Nebel lösen sich langsam auf

Apple hofft auf die Langmut seiner Anwender

17.01.1997

Sowohl das Mac-OS samt dessen zwischen Juli 1997 und Juli 1998 anstehenden Upgrades "Tempo", "Allegro" und "Sonata" (siehe Grafik) als auch das neue Betriebssystem "Rhapsody" werden laut Apple für die Power-PC-Plattform optimiert sein. Rhapsody soll, so die offizielle Stellungnahme von Apple, alle Power-PC-basierten Rechner unterstützen, die aktuell entweder von Apple selbst oder von dessen Lizenznehmern ausgeliefert werden.

Außerdem wird das neue Betriebssystem - so zumindest die "Erwartung" beim Mac-Hersteller - alle künftigen Maschinen unterstützen, die auf der Basis der gemeinsam von IBM, Apple und Motorola verabschiedeten Hardware-Referenzarchitektur, der sogenannten Power-PC-Plattform (früher Common Hardware Reference Platform = CHRP), aufsetzen. Darüber hinaus planen die Kalifornier, auch weiterhin Next-Softwareprodukte für andere Hardware-Umgebungen wie für Intels Pentium-Prozessoren und die Sparc-Chips von Sun Microsystems zu verkaufen und mit Dienstleistungen zu unterstützen.

Die erste Version von Rhap- sody soll Mitte bis Ende dieses Jahres unter der Bezeichnung "Rhapsody Developer Release" vorgestellt werden. Dieses wird auf der Openstep-Umgebung von Next basieren und ist nur für Entwickler gedacht. Es kann nach den vorliegenden Informationen keine jetzt gängigen Mac-Applikationen bedienen. Rhapsody Developer ist ausschließlich dazu gedacht, eine Entwicklungsplattform für künftige Anwendungen zur Verfügung zu stellen, in die das objektorientierte "Openstep API" von Next sowie Komponentensoftware-Entwicklungswerkzeuge integriert sind.

Das Rhapsody Developer Release wird Herstellerangaben zufolge preemptives Multitasking und Protective-Mode-Funktionen beinhalten. Auch der Kernel soll aufgefrischt werden. Ein weiteres Charakteristikum ist die Unterstützung von Symmetrisches-Multiprocessing-(SMP-)Architekturen. Hier gilt allerdings die Einschränkung, daß diese SMP-Implementierung nicht in mittlerweile üblicher Weise allen Prozessoren gleiche Rechte einräumt. Vielmehr handelt es sich bei der Next-Variante um eine Master-Slave-Konfiguration, bei der ein Prozessor die Aufgabenverteilung für die restlichen CPUs vornimmt.

Anwender können - sofern der Zeitplan eingehalten wird - erstmals in rund zwölf Monaten mit den Produkten der neuen Betriebssystem-Generation arbeiten.

Die Gretchenfrage, ob gängige Mac-Applikationen auf dieser Version laufen werden, beantwortet Apple heute mit einem überzeugten Ja, aber.

Um diese Rückwärtskompatibilität nämlich zu garantieren, wird Apple in Rhapsody Premier und folgende Versionen eine sogenannte Mac-OS-Kompatibilitätsumgebung beziehungsweise Kompatibilitätsbox integrieren. In diesem auch als "Blue Box" bezeichneten Fenster sollen bei dem Rhapsody-Premier-Release eine "begrenzte Zahl" von Macintosh-Anwendungen ablaufen können. Ausgenommen sind vor allem Programme, die direkt auf die unterliegende Hardware zugreifen. Probleme könnten etwa mit Scannern sowie Audio- und Videokomponenten auftreten. Erst die für Mitte 1998 avisierte Version "Rhapsody Unified" soll eine komplette Mac-OS-Kompatibilität garantieren.

Kompatibilität ohne Emulation

Systemerweiterungen (Inits) mit einer direkten Schnittstelle zur Hardware werden in der Mac-Kompatibilitätsbox nicht laufen. Kontrollpanele (CDEVs) beispielsweise, die Init-Anteile aufweisen, fallen in diese Kategorie von Systemerweiterungen.

Softwaretreiber, die direkt auf Hardware zugreifen, funktionieren in der Kompatibilitätsbox nicht. File-System-Manager- und Foreign-File-Access-Module wie etwa "PC Exchange" oder CD-ROM-Support werden, je nach ihrer Implementierung, "möglicherweise" auch weiterhin funktionieren.

Apple gibt an, die Applikationen in der Blue Box würden nicht auf einem Emulator aufsetzen. Die Mac-OS-Kompatibilitätsumgebung basiere komplett auf dem Quellcode und auf dem ROM-Image des Macintosh-Betriebssystems, das in der Blue Box im nativen Modus laufe. Das bedeutet auch, daß sowohl Software, die für die Power-PC-Plattform geschrieben wurde, als auch solche für die betagte 680x0-Motorola-Umgebung unterstützt werde.

Die Kompatibilitätsbox wird als Openstep-Prozeß implementiert, der vom Microkernel des Betriebssystems verwaltet wird. Da jeder Openstep-Prozeß komplett speichergeschützt abläuft, werden auch Applikationen in der Mac-OS-Box vor abstürzenden Openstep-Applikationen sicher sein, die laut Apple ihrerseits vor havarierender Mac-OS-Software geschützt sind. In der Blue Box sollen auch Technologien wie "Quickdraw", "Quicktime", Opendoc" etc. genutzt werden können.

Mac-OS-Applikationen werden mit Openstep-Anwendungen via Apple-Events kommunizieren. "Copy"- und "Paste"-Operationen zwischen beiden Welten werden unterstützt, "Drag"- und "Drop"-Aktionen hingegen nicht.

Eine gute Nachricht gibt es für alle bisherigen Apple-Anwender: Die Benutzer-Schnittstelle des neuen Next-basierten Betriebssystems will Apple nach dem Motto "Soviel Mac wie möglich" überarbeiten, weil man glaubt, daß die Mac-Oberfläche auch im Vergleich zur Next-OS-Schnittstelle besser ist.