Lager- und Stücklistenprogramm auf klassischem Personal Computer:

Apple führte Vater und Sohn in Versuchung

15.02.1980

BAD NAUHEIM (bi) - Den amerikanischen Weg zur höchst ernsten Anwendung eines Personal-Computers gingen Johann Dietrich Mentzer, Inhaber der Mentzer Elektronik KG in Bad Nauheim, und sein "bastelnder" Sohn Sven, der noch die Schulbank drückt. Der eine schaffte an, der andere programmierte. Ein Apple II sollte die Materialverwaltung und Auftragsbearbeitung des Kleinbetriebes übernehmen. Heute steht die Software, wie Vater Mentzer glaubhaft versichert, und sie steht auch anderen zur Verfügung, die es ihm tun wollen.

Die Mentzer Electronik KG ist ein reiner Fertigungsbetrieb ohne Entwicklung und Forschung. Beschäftigt sind dort 15 angelernte produktive Arbeitskräfte, ein Betriebsassistent für Fertigungsüberwachung und Kontrolle sowie eine Sekretärin. Der Jahresumsatz betrug 1979 1,8 Millionen Mark. Buchhaltung und Lohnbuchhaltung werden über das Büro des Steuerberaters durch das Rhein-Main-Rechenzentrum ausgeführt. Einkaufsabteilung, Lagerverwaltung und Arbeitsvorbereitung sind nicht vorhanden.

Die Fertigungspalette umfaßt zirka 50 verschiedene elektronische Geräte, vorwiegend für Batterieladung und Gleichstrom-Motorsteuerung mit durchschnittlich je 60 Einzelteilen.

Ein Baugruppenprogramm für Notstromversorgungsanlagen bestehend aus 150 verschiedenen Baugruppen mit durchschnittlich zehn verschiedenen Einzelteilen. Die Baugruppen können beliebig zu Anlagen kombiniert werden. Für alle Geräte und Baugruppen bestehen Stücklisten, die auch die Fertigungszeiten enthalten. Alle Geräte werden nach Kundenunterlagen oder Kundenangaben gefertigt. Ein Kunde hält etwa 60 Prozent Umsatzanteil. Gefertigt wird in Serien von fünf bis 1000 Stuck oder in Einzelausführung.

Bis auf wenige Ausnahmen werden alle Einzelteile eingekauft. Für Jahresaufträge werden ebenfalls Abrufbestellungen erteilt. Für Baugruppenaufträge sind Mindestlagerbestände festgelegt. Zirka 1000 Einzelteile sind in 40 Gruppen gegliedert und werden in einem zentralen Lager, das für jeden zugängig ist, aufbewahrt.

Zweck des Einsatzes

Zweck des Einsatzes des Apple II sollte sein: die Lagerbestandsüberwachung, Materialbeschaffung, Kalkulation, Stücklistenerstellung, das Ermitteln der Kapazitätsauslastung und die Erfolgsrechnung.

Lagerbestandsüberwachung

Ohne zusätzlichen Personaleinsatz soll der Lagerbestand unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge erfaßt werden. Der Lagerwert muß jederzeit schnell zu ermitteln sein.

Materialbeschaffung

Fehlende Einzelteile führen in der Serien- und auch in der Einzelfertigung zu Stockungen und verursachen unnötige Kosten. Die Fertigung darf erst freigegeben werden, wenn alle Einzelteile in voller Stückzahl vorhanden sind.

Wegen einer sehr geringen Eigenkapitaldecke soll der Lagerbestand möglichst niedrig gehalten werden.

Kalkulation

Für Angebote und zum Zwecke der Nachkalkulation ist es erforderlich, den genauen Materialwert zu ermitteln.

Stücklistenerstellung

Aus dem Baugruppenprogramm werden Geräte in Einzelanfertigung oder Kleinserien hergestellt. Es muß die Möglichkeit bestehen, jede Baugruppe mit einer anderen und mit Einzelteilen zu einem Gerät zu kombinieren.

Kapazitätsauslastung

Für jedes Gerät und für jede Bauguppe liegen die einzelnen Fertigungszeiten fest. Nach den vorliegenden Aufträgen und den Lieferterminwünschen muß für einen bestimmten Zeitraum die Kapazitätsauslastung zu ermitteln sein, oder umgekehrt sollen bei den vorliegenden Aufträgen und einer bestimmten Fertigungskapazität die Liefertermine bestimmt werden.

Erfolgsrechnung

Der Materialeinsatz in einem bestimmten Zeitraum muß summiert werden; mit den Daten aus der Buchhaltung und Lohnbuchhaltung kann dann monatlich eine Erfolgsrechnung vorgenommen werden.

Programme en Detail

Lager- und Stücklistenprogramme, die Sven Mentzer zusammen mit seinem Vater entwickelte, sollen im folgenden in ihren Teilen aufgelistet werden.

Lagerprogramm

Angaben über jedes Lagerteil: Kurzbezeichnung, Code, Anzahl, Preis pro Stück, Mindestbestand, Reservierung.

Programmauswahl

"Eingabe Stückzahl" für Lagerzu- und Lagerabgänge.

"Ausgabe Gruppe": Eine ganze Lagergruppe wird ausgegeben und gleichzeitig der Wert der Gruppe in Mark ermittelt.

"Ausgabe Alles": Das ganze Lager kann ausgedruckt werden; dabei wird der gesamte Lagerwert errechnet.

"Eingabe Einzeln": Es können Teile gelöscht oder Anzahl, Preis, Mindestbestand oder Reservierung geändert werden.

"Ausgabe Mindestbestand": Alle Teile, die den Mindestbestand unterschritten haben, werden ausgegeben.

"Ausgabe der reservierten Teile"

"Ausgabe Einzeln": Jedes Lagerteil kann einzeln mit Anzahl, Preis, Mindestbestand und Reservierung ausgegeben werden.

"Eingabe": Für jedes neue Teil wird die entsprechende Gruppe ausgewählt. Die Eingabe erfolgt dann in der Reihenfolge

Kurzbezeichnung : BC 237

Code : 1011001

Anzahl : 4.000

Preis : 0,09

Mindestbestand : 1.000

Reservierung : 0

"Gruppenübersicht": Alle Lagergruppen mit Anzahl der Teile der einzelnen Gruppen werden angezeigt. Dadurch läßt sich die Anzahl aller Lagerteile ermitteln.

Stücklistenprogramm

Programmauswahl für Seriengeräte

"Eingabe": In Gruppen mit maximal zehn Geräten werden die Stücklisten eingegeben und zwar nur Code und Anzahl pro Gerät.

Zum Beispiel:

Code : 1011001

Anzahl: 2

Code : 1001401

Anzahl: 4

"Ausgabe": Über den entsprechenden Code wird die Stückliste des jeweiligen Geräts aufgerufen; dabei besteht die Möglichkeit, die Stücklisten nur mit Kurzbezeichnung, Code und Anzahl der Einzelteile pro Gerät oder zusätzlich mit Lagerbestand, Mindestbestand und Reservierung auszudrucken,

"Löschen Gerät",

"Löschen Einzelteil".

"Reservierung": Die Einzelteile der Geräte können entsprechend der zu fertigenden Stückzahl reserviert werden, das heißt, sie werden vom Lagerbestand auf Reservierungsbestand gebucht.

"Abbuchung": Nach Fertigstellung und Auslieferung der Geräte werden die entsprechenden Einzelteile vom Reservierungsbestand und damit endgültig vom Lager abgebucht.

"Auftragsdisposition": Die zu fertigenden Geräte werden mit Code und Stückzahl eingegeben. In der Ausgabe erscheinen dann alle für diese Aufträge erforderlichen Einzelteile mit Stückzahl, Gesamtfertigungszeit, Materialwert und Verkaufspreis.

"Gruppenübersicht": In der Gruppenübersicht werden Anzahl der reservierten und abgebuchten Geräte sowie der Gesamtmaterialwert der abgebuchten Geräte angezeigt.

Programmauswahl für Baugruppengeräte

Die einzelnen Baugruppen werden wie Seriengeräte behandelt.

"Eingabe Baugruppengerät": Aus verschiedenen Baugruppen, wobei gleiche Baugruppen mehrmals vorkommen können, und zusätzlichen Einzelteilen wird durch Eingabe des Baugruppen-Codes und des Codes der Einzelteile mit Stückzahl ein neues Gerät zusammengestellt, wobei die Auftragsnummer gleichzeitig als Geräte-Code verwendet wird.

Zum Beispiel Auftrag 29285

Baugruppe: 2001077; Anzahl: 1; Baugruppe: 2003010; Anzahl: 1; Baugruppe: 2109099; Anzahl: 2; Einzelteil: 1001410; Anzahl: 4.

Arbeitsweise

Voraussetzung

Es wird davon ausgegangen, daß alle Teile und die Stücklisten mit den entsprechenden Werten, einschließlich der Fertigungszeiten abgespeichert sind.

Lagerzugang

Nach den Lieferantenlieferscheinen werden alle Wareneingänge registriert und in einem einfachen Formular erfaßt. Dabei wird jeweils der Lager-Code mit eingetragen.

Beispiel:

1001410 4000 Stück

1011001 1000 Stück

1013075 250 Stück

1030440 - 5 Stück

(Ersatzteillieferung)

Gesamtfertigungsplanung

Alle vorliegenden Aufträge werden über Programm "Auftragsdisposition" eingegeben. Alle Einzelteile, die benötigt werden sowie die Gesamtfertigungszeit werden ermittelt. Durch Vergleich der Sollstückzahlen mit den Lagerbeständen erfolgt die Materialdisposition. Diese Methode wird hauptsächlich bei Baugruppengeräten, die in sehr kleinen Stückzahlen gefertigt werden, angewendet. Außerdem dient sie dazu, die Fertigungskapazität zu überprüfen und entsprechende Personalplanungen vorzunehmen.

Einzelplanung

Bei Seriengeräten wird für einen bestimmten Zeitraum, zum Beispiel vier Wochen, nach den vorliegenden Kundenwünschen manuell eine Fertigungsplanung erstellt.

Jedes Gerät wird mit der entsprechenden Stückzahl über das Programm "Reservierung" eingegeben. Dabei wird angezeigt, welche Teile den Mindestbestand unterschritten haben und welche Teile für die Produktion der entsprechenden Stückzahl fehlen. Es kann entschieden werden, ob trotz einiger fehlender Teile die Reservierung erfolgen soll. Dann erscheint nach der Umbuchung im Lager ein Minusbestand. Erst nach Beseitigung des Minusbestandes kann die Fertigung freigegeben werden.