Anwender auch künftig die produktive, in ihrer Konzeption schlüssige und integrative Alternative für den Arbeitsplatz bieten können. Ein reizvoller Ausblick nach der Periode des MS-DOS-Flickwerks.

*Frank-Michael Fischer, Beratung und Publikationen, 8035 Gauting.