Apple iPad – Stärken und Schwächen im Alltag

14.06.2010
Von 
Christian Vilsbeck war viele Jahre lang als Senior Editor bei TecChannel tätig. Der Dipl.-Ing. (FH) der Elektrotechnik, Fachrichtung Mikroelektronik, blickt auf langjährige Erfahrungen im Umgang mit Mikroprozessoren zurück.
Apples iPad sorgt für Aufsehen und polarisiert. Wir haben den Tablet-Rechner ausgiebig auf Bedienkomfort und Funktionalität getestet.

Man muss Apple attestieren, mit dem iPad ein Gerät kreiert zu haben, dass die "Hemmschwelle" des schnellen Nachschauens im Internet extrem reduziert. Ein Netbook oder Notebook lässt sich natürlich auch schnell aufklappen, aber es fehlt einfach das Gefühl der Unkompliziertheit. Der Sinn des iPad ist damit schnell gefunden: bequem und ohne Mühe stets das Internet und Kommunikation "griffbereit" haben. Einschränkungen gibt es natürlich auch, teilweise lassen sie sich umgehen, andere müssen in Kauf genommen werden.

Hauptsache Haltung bewahren!

Eine davon ist die richtige Haltung: Wer ergonomisch korrekt auf seinem Stuhl sitzt und das iPad frei in Händen hält, fühlt sich relativ schnell angestrengt. Denn das getestete iPad (16 GByte / WiFi) mit seinem Gewicht von 694 Gramm liegt schwer in den Händen. Noch anstrengender ist schon nach wenigen Minuten das einhändige Halten des iPads. Das Tablet wird hier nur durch den Druck des Daumens auf den knapp zwei Zentimeter breiten Rand fixiert. Auf diesem Rand sollte der Daumen oder generell die Finger beim Halten auch verweilen. Denn wird der Touchscreen auch nur leicht berührt, so sind mit der anderen Hand keine Kommandos mehr möglich.

Besser ist, das iPad beim Sitzen auf den abgewinkelten Beinen oder auf einem darauf platzierten Polster ruhen zu lassen. Auch liegend auf dem Sofa oder im Bett findet der iPad-Nutzer meist wie beim Buch eine gute Stellung, um es mühelos mit der Hand bedienen zu können.

Gerade wer liegend oder in schräger Stellung sein iPhone oder ein anderes Smartphone mit Touchscreen nutzt, kennt das Problem eines sich unerwünscht drehenden Displays. Beim iPad gibt es für diesen Fall einen Sperrknopf für die Display-Position an der rechten oberen Gehäuseseite. Beim Schieben des Schalters bleibt das gerade angezeigte Format unabhängig von der iPad-Stellung bestehen.

Natürlich lässt sich das iPad zum Musik-hören verwenden. Videos lassen sich ebenfalls mit guter Qualität anschauen. Beim Surfen befindet sich das iPad jedoch in seinem Metier. Die Bedienung des Safari-Browsers lässt beim Navigieren auf Web-Seiten wenige Wünsche offen. Links werden beim Antippen mit den Fingern meist auf Anhieb getroffen. Das Zoomen durch die sich auseinanderbewegenden Finger funktioniert tadellos und fast verzögerungsfrei.

Surfgefühl mit Safari

Die Bedienung ist identisch zum mobilen Safari-Browser des iPhones und iPod touch. Scrollen per Fingerwisch und die Navigation funktionierten beim Sitzen und Liegen sehr unangestrengt. Durch diesen wichtigen Punkt lernt man das iPad sehr schnell zu schätzen. Hier kann eben kein Netbook oder Notebook mithalten. Die hohe mögliche Scroll-Geschwindigkeit ohne Ruckeln steigert das unangestrengte "Surfgefühl" auf dem iPad zusätzlich. Beim iPad steht einem durch die Display-Auflösung von 1024 mal 768 Bildpunkten und eine Diagonale von 9,7 Zoll eine vernünftige Größe für die Darstellung von Websites zur Verfügung. Auf das Zoomen lässt sich so überwiegend verzichten. In vielen Fällen dreht man das iPad auch in das Hochformat, weil Websites die 1024er Breite oft nicht ausnutzen. Das Display-Verhältnis von 4:3 prädestiniert das iPad auch primär als Surfstation, für Videos wäre Breitbild vorteilhafter.

Erfreulicherweise hat Apple bei der Safari-Version des iPads keine Erkennung als mobilen Browser verwendet. Websites mit spezieller Mobile-Variante starten diese somit nicht automatisch. Speziell für kleine Smartphone-Displays aufbereitete Web-Inhalte sind beim iPad überflüssig.

Praktische Lesezeichenleiste

Bookmarks lassen sich via iTunes von Safari oder Internet Explorer auf das iPad importieren. Auf dem iPad kann dann noch eine individuelle Anpassung erfolgen. Die Bookmarks werden durch Antippen des Lesezeichensymbols eingeblendet. Noch praktischer ist die Lesezeichenleiste, die unter Safari im Bereich Optionen aktiviert werden kann. Durch die Lesezeichenleiste gibt es sofortigen Zugriff auf wichtige Bookmarks mit einem Klick. Wie bereits auf dem iPhone/iPod touch lassen sich auf beim iPad-Safari mehrere Tabs im Browser öffnen. Maximal lässt der Browser neun parallel geöffnete Tabs zu.

Als großer Kritikpunkt wird beim iPad stets die fehlende Unterstützung von Websites mit Flash-Inhalten genannt. Zweifelsohne trübt der nicht vorhandene Flash-Support das Surfvergnügen auf den entsprechenden Internet-Seiten.

Rudimentärer Java-Support

Weitere funktionale Einschränkungen gibt es beim Browsen mit dem iPad bei Websites mit Java-Inhalten. Zwar bietet Safari rudimentären Java-Support, jedoch ist der Bedienkomfort oft limitiert. So fehlen bei einigen Seiten wie "Lotus Webmail iNotes" im Browser die Scroll-Balken. Nur die angezeigten Mails sind sichtbar, ein Scrollen nach unten zum weiteren Inhalt ist nicht möglich. Auch das Öffnen der E-Mails funktioniert nicht, wenn hierfür ein Doppelklick erforderlich ist. Ein doppeltes Tippen mit dem Finger sorgt bei der iPad-Version von Safari aber für ein Zoomen des gewählten Content-Blocks. Websites, die zum Ausführen von Aktionen Doppelklicks erfordern, sind somit mit dem iPad-Browser nur eingeschränkt nutzbar.

Ein weiteres Defizit beim Surfen mit Safari wird bei Internet-Seiten ersichtlich, bei denen Fotos oder Videos hochgeladen werden können. Wer somit beispielsweise bei Facebook Fotos aus der iPad-Bibliothek auswählen will, wird enttäuscht. Ein Zugriff auf das Filesystem oder die auf dem iPad gespeicherten Bilder ist nicht möglich. Der Button "Datei auswählen" ist deaktiviert.

Die Darstellung von Videos auf Web-Seiten erfolgt bei Youtube-Videos problemlos innerhalb der Seite. Alternativ lässt sich beim Klick auf das Video auch die Vollbilddarstellung in der iPad-eigenen Youtube-Integration darstellen. Flash-basierende Video-Player kann Safari logischerweise nicht verwenden. In Websites integrierte und auf Java basierende Video-Player sind für den Safari-Browser ebenfalls ungeeignet. Videos, die via Quicktime in die Internet-Seite eingebunden sind, spielt Safari dagegen ab.

Die beschriebenen Einschränkungen beim Surfen auf dem iPad lassen sich leicht umgehen, wenn zu Hause oder in der Firma ein Rechner mit Internet-Anbindung läuft. Per Remote-Verbindung kann der Windows-, Linux- oder Mac-OS-Desktop problemlos auf dem iPad dargestellt werden. Natürlich ist dann der Bedienkomfort des iPads nicht mehr gegeben, aber es funktioniert als Notbehelf.

Flash via Remote-Zugriff

Durch die Auflösung von 1024 mal 768 Bildpunkten eignet sich das iPad sehr gut, um formatfüllend – wie in unserem Beispiel – Windows 7 darzustellen. Jetzt stehen auf dem iPad alle Funktionen des PC zur Verfügung. Über den Browser im PC lassen sich nun auch Flash-basierende Internet-Seiten darstellen.

Für die Remote-Steuerung wird auf dem iPad eine entsprechende App benötigt. Kostenlos zur Verfügung steht beispielsweise "Remote Desktop Lite". Auf dem Windows-Rechner muss in der Systemsteuerung nur der Remote-Zugriff freigegeben werden, ein zusätzliches Tool ist nicht notwendig.

Ist alles eingerichtet, so genügt ein Fingerdruck zum Anzeigen des Windows-Desktops. Windows wird automatisch auf die 1024er Auflösung – optimiert für das iPad – umgeschaltet. Die Bedienung der Programme erfolgt wie gewohnt vom iPad per Touchscreen. Schreiben lässt sich ebenfalls über die virtuelle Tastatur des iPads, die jederzeit über einen speziellen Knopf auf dem Bildschirm eingeblendet werden kann.

Eine nochmals komfortablere Handhabung bietet "TeamViewer", besonders wenn eine Verbindung zu Rechnern im Firmennetz hergestellt werden soll. Hier wird dann keine zusätzliche VPN-Verbindung benötigt. Bisher gibt es die App aber nur für das iPhone/iPod touch mit entsprechend kleinem Bildschirm. Eine angepasste Version für das iPad lässt sich aber abwarten.

Die Integration von E-Mail-Accounts funktioniert unverändert wie beim iPhone und iPod touch. Die gängigsten Accounts wie Google Mail, Hotmail oder Yahoo lassen sich durch simple Eingabe der E-Mail-Adresse und des Passworts einbinden. Exchange-Unterstützung ist im iPad-OS 3.2 ebenfalls vorhanden.

Brauchbarer E-Mail-Client

Entscheidender als die bekannte E-Mail-Integration, ist die Darstellung im E-Mail-Client des iPads sowie das Schreibgefühl mit der virtuellen Tastatur. Bei der Darstellung wird zwischen dem Hoch- und Querformat des iPads unterschieden. Im Hochformat werden alles E-Mails des gerade ausgewählten Accounts durch eine einblendbare Leiste angezeigt. Beim Tippen auf eine E-Mail verschwindet die Leiste, und der Inhalt ist zu sehen.

Wird das iPad im Querformat gehalten, so werden in einer Spalte links die E-Mails des gewählten Accounts dargestellt. Dabei lässt sich in den Einstellungen des iPads beim Punkt "Mail, Kontakte, Kalender" konfigurieren, ob nur der Adressat und Betreff oder zusätzlich eine ein- bis fünfzeilige Inhaltsvorschau angezeigt wird. Das Scrollen innerhalb der E-Mail-Leiste erfolgt sehr schnell und flüssig. Maximal zeigt das iPad die letzten 200 E-Mails an (einstellbar). Zwei Drittel des Bildschirms nimmt im Querformat das Fenster mit dem Inhalt der E-Mail ein.

Schwierige Texteingabe

Das Lesen der E-Mails funktioniert im iPad-Client erwartungsgemäß sehr bequem und einfach. Das Schreiben von E-Mails sowie generell Tastatureingaben werden über die virtuelle Tastatur erledigt. Die Tastatur wird automatisch eingeblendet, sobald man mit den Finger in ein editierbares Feld tippt. Im Querformat geht die Tastatur über die komplette Bildschirmbreite und nimmt ein gutes Drittel der Display-Höhe ein. Nach Empfinden des Autors lässt sich damit schnell und präzise schreiben, wenn das Ganze mit zwei bis vier Fingern erfolgt. Ein Zehnfingersystem funktioniert weniger gut, weil die Finger nicht auf der Tastatur ruhen können und das Layout darauf nicht optimiert ist. Es ist somit schwierig, alle Finger über den anvisierten Tasten im Schwebezustand ruhen zu lassen. Mit zwei bis vier Fingern (am besten Zeige- und Mittelfinger) und ständigem Blickkontakt auf die Tasten geht das Schreiben nach einiger Übung sehr flott vonstatten.

Im Hochformat belegt die Tastatur ungefähr das untere Viertel des Bildschirms. Durch die reduzierte Tastengröße geht man jetzt primär zum Zweifingertippsystem über. Tippgeschwindigkeit und Treffsicherheit nehmen gegenüber dem Querformat allerdings merklich ab. Zum Texteschreiben ist das Querformat deutlich besser geeignet. Mit einer rechts unten im Keyboard-Layout platzierten Taste lässt sich die virtuelle Tastatur jederzeit auf Wunsch auch ausblenden.

Auf dem iPad lässt sich problemlos die Skype-App für das iPhone/iPod touch installieren. Eine angepasste Version für das iPad gibt es noch nicht. Allerdings genügt für die Telefoniefunktion auch das für iPhone/iPod touch optimierte Bildschirmformat. Video telefonie ist durch das Fehlen einer integrierten Webcam mit dem iPad leider nicht möglich.

Die Sprache per Skype ist im Test auf dem iPad klar und gut verständlich. Der integrierte Lautsprecher an der Unterseite des iPads (im Hochformat gehalten) lässt sich genügend laut für verständliches Freisprechen einstellen. Das an der Oberseite platzierte Mikrofon sollte in die eigene Richtung zeigen und nicht weg von einem, sonst hört einem der Gesprächspartner zu leise. Alternativ lässt sich ein Kopfhörer mit integriertem Mikrofon für das Telefonieren mit Skype verwenden.

Störende Einschränkungen

Der fehlende Flash-Support und die eingeschränkte Java-Funktionalität im Safari-Browser wurden bereits erwähnt. Weitere Kritikpunkte sind ein fehlender Slot für SD-Karten oder ein USB-Slot. Allerdings stellen sich die fehlenden Einschübe im alltäglichen Gebrauch als nicht störend heraus. Nur wer das iPad auf Reisen mitnehmen will, vermisst die Möglichkeit, Kamerabilder direkt darauf zu sichern. Der SD-Karteneinschub fehlt aber wohl nur, damit Apple das iPad Camera Connection Kit als Zubehör verkaufen kann.

Als viel störender im primären Einsatzgebiet stellt sich die nicht mögliche Synchronisation mit iTunes per WLAN heraus. Um Musik, Apps, Videos oder Bilder zu synchronisieren, muss das iPad zwingend an den USB-Connector angeschlossen werden. Dies passt nicht zum komfortablen Bedienkonzept.

Wenig gefällt auch die lange Ladezeit. Der fest verbaute Lithium-Polymer-Akku mit 25 Wh benötigt für einen vollen Ladezyklus über das mitgelieferte 10-Watt-Netzteil zirka sieben Stunden, wie unser Test ergeben hat. Der Ladevorgang an Standard-USB-Ports funktioniert nicht, da der damit mögliche Ladestrom von 500 mA nicht ausreicht. Wer dagegen einen Rechner mit High-Power-USB-Port besitzt, der bis zu 1100 mA Strom liefert, kann das iPad über den USB-Connector laden.

Für den Gebrauch im Freien bei Sonnenschein eignet sich das iPad nur bedingt. Der Touchscreen spiegelt zu sehr und erschwert dann die Lesbarkeit der Inhalte. Wer das iPad häufig als Lesegerät für E-Books verwenden will, ist mit Amazons Kindle beispielsweise deutlich augenfreundlicher bedient. Auch bei heller Beleuchtung in Räumen ist der Spiegeleffekt sehr ausgeprägt.

Was sich im Herbst mit dem iOS 4 erledigen sollte, ist das fehlende Multitasking des iPads. Wirklich störend war es bei den üblichen Anwendungen auf dem Tablet allerdings nicht.

Fazit

Apple selbst spricht von einem "magischen und revolutionären Gerät". Diese Aussage ist natürlich übertrieben, allerdings fasziniert das iPad durchaus. So bequem und einfach lässt es sich zu Hause mit kaum einen anderem Gerät im Internet surfen oder E-Mails lesen. Und genau dafür ist das iPad prädestiniert. Der Bedienkomfort ist sehr gut, die "Hemmschwelle" des schnellen Nachschauens im Internet fällt einfach weg – hier kann kein Notebook, Netbook oder Smartphone mithalten.

Über Remote Control eignet sich das iPad via entsprechende Apps zudem gut für die Steuerung des eigenen PC oder Firmenrechners. Mit einer Laufzeit von bis zu 10 Stunden beim Surfen im Internet muss man sich auch keine Gedanken machen, ob der Akku den ganzen Tag über ausreicht. Der Ladevorgang sollte allerdings über Nacht erfolgen, zirka sieben Stunden sind ganz schön lange. In hellen und beleuchteten Räumen oder im Freien stört auch die starke Spiegelung des iPad-Displays.

Für das iPad genügt übrigens WLAN vollkommen, auf 3G lässt sich gut verzichten. Denn das Gerät wird das Zuhause in den seltensten Fällen verlassen. Wer produktiv unterwegs arbeiten will, benötigt sowieso weiterhin sein Notebook. Und ein Internet-fähiges Smartphone reicht für kurze Recherche auf Reisen ebenfalls. Das iPad zusätzlich in der Aktentasche mitzuschleppen, dafür ist es einfach zu schwer und groß. Insofern löst das iPad auch kein vorhandenes Gerät ab. Es schafft sich tatsächlich seine eigene Daseinsberechtigung als ideales Couch-Device.