Kolumne

Apple-User im Boot Camp

11.04.2006

Ein Boot Camp ist hart. Dazu sagt zum Beispiel die Wikipedia: "Bootcamp bezeichnet im Englischen ein Trainingslager für Rekruten, die dort eine Grundausbildung erhalten. [...] Die Bedeutung des englischen to boot (jemandem einen Fußtritt geben) kann auch auf die meist erniedrigende Behandlung in einem solchen Lager bezogen werden. In neuer Zeit (seit ca. 1990) ist der Begriff als Bezeichnung für ein Lager zur Besserung und Rehabilitation von Straftätern bekannt geworden, insbesondere im Zusammenhang mit straffällig gewordenen Jugendlichen. [...] Die Philosophie dieser Camps ähnelt der der Marines: Willen brechen, um ihn später wieder aufzubauen. Dazu gehören seelische Grausamkeiten, Erniedrigung und Sport, welche die Insassen an die Grenze ihrer Belastbarkeit führen."

In ein solches Boot Camp schickt jetzt auch Apple seine treue Nutzergemeinde - siehe Seite 5. Und die ist derartige Grausamkeiten gar nicht gewohnt. Erst kommt die Ankündigung, die ach-so-überlegenen Power-PC-Chips - wer erinnert sich nicht an Phil Schillers Photoshop-Demos im Kampf gegen Wintel - gegen Allerwelts-Prozessoren von Intel auszuwechseln. Und jetzt auch noch Windows auf dem Mac? Lässt Apple sein elitäres Publikum im Stich und beugt sich um des schnöden Mammons willen dem Mainstream?

Alles halb so wild, und sowieso wird nichts so heiß gegessen, wie es an der Nasdaq dieser Tage gekocht wird. Boot Camp ist ein schlichter, wenn auch Apple-typisch schön gemachter Boot-Manager. Mac OS X bleibt aber das bessere und optisch ansprechendere Betriebssystem. Apples Hardware ist und bleibt die schönste, das gestehen PC-Nutzer eigentlich immer neidvoll ein. "Superior", wie Phil Schiller in der Boot-Camp-Pressemitteilung sagte, also überlegen, ist sie aber nicht. Vielleicht im Zusammenspiel mit Apples übriger Hard- und Software. Sie ist zudem immer noch etwas teurer als leistungsgleiche PC-Pendants.

Und auch wenn es vom angefeindeten Rivalen Microsoft kommt - Windows XP ist gleichfalls ein gutes Betriebssystem, und Vista wird ein noch besseres (10.5 "Leopard" natürlich ebenso). Deswegen dürfen sich Mac-User freuen, dass sie - wenn es denn unbedingt sein muss - Windows jetzt auch mal nativ auf dem Mac starten können, sollte irgendeine Anwendung wieder mal nicht für die Apple-Plattform verfügbar ist. Sie müssen nicht mehr vor dem langsamen Virtual PC Däumchen drehen. Danach kehren sie gewiss schleunigst und gar nicht reumütig zu ihrem OS X zurück. Niemand wird sich ein edles MacBook Pro kaufen, nur um darauf Windows einzusetzen. Lassen wir also die Kirche im Dorf.