Kommentar

Apple vs. Qualcomm: Überraschender Rückzug aus Gründen

Kommentar  18.04.2019
Von 
Peter Müller ist der Ansicht, dass ein Apple täglich den Arzt erspart. Sei es iMac, Macbook, iPhone oder iPad, was anderes kommt nicht auf den Tisch oder in die Tasche. Seit 1998 beobachtet er die Szene rund um den Hersteller von hochwertigen IT-Produkten in Cupertino genau. Weil er schon so lange dabei ist, kennt er die Apple-Geschichte genau genug, um auch die Gegenwart des Mac-Herstellers kritisch und fair einordnen zu können. Ausgeschlafene Zeitgenossen kennen und schätzen seine Beiträge im Macwelt-Morgenmagazin, die die Leser werktags pünktlich um acht Uhr morgens in den nächsten Tag mit Apfel und ohne Doktor begleiten. Privat schlägt sein Herz für die Familie, den FC Bayern, sechs Saiten, Blues-Skalen und Triolen im Shuffle-Rhythmus.
Der alles entscheidende Prozess im Streit zwischen Apple und Qualcomm nimmt ein überraschendes Ende, kaum war die Jury bestimmt. Das hat aber seine Gründe weit außerhalb des Gerichtssaals.

Die Realität macht einen manchmal die schönsten Geschichten kaputt. Da hatten wir uns darauf gefreut, täglich über die neuesten Entwicklungen in einem Gerichtssaal in San Diego zu berichten und die Geschehnisse einzuordnen – schon ist der Prozess am Tag nach Auswahl der Jury beendet. Die Geschworenen waren recht interessant zusammen gesetzt, laut Bloomberg war etwa eine Frau dabei, die noch nie ein Smartphone besaß und ein ehemaliger Baseball-Profi, der nach der Karriere zum Fluglotsen wurde. Doch wäre es nun einmal die Aufgabe des Gerichts gewesen, aus den Aussagen der Experten und Firmenanwälte ein klares Verständnis der Sachlage herauszufragen, so dass auch Laien in der Lage sind, ein Urteil zu fällen. Hat Apple die Patente des Beklagten verletzt und wenn ja, wie sehr hat Qualcomm dies geschadet? Und, viel wichtiger: Hat Qualcomm unfair seine Marktposition ausgenutzt, um Modems nicht nur zu teuer zu verkaufen, sondern mittels Lizenzen auch am restlichen Gerät mit zu verdienen?

Apple und Qualcomm haben sich außergerichtlich geeinigt.
Apple und Qualcomm haben sich außergerichtlich geeinigt.
Foto: Billion Photos - shutterstock.com

Die Antwort bleibt aus, ein gerichtsfestes Urteil in der Sache wird es nicht geben. Viele Beobachter sahen Apple im Vorteil, obwohl Qualcomm auf einem Nebenschauplatz ein Verkaufsverbot gegen ältere iPhone-Modelle durchsetzen konnte – basierend auf Patenten, die anderswo für ungültig erklärt worden waren. Dennoch zieht Apple zurück, zahlt Qualcomm einen ausstehenden Betrag – das Unternehmen aus San Jose hatte eine Milliarde US-Dollar gefordert – und sichert für sechs Jahre zu, Funk-Modems aus Südkalifornien zu beziehen und brav Lizenzen zu bezahlen. Wahrscheinlich zähneknirschend, denn die zerstrittenen CEOs Tim Cook (Apple) und Steve Mollenkopf (Qualcomm) sind gewiss nicht über Nacht Freunde geworden.

Apple bliebt wenig anderes übrig, als wieder auf Qualcomms Chips zurück zu greifen. In den letzten Jahren hatte man immer häufiger Funk-Modems von Intel eingebaut, zuletzt exklusiv. Dennoch kam man an Patenten von Qualcomm nicht vorbei, daher der Versuch, diese für ungültig erklären zu lassen oder sie per Software zu umgehen. Nun aber gibt Intel seine Bestrebungen auf, Funk-Modems für den neuen 5G-Standard zu entwickeln. Apple hätte sich allenfalls noch an Huawei wenden können, an einen direkten Konkurrenten im Smartphone-Geschäft. Keine gute Idee.

Ein Ausweg bleibt Apple noch, den zu beschreiten, wird aber eine Weile dauern. Bereits für andere Komponenten wie Grafikchips oder Infrarotsensoren hat Apple mit Firmenübernahmen die Technologie ins eigene Haus geholt, die Entwicklung der CPU ist schon längst in Cupertino lokalisiert. Warum also nicht Intels Technologie übernehmen, wenn der Hersteller selbst kein Interesse mehr daran hegt? Apple wird einen derartigen Schritt sicher genau prüfen, doch darf man davon ausgehen, dass Intels Vorarbeit noch Jahre von der Serienreife entfernt ist. Womöglich wird man aber gegen 2025 Apple-Modems für 5G sehen – zu einer Zeit, zu der vermutlich bereits die nächste Generation spezifiziert sein wird. (Macwelt)