Dokumente auf iOS

Apples Files-App - dead on arrival?

16.06.2017
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Carsten Mickeleit ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Cortado Holding AG mit seinen Unternehmen ThinPrint GmbH, Teamplace GmbH und Cortado Mobile Solutions GmbH. Seit Gründung seines ersten Unternehmens 1990 - der Carano GmbH - ist er am IT-Markt aktiv, seit 1996 insbesondere im Virtualisierungs/Cloud Computing und seit 2001 im Enterprise Mobility Bereich.
Apple muss Microsofts Office-Strategie ernst nehmen, um seinen Vorsprung nicht zu verspielen

Mit der in der Keynote der WWDC 2017 angekündigten Files-App trifft Apple den Nerv all derjenigen, die im iPhone und iPad ein echtes Produktivitätswerkzeug sehen. In diesem sogenannten Enterprise-Mobility-Markt ist Apple derzeit ungeschlagen an der Spitzenposition, so dass es schon schwerfällt, Wünsche an das neue Betriebssystem iOS 11 zu stellen.

Aus meinem Blog-Beitrag haben es zu mindestens drei geschafft: die QR-Code-Erkennung sowie die Öffnung des NFC-Interfaces und des PDF-Toolkits. Die neue Files-App hatte ich dabei gar nicht auf der Liste – und das nicht unbedingt, weil ich denke, dass die Files-App unseren eigenen File-Sharing-Lösungen Konkurrenz machen könnte. Hier glaube ich, ist wirklich das Gegenteil der Fall. Mit der Files-App wird die Nachfrage nach einem gesicherten, direkten Zugriff auf Dateiserver im Unternehmen noch deutlich zunehmen. Ich denke vielmehr, dass die Files-App das Problem, das auf Apple zukommt, nicht wirklich trifft.

Unverhofft kommt oft: Mit der Files-App bietet Apple in iOS 11 endlich eine Art Datei-Manager
Unverhofft kommt oft: Mit der Files-App bietet Apple in iOS 11 endlich eine Art Datei-Manager
Foto: Apple

Apple iOS: Usability trifft perfektes Management

Neben all seinen hervorragenden Produkten für den Konsumentenmarkt konnte sich Apple mit dem iPad und iPhone zur führenden Plattform für Unternehmen entwickeln. Dabei besticht nicht nur die Einfachheit der Bedienung, sondern vor allem auch die wirklich umfangreichen und detaillierten Management-Möglichkeiten der iOS Plattform. Business-Container können auf Basis von iOS vollständig flexibel erstellt und verwaltet werden, ohne dass der Anwender mit speziellen E-Mail- oder Kalenderanwendungen klar kommen muss. Mit einem Enterprise-Mobility-Management-System, welches das native iOS-Management unterstützt, gibt es keinerlei Einbußen an Usability und das bei einem sehr hohen Sicherheitsniveau. Auch den Zugriff aus der Files-App auf Dropbox & Co wird sich auf diesem Wege mit einem Klick unternehmensweit unterbinden lassen.

Files App von iOS 11 in der Beta vorerst nur mit iCloud Zugriff
Files App von iOS 11 in der Beta vorerst nur mit iCloud Zugriff
Foto: Cortado Mobile Solutions GmbH

Dateien, iOS und Microsoft

Natürlich dreht sich bei der Produktivität alles um Dokumente und Dateien. Doch auch schon unter iOS 10 bietet Apple zahlreiche Möglichkeiten, auf diese zuzugreifen. Open-In, Document Picker und Document Provider Extensions in Verbindung mit der iCloud-App lassen von der Einfachheit des Zugriffs keine Wünschen offen. Die Files-App ist aus dieser Sicht die natürliche Weiterentwicklung. Eine wichtige Sache wird allerdings außer Acht gelassen: die meisten dieser Dateien sind entweder Bilder oder Office-Dokumente, doch insbesondere Office-Dokumente liegen fast immer in den Apple-fremden Dateiformaten .docx, .xlsx und .pptx vor. Das wirklich Beeindruckende an den aktuellen iOS 10 Document Provider Extensions ist, dass diese direkt auf der Datei am externen Speicherort arbeiten können. Dies gelingt allerdings nur, wenn die entsprechende App-Dateien in diesen Dateiformaten auch direkt verarbeiten kann. Für .docx, .xlsx und .pptx ist dies nur bei Microsoft Office der Fall.

Schon jetzt ist der direkte Zugriff aus iOS-10-Apps auf Datenspeicher möglich
Schon jetzt ist der direkte Zugriff aus iOS-10-Apps auf Datenspeicher möglich
Foto: Cortado Mobile Solutions GmbH

Apples eigene Office-Suite benötigt hier einen Import- bzw. Export-Schritt, womit der Workflow empfindlich gestört wird. Bei Apples Files- App wird dieses Problem noch deutlich massiver. Denn alle in einem sogenannten Recent Tab der Files-App gesammelten Dokumente sollen sich automatisch mit der Quelle synchronisieren. Dies würde an mindestens einer Stelle zu einem dauerhaften Import/Export-Prozess führen oder man müsste auf diese Funktion verzichten.

Microsoft Office, strategisch das neue Windows

Office ist das tatsächlich wenig angefochtene Herrschaftsgebiet von Microsoft. Zuletzt seiner scheinbar unabdinglichen Vormachtstellung von Windows beraubt, hat sich Microsoft schnell auf seine Stärke im Office-Markt besonnen und spielt diese Karte auch sehr gekonnt aus. War auch Microsoft mit dem eigenen mobilen Betriebssystem wenig Erfolg vergönnt, könnte der Einfluss im Enterprise-Mobility-Markt dank Microsoft Office umso stärker ausfallen, denn schon lange ist Microsoft Office für iOS wesentlich mehr als nur die mobile Version von Office. Microsoft Office ist, vielleicht etwas übertrieben ausgedrückt, der Fuß in der Tür zur feindlichen Übernahmen von iOS als Business Plattform.

Microsoft Office versus Apple-Nutzererlebnis

Microsoft Office bietet nicht nur eine völlig eigenständige Architektur des Dokumentenzugriffs, auch soll das Management dieses Zugriffs nur über Microsoft Intune möglich sein. Intune bildet die Basis, um unabhängig von der iOS-Plattform, Microsoft Office und befreundete Anwendungen - wie die Worx-Produkte von Citrix - zu managen.

Die Idee von Microsoft ist es, einen von Microsoft gemanagten und von Microsoft bestimmten Business-Container auf das Gerät zu bringen. Dies funktioniert nur dann, wenn alle klassischen iOS-Anwendungen wie Mail, Safari und Kalender durch Microsoft oder Microsoft-Partner Anwendungen ersetzt werden. Das Nutzererlebnis in diesem Business-Container ist zum wesentlichen Teil von Microsoft bestimmt und hat wenig mit Apples Vision gemein. Nun mag dies Geschmacksache sein, aber mit der Leichtigkeit, Offenheit und Vielfältigkeit von iOS hat dieser Ansatz nur noch recht wenig zu tun. Ein vergleichbarer Ansatz wird von Good verfolgt, mit bekanntermaßen entsprechender Resonanz bei den Anwendern.

Apple ist gefordert

Doch solange Apple seine Office Suite nicht mutiger am Markt durchsetzt, treibt der Umgang mit Office Dokumenten immer mehr Anwender zu Microsoft Office. Die Files App darf nur der erste Schritt sein. Aber es gibt Hoffnung und die kommt erstaunlicherweise von Microsoft selbst. Denn seit Herbst vergangenen Jahres unterstützt auch Microsoft mehr und mehr offizielle Schnittstellen von iOS. Dies führt dazu, dass sich Microsoft Office heute vollständig per nativem App-Management verwalten lässt, ein Microsoft-Business-Container also nicht mehr notwendig ist.

Leider ist dies bei vielen Unternehmensanwendern noch unbekannt. Aber Apple sollte gerade im Kontext der Files-App seine Office-Suite entsprechend anpassen. Hier könnte Apple etwas von Microsoft lernen, denn bei Microsoft Office lässt sich das Standard-Dateiformat, also das Format, auf das direkt abgespeichert wird und aus dem geladen wird, ändern. Sollte Apple dies auch für Pages, Keynote und Numbers ermöglichen, dann wäre der Workflow perfekt.

Würde sich Apple dann auch noch wie Microsoft dem Open Document Format öffenen, wäre das Rennen um Office wieder spannend. Aber Apple ist immer für Überraschungen gut und iOS 11 erscheint ja auch erst im Herbst, noch gibt es Hoffnung auf eine entsprechend angepasste Version von Pages, Keynote und Numbers.