Neuer Browser künftig Bestandteil des Macintosh- Betriebssystems

Apples Cyberdog demonstriert die Möglichkeiten der Opendoc- Technik

21.06.1996

Cyberdog unterstützt alle gängigen Transportformate des Web, wie telnet, http, ftp und gopher. Für den Benutzer sichtbar ist allein das Notizbuch und der "Cyberdog Starting Point" - ein gerade 500 KB großes Opendoc-Dokument. Die nötigen Bibliotheken im Hintergrund belegen allerdings rund 1,3 MB Festplattenkapazität, Opendoc, Version 1.0.4, selbst muß mit etwa 3 MB veranschlagt werden.

Anders als die Browser von Netscape, Microsoft oder NCSA zeigt Cyberdog nach dem Aufruf keine Internet-Startseite, sondern ein Opendoc-Dokument mit Schaltflächen für das Notiz- und das Logbuch sowie für zwei Internet-Startseiten, den E-Mail- und den News- Zugang. Erst wenn auf einen Internet-Dienst zugegriffen wird, öffnet Cyberdog ein neues Opendoc-Dokument und lädt die entsprechenden Daten aus dem Netz. Cyberdog verwendet nur eine http-Verbindung, Text- und Bildteil eines HTML-Dokuments werden nacheinander geladen.

Die gängigen Internet-Funktionen laufen reibungslos, aber nicht schnell: Die Paßwortabfrage für bestimmte Internet-Dokumente beispielsweise läßt manchmal mehrere Sekunden auf sich warten. Insgesamt ist die Reaktionszeit des Programms schlecht. Die Schuld dafür scheint bei Opendoc zu liegen: Die Speicherverwaltung ("Memory Manager") arbeitet behäbig, die Allokierung und Deallokierung 1 KB großer Speicherbereiche schreitet im Sekundentakt voran. Bis sich ein neues Opendoc-Fenster öffnet, verstreichen zum Teil zehn Sekunden. Die Decodierung eines Programms im Binhex-Format mit einer Größe von 1,5 MB läßt den Anwender zähe fünf Minuten warten.

Dafür glänzt Cyberdog aber in Sachen Bedien- und Erlernbarkeit. In Opendoc-Manier erscheint passend zum gerade aktuellen Internet- Dienst (http, ftp, Telnet) ein eigener Menüpunkt in der Kopfzeile des Bildschirms, die Befehlsstruktur ist übersichtlich und leicht einprägsam. Eigene Startseiten lassen sich mit dem mitgelieferten Cyberdog-Editor frei erstellen. Auch kann der Anwender sich einzelne Newsgruppen oder Teile einer Internet-Seite in ein Dokument einbauen und darstellen.

Aus einmal geladenen Hypertext-Dokumenten können die Anwender einzelne Bestandteile per Maus "herausziehen" und auf der Festplatte speichern - wahlweise nur eine Referenz (URL-Adresse) oder ein eigenes Opendoc-Dokument. Zieht man eine Adresse oder eine Grafik zum Notizbuch, wird die Adresse gespeichert und mit einem aussagekräftigen Symbol gekennzeich- net. Adreßverzeichnisse anderer Browser lassen sich übernehmen - allerdings vergleichsweise mühsam über einen Dateizugriff mit expliziter Pfadangabe.

Als nützlich erweisen sich beim Zugriff auf Diskussionsgruppen (Newsnet) und Postdienste frei definierbare Filter für beide Internet-Bereiche. Mit ihnen lassen sich bestimmte Diskussionsbeiträge und Nachrichten ausblenden. Damit verringern sich die Ladezeiten zum Teil erheblich. Bislang fehlt den Cyberdog-Komponenten die Möglichkeit, verschlüsselte Dateien (Uu- Code, 8-Bit- auf 7-Bit-Codierung) direkt zu decodieren. Der verschlüsselte Teil einer Nachricht muß erst auf die Festplatte gespeichert und mit einem zusätzlichen Programm decodiert werden.

Die Hardware-Anforderungen für Cyberdog sind hoch: Die Software läuft vorerst nur auf einem Macintosh-Rechner mit Power-PC-CPU, Cyberdog und Opendoc zusammen belegen beim Start etwa 8 MB Arbeitsspeicher. Jedes weitere Opendoc-Dokument benötigt 200 bis 500 KB Arbeitsspeicher. Zur Zeit ist die Software kostenlos über die Internet-Adresse http://cyberdog.apple.com erhältlich. Ab Herbst dieses Jahres soll sie mit dem Macintosh-Betriebssystem ausgeliefert werden.

*Bettina Bechstein ist freie Journalistin in München.