AR, iGlasses und Titan

Apples geheime Pläne für 2018

22.12.2017
Von 
Stephan Wiesend schreibt für die Computerwoche als Experte zu den Themen Mac-OS, iOS, Software und Praxis. Nach Studium, Volontariat und Redakteursstelle bei dem Magazin Macwelt arbeitet er seit 2003 als freier Autor in München. Er schreibt regelmäßig für die Magazine Macwelt, iPhonewelt und iPadwelt.
Das iPhone dominiert Cupertino komplett, neben dem Smartphone wird sogar der Mac zum Seitenprodukt. Dafür geht die Entwicklung immer mehr in die Tiefe.

Für Apple ist das iPhone das wichtigste Produkt geworden, weder Mac noch iPad können bei den Milliardengewinnen des Smartphones noch mithalten. So wundert es nicht, dass man alle neuen größeren Projekte von Apple auch als eine Art iPhone-Zubehör sehen kann – es gibt Kopfhörer, eine (noch immer) ohne iPhone wenig sinnvolle Watch, einen Lautsprecher mit iPhone-Betriebssystem – und ein paar Macs, auf denen vielleicht auch bald iOS läuft. Aber selbst Dienste wie Apple Music kann man eigentlich kaum ohne das iPhone nutzen.

Obwohl das Geschäft brummt, erwarten viele Journalisten von Apple das "Next Big Thing"
Obwohl das Geschäft brummt, erwarten viele Journalisten von Apple das "Next Big Thing"
Foto: pio - shutterstock.com

Es wundert einen deshalb dann doch, wie viele Journalisten von Apple das „Next Big Thing“ erwarten: Ein völlig neuartiges mobiles Gerät, welches das iPhone ablöst und überrundet! Einen „iPhone-Killer“ wird es so schnell nicht geben, ist das iPhone vom Produkt doch längst zur soliden Plattform geworden. Es wird zwar immer neue innovative Produkte wie Homepod und Airpods geben, aber die Umsätze des iPhones kann Apple mit kaum einem anderen Elektronik-Produkt erreichen. Ähnlich wie das Apple TV sind deshalb andere Produkte für Apple eher eine Art „Hobby“.

Künstliche Intelligenz ist aber wohl die große Zukunft von Apple. Augmented Reality und autonom fahrende Autos sind da nur zwei Unterpunkte dieser Forschung. Ist doch das iPhone längst mehr als ein Gadget, sondern eine Art PC-Ersatz und ersetzt für viele Kamera, Telefon, Computer, Gaming-Konsole und bei jungen Menschen sogar den Fernseher....

Eigene Komponenten

Was allerdings im Hintergrund passiert: Immer stärker investiert Apple in die Entwicklung eigener Komponenten und Chips für iPhone und Apple Watch. Eine Art „Tiefenrüstung“, um mehr Einfluss auf die Produktion zu haben, die sich auch in den Stellenausschreibungen Apples spiegelt. Dabei geht es nicht darum, eigenen Apple-Fabriken zu bauen, sondern das so genannte Fabless-Design der Komponenten. Man will so Kosten senken und Qualität und Versorgung besser kontrollieren.

Die iPhone-CPU stammt schon länger von Apple, ebenso der Image-Prozessor, auch die GPU wird bald aus Cupertino kommen. Davon verspricht sich Apple nämlich Vorteile im Konkurrenzkampf. Die Bluetooth-Chips W1 und W2 in Airpod und Apple Watch sorgen ja dank Apple-Design schon für besonders problemlose Kommunikation mit Apple-Geräten bei niedrigem Stromverbrauch. In gewisser Weise wird Apple immer mehr zum richtigen Handy-Hersteller!

Für die Hersteller der Chips und Komponenten war 2017 jedenfalls kein schönes Jahr: Der Entwickler der Grafiklösung der aktuellen iPhones geriet ins Trudeln, als Apple die Entwicklung eines eigenen Grafikchips ankündigte. Das war aber anscheinend erst der Anfang bei der Komponenten-Entwicklung, auch die Stromversorgung der iPhone will Apple offenbar nicht mehr fremden Firmen überlassen. So hat die Ankündigung, Apple würde eigene Chips für das Powermanagement des iPhones entwickeln, auch die Aktien des bisherigen Lieferanten Digital Semiconductor in den Keller geschickt. Langfristig würde es nicht überraschen, wenn Apple auch in die Entwicklung eigener Modems einsteigt – Patent-Streitigkeiten mit Qualcomm hin oder her.

Patentflut

Diese Entwicklung sorgt auch für eine Flut an Patenten. Vor einigen Jahren war es für Journalisten noch einfach, Überblick über Apples Veröffentlichungen und Patente zu behalten. Gelegentlich erschien dabei sogar ein Patent, das sich auf ein kommendes Apple-Produkt zurückführen ließ. Nachdem Cooks Firma aber eine immer größere Anzahl an Forschern auf seiner Lohnliste hat, ist auch die Anzahl der veröffentlichten Patente immens gestiegen: Waren es noch 2010 genau 563 Patente, wurden 2016 eine Rekordzahl von 2102 erfolgreichen Anmeldungen verzeichnet – nicht veröffentlichte Forschungen nicht mit gerechnet.

Was auffällt: Bei den Patenten handelt es sich um für Nicht-Ingenieure eher dröge Themen, etwa aus der Komponenten-Entwicklung. Es scheinen außerdem oft Vertiefungen bereits bekannter Forschungsthemen zu sein: So hat auch Tim Cook schon angemerkt, dass die Studien zum autonomen Fahren nicht nur für das Steuern eines autonomen Fahrzeuges interessant sind. Auch für die Navigation, etwa per iPhone oder eine kommende AR-Brille ist die automatische Identifizierung von Objekten schließlich sehr interessant.

Von der Idee, Apple werde ein neues Auto entwickeln, muss man sich ja verabschieden. Das Projekt Titan hat sich zu einem Software-Projekt entwickelt, das Themen wie Navigation und iPhone beinhaltet. Ein innovativer Elektro-Roadster von Apple würde zwar jeden Apple-Fan freuen – die profitable Herstellung von Vermarktung überlässt Apple aber wohl lieber den oft unterschätzten Platzhirschen der Autoindustrie. Hier wird ja auch oft unterschätzt, wie viele Firmen wie Bosch bereits in das Thema autonomes Fahren investiert haben.

Augmented Reality

Der Aufkauf eines Unternehmens war eigentlich immer ein gutes Zeichen dafür, dass Apple etwas Neues plant. So lieferte etwa die Übernahme von Metaio erste Hinweise auf AR-Kit, Apples Entwicklungsumgebung für Augmented Reality. 2017 hat Apple wieder einige Firmen übernommen, dabei ging es aber anscheinend eher um die Stärkung der eigenen Lieferketten und Dienste. So ist der Aufkauf von Shazam ein offensichtlicher Versuch, mehr Kunden für Apple Music zu gewinnen, die Beteiligung an Finisar dient der Absicherung der Belieferung mit Kameramodulen für FaceID.

Auch bei weiteren Aufkäufen geht es augenscheinlich um die Stärkung schon bekannter Produkte. So soll der Kauf von Senso Motoric Instruments, des deutschen Spezialisten für Eye Tracking wohl ebenso ARKit stärken wie die Übernahme von Vrvana - einem kanadischen Hersteller von Augmented Reality Headsets.

Software wird wichtiger

Der Fokus auf coole und völlig selbständige Apple-Produkte scheint im zehnten Jahr des iPhones vorbei zu sein. Heute geht es für Apple weniger um neue krasse Gadgets als darum, gegen Android nicht den Anschluss zu verlieren. Apple ist mit dem iPhone-Betriebssystem iOS einer der wenigen echten Plattformbetreiber und muss seinen Nutzern nicht nur eigene Dienste und eine Entwicklungsumgebung wie Xcode anbieten. Er muss Entwicklern immer bessere Möglichkeiten geben, iOS für die Anbindung an andere Hardware zu nutzen: Etwa durch die eigene Entwicklungsumgebung AR Kit für Augmented Reality, Unterstützung für die Nutzung im Auto mit iCar, Health-Kit und als Zahlungsmittel Apple Pay.

In den nächsten Jahren steht Apple dabei ein harter Zweikampf mit der Android-Mutter Google bevor, bei dem es nicht mehr nur um Dinge wie „Wer hat die beste Kamera“ oder „Wer hat das schönste Design“ sondern die beste Unterstützung für Auto, Fitness und Finanzen. Kurz gesagt: In den nächsten Jahren muss Apple Siri auf Vordermann bringen, oder die Kunden fangen an den Google Assistenten auf ihren iPhones zu installieren. Und dann können sie eigentlich auch gleich ein Android-Handy verwenden.

Nicht mehr ganz so geheim

Was geheime Forschungen betrifft, führt der neue Fokus auf Künstliche Intelligenz und Maschinenlernen außerdem zu ganz neuen Problemen für Apple: Themen wie das Design des angekündigten neuen Mac Pro kann man ja problemlos geheim halten, für hochwertige Forschung im Bereich Künstliche Intelligenz ist aber mehr Öffentlichkeit nötig: Nicht nur um Kunden und Aktionäre auf die eigenen Fortschritte aufmerksam zu machen, sondern vor allem um hochqualifizierte Forscher bei der Stange zu halten. Für einen international renommierten Wissenschaftler im Bereich KI ist es einfach nicht akzeptabel, auf Publikationen zu verzichten.

Noch bis Ende 2016 war es ja Apples Forschern im Bereich Künstliche Intelligenz untersagt, ihre Ergebnisse zu veröffentlichen – nicht einmal die Nennung ihrer Position auf Linkedin war erlaubt. Da Apple aber auf diese hochqualifizierten Forscher nicht verzichten kann, muss die Geheimhaltung außen vor bleiben und es gibt mittlerweile sogar offizielle Forschungs-Berichte vom ehemals so schweigsamen Apple-Konzern.

Während außerdem die Entwicklung neuer Produkte weiter geheim bleibt, ist es für Apple ja schon aus Imagegründen wichtig, Forschungsergebnisse zu veröffentlichen: Will man doch neben Konkurrenten wie Microsoft und Google die eigene Leistung beweisen.

Schade, dass dagegen Nebenlinien wie die Airport-Geräte rigoros eingestellt werden. Die Hoffnung auf einen neuen Mac Mini oder günstigen Mac Pro haben wir aber noch nicht ganz aufgegeben. (Macwelt)