Neue Klage gegen Microsoft auf dem Weg

Apple will Windows auf dem Rechtsweg vom Markt drängen

06.03.1992

FRAMINGHAM (IDG) - Eine neue Runde im Rechtsstreit mit Microsoft hat Apple eingeläutet. Der Mac-Hersteller will endgültige Klarheit darüber, ob Microsofts Windows eine unrechtmäßige Kopie der Macintosh-Benutzeroberfläche darstellt. Aus Apple-nahen Kreisen verlautete, daß man jetzt von dem MS-DOS-Hersteller eine Entschädigung von 4,4 Milliarden Dollar für erlittene Einbußen einklagen will: das Aus für Windows?

Sollte Apple diese Forderungen tatsächlich vor ein US-Gericht tragen, wäre dies ein weiterer Versuch, die Vorherschaft von Microsoft im Markt der PC-Betriebssysteme zu brechen. Seitdem Windows in der Version 3.0 auf dem Markt ist, konnte Microsoft diese Dominanz weiter ausbauen, es gelang, dem Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Washington sogar, die Zukunft des neuen IBM-PC-Betriebssystems OS/2 in Frage zu stellen.

Sympathien löst ein eventueller Apple-Vorstoß bei den anderen Microsoft-Wettbewerbern aus. Sie kritisieren, daß Microsoft die Standard-Benutzeroberfläche Windows kontrolliere und mit diesem Wissensvorsprung auch Windows-Anwenderprogamme in den Markt drücke. Borland-Chef Philippe Kahn vergleicht die Marktstellung Microsofts denn auch mit der Macht Nazi-Deutschlands, die nur durch eine Allianz aller Gegner gebrochen werden kann.

Apple Computer Inc. und andere Wettbewerber im PC-Softwaremarkt werfen Microsoft bereits seit einiger Zeit in einem Kartellverfahren vor, Windows auf dem vom Markt drängen mit unfairen Methoden in den Markt gedrückt zu haben. Microsoft-Pate Bill Gates muß dieses Verfahren wohl oder übel mit einem gewissen Fatalismus über sich ergehen lassen: "Das schlimmste, was mir dabei passieren kann, ist, daß ich die Treppen des Gerichtsgebäudes herunterstürze, auf den Kopf falle und dabei sterbe", meinte er gegenüber dem US-Wirtschaftsmagazin "Business Week".

Apple setzt auch im Streit um die Urheberrechte an grafischen Benutzerführungen nach einem Bereicht der US-amerikanischen CW-Schwester Computerworld ab sofort auf die harte Tour: Neben der extrem hohen Schadenersatzsumme verlangen die Kalifornier eine gerichtliche Verfügung, nach der Microsoft die Auslieferung von Windows 2.03 bis 3.0 einstellt und dar, über hinaus sämtliche Kopien dieser Programme vernichtet werden. Dieses aggressive Vorgehen sorgte in US-Branchenkreisen für Aufregung. Anwender sind der Meinung, daß Apple sich damit letztlich viel Sympathie verscherzen dürfte. Sollte Apple mit ihrer neuen Klage Erfolg haben, wären sämtliche Windows-Anwender - man geht von neun bis zehn Millionen verkauften Paketen aus vor den Kopf gestoßen. Microsofts Executive Vice-President Steven A. Ballmer hält derartige Forderungen für so lächerlich, daß er gar nicht darüber reden will. Falls Apple gewinnt, meinte Ballmer gegenüber der Business Week, will er nach Kanada auswandern.

Unter den Windows-Anwendern sind auch diverse Großunternehmen, die zum Teil existentiell wichtige Software unter Windows laufen lassen. Joel Diamond von der amerikanischen Windows User Group bringt die Situation für die Anwender auf den Punkt, wenn er sagt, daß hier ein Krieg zwischen zwei Herstellern auf dem Rücken der Anwender ausgetragen werde.

Darüber hinaus haben mehrere Entwickler, die Windows-Applikationen programmieren, angekündigt, daß sie im Falle eines Apple-Erfolges Gegenklagen einreichen würden. Sie würden Apple dann wiederum monopolistisches Verhalten vorwerfen.

Analysten gehen denn auch davon aus, daß Apple mit seinen Maximalforderungen nicht durchkommen dürfte. Wahrscheinlicher ist, daß Microsoft aber Urheberrechtsgebühren in Höhe von mehreren hundert Millionen Dollar an Apple zahlen muß und Teile von Windows umgeschrieben werden.

Das würde Apple einen Marktvorsprung von bis zu einem Jahr in Sachen grafischer Benutzerführung geben. Windows-Anwender würden aber auch dann in Unsicherheiten gestürzt: Sie wissen nicht mehr, ob ihre vorhandenen Windows-Programme auch unter den neuen Versionen laufen.

Microsoft-Insider meinen aber, daß das Bill-Gates-Unternehmen auf eine derartige Aktion seitens Apple vorbereitet sei. Man haben diverse Möglichkeiten, Windows in kurzer Zeit zu ändern.

Die rechtliche Ausgangsposition für Apple ist ein Urteil aus dem letzten Jahr, in dem ein Gericht feststellte, daß Apple die Rechte an wesentlichen Elementen der grafischen Benutzerführung gehören und daß diese Rechte nicht Bestandteil eines 1985 geschlossenen Abkommens zwischen Apple und Microsoft sind. Dieses Urteil galt für sämtliche Windows-Versionen, die auf Release 2.03 folgen. Deshalb gilt es als sicher, daß die Apple-Anwälte ihre Klage auch auf Windows 3.1, das Mitte April vorgestellt werden soll, ausdehnen werden.

Apple könnte im Falle des Erfolges nach Ansicht von Branchenkennern zum großen Gewinner in Sachen Urheberrechten an grafischen Benutzerführungen werden. Zur Zeit setzen fast alle Rechnerhersteller auf solche Benutzeroberflächen. Der Inhaber der Urheberrechte an der fahrenden Oberfläche dürfte dann enorme Summen über die Lizenzgebühren einnehmen. Auf das richtige Pferd hat dabei offenbar wieder Marktführer IBM gesetzt, als er Lizenzen der Macintosh-Oberfläche für seine Unix-Rechner erwarb und ankündigte, Teile davon auch auf OS/2 portieren. Zusammen können IBM und Apple, so Tim Bajarin, Executive Vice-President des Marktforschungshauses Creative Strategies Research International im kalifornischen Santa Clara, jetzt jedenfalls bei kommerziellen Anwendern für einige Verunsicherung sorgen.