Technologiekonzentration auf Next-Software

Apple verabschiedet sich von 4100 Mitarbeitern

21.03.1997

Die insgesamt 4100 blauen Briefe, die Apple in den kommenden Wochen verschicken wird, entsprechen knapp einem Drittel der weltweit 13400 Mitarbeiter, davon sind 2500 Teilzeitarbeiter.

Entgegen bisherigen Hoffnungen, auf dem Alten Kontinent würde die Belegschaft von der Entlassungswelle verschont, mußte Europa-President Jan Gesmar-Larsen jetzt bekanntgeben, daß rund 35 Prozent der etwa 1000 Mitarbeiter zählenden Mannschaft ihre Arbeit verlieren werden.

Entlassungen negativ für Apples Zukunft

Gesmar-Larsen befürchtet, daß die massiven Entlassungen sich negativ auf Apples Entwicklung auswirken könnten - eine Feststellung, die auch für das gesamte Unternehmen gelten dürfte, weil mit dem personellen Aderlaß im Unternehmen auch dessen Talente-Pool ausbluten könnte.

Neben Mitarbeitern trennt sich das Unternehmen auch von verschiedenen, nicht als strategisch bedeutungsvoll eingestuften Technologien. Da Apple sich vollständig auf die Zusammenführung des Macintosh- mit dem Nextstep-basierten Rhapsody-Betriebssystem konzentriert, geben die Kalifornier die weitere Entwicklung des Unix-Derivats AIX als Server-System nach dem letzten Update Version 4.1.5 auf.

Auch die Videokonferenz-Software "Quicktime Conferencing" läßt Apple fallen. Sie sei, sagte Apple-Sprecherin Theresa Wermelskirchen, nie ein strategisches Produkt gewesen.

"Quickdraw GX" schreibt Apple zugunsten "klassischer Druckertreiber" im Mac-OS ab. "Display Postscript", so Wermelskirchen, biete die gleiche Funktionalität.

Ähnlich verfährt Apple mit Mac-OS-Werkzeugen. Die heute verfügbaren seien stabil, zudem werde der Markt von einigen exzellenten Drittanbietern beliefert. Man werde sich, so Apple, künftig auf Tools für Rhapsody konzentrieren.

"Opendoc" und "Cyberdog" fallen der Fokussierung auf Java-basierte Entwicklungen zum Opfer. Cyberdog ist eine Opendoc-basierte Browser-Software. Bei Opendoc handelt es sich um eine objektorientierte, plattformübergreifende Komponentensoftware-Architektur. Große Fürsprecher dieses Konzepts modular aufgebauter Programme für die Macintosh-, Windows/Windows-NT-, OS/2- und AIX-Betriebssystem-Umgebungen waren bislang insbesondere Apple und IBM sowie Firmen wie Adobe, Lotus und Oracle. Auch die Object Management Group unterstützte Opendoc, das als bessere Alternative zu OLE galt. Mittlerweile gibt auch Big Blue Opendoc auf (siehe Seite 1).

Zukunft von Newton ist noch unklar

Apple wird Opendoc zudem nicht auf die Openstep-APIs portieren, die Teil des Rhapsody-Betriebssystems sind (Stichwort "Yellow Box"). Opendoc und Cyberdog werden letztmalig mit der für Juli 1997 erwarteten Mac-OS-Version 8.0 (Codename: "Tempo") ausgeliefert.

Wie mit Opendoc hält es Apple auch mit "Open Transport" und mit den "Games-Sprockets"-APIs. Beide werden zwar noch im Mac-OS, nicht aber von Openstep in Rhapsody unterstützt.

Apple verschlankt außerdem die Auslieferungszyklen des Mac-OS-Systems. Anstatt 1998 die Versionen "Allegro" und "Sonata" im Halbjahresrhythmus auf den Markt zu bringen, wird auf die für Juli 1997 avisierte Version 8.0 nur ein Mac-OS-Release folgen, die "Allegro"-Version. Pro Jahr will Apple dann eine neue Variante nachschieben.

Nach wie vor ungewiß ist das Schicksal der Newton-Division. Zwar stellte Apple auf der CeBIT '97 neue Handheld-Produkte ("Messagepad 2000" und "Emate 300") vor, zudem schrieb das Apfel-Unternehmen in seiner offiziellen Erklärung, die Newton-Organisation bleibe intakt. Apple hat aber auch bestätigt, man denke über einen Verkauf der Newton-Technologie nach. Ein eigenes "Pippin"-Produkt wird es darüber hinaus von Apple nicht geben. Allerdings arbeite man auch künftig mit Lizenznehmern der Pippin-Technologie zusammen.

Den Markennamen "Performa" für die Einstiegsrechnerlinie läßt Apple fallen. Neue preiswerte Modelle werden in Zukunft genauso wie ihre großen Brüder unter der Bezeichnung "Power Macintosh" laufen. Alle Maschinen arbeiten mit der Power-PC-CPU.

Während die jetzt verkündete Produktausrichtung eine klare Handschrift erkennen läßt und Anwender wie Entwickler gleichermaßen erfreuen dürfte, stimmen die aktuellen Wirtschaftszahlen sehr viel weniger positiv: Eigenen Angaben zufolge muß das Unternehmen für die anstehenden Entlassungen rund 155 Millionen Dollar an Abfindungen aufbringen. Hinzu kommen 325 Millionen Dollar für die Akquisition der Next Software Inc. sowie Verluste aus dem laufenden Geschäft, die das Ergebnis des am 31. März 1997 ablaufenden zweiten Geschäftsquartals belasten werden.

Für diesen Zeitraum hatte Apple auf einen Umsatz von etwa zwei Milliarden Dollar gehofft. De facto werden die Kalifornier nach eigenen Schätzungen von Januar bis März 1997 aber lediglich 1,6 bis 1,7 Milliarden Dollar erwirtschaften - rund 25 Prozent weniger als zwölf Monate zuvor und bereits zum fünften Mal in Folge eine zweistellige prozentuale Verringerung des Umsatzes gegenüber dem Vorjahr.