G4-Rechner, Ultralight-Notebook und Multimedia-Software

Apple will mit neuen Produkten aus der Krise

19.01.2001
MÜNCHEN (CW) - Im Hause Apple ist Imagepflege angesagt: Nach zwei enttäuschenden Quartalen sollen nun zahlreiche Produktneuheiten dem Hersteller die nötige Frischzellenkur verpassen. Hoffnungen setzt das gebeutelte Unternehmen dabei nicht allein auf neue Hardware - auch das rundum überarbeitete Betriebssystem Mac OS X sowie eine Reihe von Multimedia-Applikationen sollen Apple den Weg in die "Digital-Lifestyle-Ära" ebnen.

Trotz der ernst zu nehmenden Finanzschieflage seines Unternehmens sowie einer generellen Flaute im PC-Markt scheint Apple-Chef Steve Jobs überzeugter denn je, den Computerhersteller ein weiteres Mal aus der Krise führen zu können. "Die vergangenen Monate waren für Apple und die gesamte PC-Branche eine große Herausforderung", umschreibt Jobs elegant die schlechten Zahlen. Daher wolle man das neue Jahr mit einem richtigen Knall beginnen. Als Feuerwerk sollen Neuheiten im Hard- und Softwarebereich dienen, mit deren Hilfe sich die angeschlagene IT-Company wieder aus den roten Zahlen herauskatapultieren will. Zu den Produkten, die Apple vergangene Woche auf der US-Hausmesse Macworld Expo in San Franzisko präsentierte, gehören wie erwartet eine Reihe neuer G4-Desktops - wenn auch im alten Gewand. Die aktuelle, in vier Varianten angebotene Powermac-Familie mit Taktraten von bis zu 733 Megahertz soll über eine deutlich leistungsfähigere Systemplatine mit 133 Megahertz Bustakt verfügen. Anstelle der bisher drei bieten die neuen G4-Modelle nun vier PCI-Schnittstellen sowie einen AGP-Steckplatz mit vierfacher Geschwindigkeit. In Sachen Grafik geht Apple erstmals fremd und dreht seinem Haus- und Hoflieferanten ATI den Rücken zu: Denn bis auf das G4-Einstiegsmodell mit 466 Megahertz, das mit einem Rage-128-Pro-Grafikbeschleuniger (16 MB Speicher) von ATI ausgestattet ist, kommt bei den neuen Powermacs eine "Gforce-2-MX"-Grafikkarte mit 32 MB Bildspeicher von Nvidia zum Einsatz.

Die Powermac-Varianten G4/466 und 533 sind mit dem bisherigen "Power PC 7400" bestückt. Bei den Modellen mit 667 und 733 Megahertz feiert Motorolas jüngster Power-PC-Prozessor "MPC7450" sein Debüt. Mit dem Chip hat der Halbleiterhersteller die leidige 500-Megahertz-Grenze - einer der von Apple eingeräumten, bisherigen Bremsfaktoren - endgültig durchbrochen. Die neuen Powermacs haben zunächst wieder nur einen Prozessor, womit die zuvor durch die niedrigen Taktraten erzwungene "Doppelherz"-Ära mit zwei CPUs vorerst beendet ist. Wer Wert darauf legt, kann die 533-Megahertz-Maschine über den Apple-Store allerdings auch mit zwei CPUs bestellen (Aufpreis 300 Dollar).

Hier setzt die Kritik an: Dass die neuen Profimacs - nahezu zeitgleich mit der Markteinführung des unter anderem für symmetrische Mehrfachverarbeitung optimierten Apple-Betriebssystems Mac OS X - nun wieder mit Einzelprozessoren laufen müssen, scheint schwer verständlich. Dabei wird wieder einmal die Lieferfähigkeit des Chipherstellers Motorola angezweifelt. Auch auf Analystenseite regen sich diesbezüglich Bedenken. "Motorola hatte in der Vergangenheit so manche Probleme", erinnert sich etwa Kevin Krewell, Analyst bei Microdesign Resources. Schon einmal hat Motorola Apple hängen lassen: Im Herbst 1999 hatte der Halbleiterproduzent die 500-Megahertz-Variante des Power PC 7400 aufgrund einer Designschwäche nicht an Apple liefern können.

Sichtlich bemüht, bislang verschlafene Markttrends nachzuholen, hat Apple seinen Powermacs nun endlich CD-RW-Laufwerke spendiert. Als besonderen Leckerbissen präsentierte Jobs das "Superdrive", eine Kombination aus CD-RW- und DVD-R-Laufwerk, das allerdings lediglich im G4-Spitzenmodell mit 733 Megahertz serienmäßig verbaut wird. Das Laufwerk, eine Neuheit des japanischen Herstellers Pioneer, liest und schreibt CDs und DVDs gleichermaßen und verschafft dem Gerät damit die "Power to burn", so Jobs. Privatanwender, die sich Vergleichbares für den im Consumer-Bereich erfolgreichen "Imac" erhofft hatten, gehen vorerst leer aus und warten weiter auf Geräte mit CD-Brenner.

Die neuen Apple-Rechner bleiben ein teurer SpaßDie Preise für die neuen Profimacs liegen zwischen knapp 4500 Mark für das Einstiegsmodell (466 Megahertz) und rund 9300 Mark für das 733-Megahertz-G4-Flaggschiff. Die 466- und 533-Megahertz-Varianten des Powermacs sind ab sofort erhältlich, während die beiden Spitzenmodelle (667 und 733 Megahertz) voraussichtlich noch bis Februar auf sich warten lassen.

Unter dem Motto "It''s got the Power and the Sex" stellte Apple das "Powerbook G4" vor. Das neue Powerbook lässt sich mit G4-Prozessoren (bis zu 500 Megahertz) bestücken und verfügt über einen "Rage-Mobility-128"-Grafikbeschleuniger von ATI mit 8 MB sowie ein Slot-load-DVD-Laufwerk. Eine Besonderheit: das 15,2-Zoll-Display mit einer maximalen Auflösung von 1152 x 768 Pixel. Verpackt ist der neue Superstar von Apple in ein 2,45 Zentimeter flaches Gehäuse aus reinem Titanium - dadurch wiegt das Powerbook G4 auch nur rund 2,4 Kilo. Anders als seine Vorgänger muss das Leichtgewicht jedoch mit nur einem Firewire-Anschluss auskommen und bietet keinen analogen Toneingang. Zudem kann das Powerbook G4, anders als das G3, das Platz für zwei Batteriemodule bietet und einen Betrieb von rund zehn Stunden ermöglicht, nur eine Batterie beherbergen, die für etwa fünf Stunden Laufzeit sorgen soll.

Das 400-Megahertz-G4-Modell (128 MB Hauptspeicher, 10-GB-Platte) kostet knapp 7000 Mark, während der große Bruder (500 Megahertz G4, 256 MB Arbeitsspeicher, 20-GB-Platte) mit rund 9300 Mark zu Buche schlägt. Beide Modelle sind voraussichtlich Ende Januar erhältlich.

Vom allerorts prophezeiten Ende der PC-Ära will Steve Jobs trotz des Kollektivjammers der PC-Branche nichts wissen. "Wir fangen gerade erst an", verkündet der Apple-Gründer und diagnostiziert eine Evolution vom "Goldenen Zeitalter der Produktivität" über das "Internet-Age" zur kommenden Ära eines "Digital Lifestyle". Dessen Herzstück oder "Digital Hub" soll natürlich der Mac werden, der als leistungsstarker Mittler zwischen Produkten der Consumer-Elektronik wie digitalen Videokameras, MP3- und DVD-Spielern, Mobiltelefonen und Westentaschencomputern herhalten soll. Das Konzept hinter der Apple-Vision, das - im Gegensatz zu den aktuellen Hardwareneuheiten - ganz auf den Privatbereich ausgelegt ist, wirkt allerdings leicht abgegriffen. Erinnert es doch verdächtig an Craig Barretts Keynote auf der CES (Consumer Electronics Show) in Las Vegas - nur sieht der Intel-Chef natürlich den PC als Dreh- und Angelpunkt des digitalen Lebens.

Im Zuge des Neuanfangs will sich Apple, neben dem traditionellen Hardwaregeschäft, künftig stärker im Softwarebereich engagieren. So steht nun auch der Erscheinungstermin des Betriebssystems Mac OS X endlich fest: Das Unix-basierte (Mach-Kernel/BSD) OS soll am 24. März auf den Markt kommen. Ab Juli wird es dann auf allen Macintosh-Rechnern vorinstalliert ausgeliefert. Laut Apple wurden die zahlreichen Bedenken der Anwender aufgenommen. Deren Vorschläge will man beim Feinschliff von Mac OS X so weit wie möglich berücksichtigen. Demnach könnte die Benutzeroberfläche des neuen Betriebssystems dem bisherigen OS doch stärker ähneln als bisher vermutet.

Als Initialzündung für den Aufbruch in eine lukrativere Zukunft sollen zwei neue Multimedia-Applikationen dienen. Die Musiksoftware "I-Tunes" kann CDs brennen, MP3-Daten codieren und Web-Radio abspielen - alles denkbar komfortabel unter einfach gehaltener Oberfläche. Der Clou: Das Programm läuft unter dem aktuellen Mac OS, ist kostenlos und steht ab sofort zum Download bereit. Der Wermutstropfen: Populäre Brenner sollen erst nach und nach per Plug-in eingebunden werden - bislang wird nur das Superdrive aus dem 733er-G4 direkt unterstützt.

Die zweite Apple-Neuheit in Sachen Software, das DVD-Authoring-Programm "I-DVD", soll es Mac-Anwendern ermöglichen, künftig auf unkomplizierte Weise ihre ganz persönlichen DVDs (Digital Versatile Disks) zu produzieren. Die bisherigen Hürden bei der MPEG-2-Codierung - teure Hardware sowie lahme Software - hat Apple laut Jobs überwunden: Dank der Velocity-Engine des G4-Prozessors sei es gelungen, die Codierzeit für eine Minute Film von derzeit üblichen 25 Minuten Rechenzeit auf zwei Minuten zu reduzieren. I-DVD wird mit jedem Superdrive geliefert, die passenden DVD-Rohlinge bietet Apple ebenfalls - für knapp zehn Dollar pro Stück. Für Profis gibt es alternativ das "DVD Studio Pro", eine ab Ende Januar erhältliche Produktionsanwendung für knapp 2500 Mark.

Der geplante Knall zum Jahresanfang scheint gelungen: Das rund 5000-köpfige Publikum treuer Apple-Anhänger auf der Macworld Expo hat Steve Jobs zweifellos überzeugt. Genau hier liegt jedoch nach Ansicht von Analysten das Problem: " Um den enormen Lagerbestand abzubauen, muss sich Apple Zugang zu neuen Märkten verschaffen und neue Zielgruppen erschließen", meint etwa Jason Wells, Analyst der Wit Sound View Group. Trotz zahlreicher designstarker Neuvorstellungen ist es dem Unternehmen in den vergangenen drei Jahren nicht gelungen, sich über die eigene Fan-Gemeinde hinaus zu behaupten. So soll Apple in den ersten drei Quartalen des Jahres 2000 lediglich 15 Prozent seines Umsatzes über Wintel-Kunden und 28 Prozent der Einnahmen über Neukunden erzielt haben - der überwiegende Teil stammt nach wie vor aus der eingeschworenen Apple-Gemeinde.

Angesichts des allgemeinen Konjunkturrückgangs schätzen die Marktexperten der Meta Group die Chancen des Unternehmens für ein kurzfristiges Comeback eher bescheiden ein: So sei davon auszugehen, dass die Verbraucher System-Upgrades derzeit eher hinauszögern als beschleunigen. Auch die aktuelle Bereitschaft von Neukunden, in Apples eher hochpreisige, neue Hardware zu investieren, sei vermutlich gering. Demnach dürften sich die neuen Produkte auch nur bedingt dazu eignen, Kaufgelüste im Heimbereich zu verbreiten, in dem das Gros der Apple-Gefolgschaft zu Hause ist. Und über Neuigkeiten speziell für dieses Kundensegment, etwa zum populären Consumer-Rechner Imac oder auch den "I-Books" ließ Apple vorerst nichts verlauten.

Selbst mit den neuen, als Massenprodukte konzipierten Multimedia-Applikationen wird Apple nach Meinung vieler Analysten schwerlich verlorenes Terrain zurückerobern: So geben die Auguren von Gartner zu bedenken, dass das DVD-Authoring-Programm I-DVD nur auf mit dem neuen Superdrive ausgestatteten Systemen, sprich: mit dem teuren Spitzenmodell der neuen Profi-Macs, läuft. Und auch das Gratis-Musikprogramm I-Tunes erfordere ein CD-RW-Laufwerk, mit dem zunächst nur die Business-orientierten Powermacs aufwarten können.

Dass Apple die durch mehrfache Gewinnwarnungen verunsicherten Aktionäre mit den neuen Produkten wieder hinter dem Ofen vorlocken kann, ist in den Augen der Marktexperten ebenfalls zweifelhaft. Zwar legte der Kurs der Apple-Aktie nach den Ankündigungen zur Macworld Expo um etwa vier Prozent auf 17,19 Dollar zu, seit dem Höchststand im Frühjahr 2000 von 75,19 Dollar hat das Papier jedoch 77 Prozent seines Werts eingebüßt.

Apples LeidenswegEs begann im September: Völlig unerwartet gab Apple eine Gewinnwarnung für das vierte Quartal des Geschäftsjahrs 2000 heraus. Statt des erhofften Gewinns in Höhe von 165 Millionen standen nur 110 Millionen Dollar auf der Habenseite der Bilanz. Die offiziellen Gründe: Ein Umsatzeinbruch im Bildungsbereich sowie unerwartet zäher Absatz etwa beim teuren Schönling "G4-Cube". Mit Hilfe von Rabatten auf ganze Produktlinien versuchte das Unternehmen daraufhin, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen - allerdings mit geringem Erfolg. Davon zeugte eine weitere Gewinnwarnung für das Anfangsquartal des neuen Fiskaljahrs (Ende: 30. Dezember). Mit einem Umsatz von lediglich einer Milliarde Dollar wird Apple nicht nur die kurz zuvor nach unten korrigierten Ziele verfehlen - anstelle des geplanten Gewinns kündigte das Unternehmen im Dezember einen Nettoverlust zwischen 225 und 250 Millionen Dollar an. Das bedeutet erstmals seit drei Jahren wieder rote Zahlen. Apples jüngste Preissenkungen um bis zu 30 Prozent zum Jahresanfang, mit denen der auf etwa 11,5 Wochen angeschwollene Lagerbestand reduziert werden soll, deuten viele Analysten als Verzweiflungstat. Nach Ansicht von Gartner-Analyst Kevin Knox steht Apple unter enormen Druck, "das Zeug loszuwerden".