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Apple feiert die Rückkehr des Würfels

20.07.2000
Neue Desktops, iMacs, Displays - und der G4 Cube

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Apple hat sich wieder einmal selbst erfunden - mit einem Würfel-Mac. Der "Cube G4" war das Produkt-Highlight der Keynote-Ansprache, mit der Chief Executive Officer Steve Jobs gestern die Macworld Expo in New York eröffnete.

Basics: Neue Maus und Tastatur

Doch fangen wir ganz langsam an, so wie auch Steve Jobs. Der ging zunächst auf die Klagen vieler Anwender über die mit dem iMac und den G3/G4-Desktops erstmals eingeführten runden Mäuse und kompakten Tastaturen ein. Diese werden aus dem Programm genommen und ab sofort durch neue Modelle ersetzt. Die längliche "Pro Mouse" arbeitet volloptisch ohne bewegliche Teile, ihre ganze Oberfläche dient als Maustaste. Die Tastatur verfügt wie das alte "Extended Keyboard" über zusätzliche Tasten - insgesamt 108 -, darunter eine für vorwärts Löschen ("Delete") und eine zum Auswerfen von Disketten, CDs und anderen Wechselmedien. Allerdings, und das ging im Trubel ziemlich unter, fehlt der altbekannte Knopf zum Einschalten des Rechners, der offenbar im USB-Umfeld des öfteren für Probleme gesorgt hat. Dafür sind "@" und Eurozeichen nun ohne Verrenkungen zugänglich. Die neue Maus und Tastatur kosten je 59 Dollar/149 Mark und sind auch für ältere Geräte zu haben - vorausgesetzt, diese besitzen einen USB-Anschluss. Der Apple-Store nimmt ab sofort Bestellungen entgegen, ausgeliefert wird (außer mit neuen Geräten) allerdings erst ab September.

G4: Die Kraft der zwei Herzen

Im Anschluss an die Vorstellung der neuen Eingabegeräte widmete sich der Apple-Chef im Duo mit seinem langjährigen Bühnenpartner Phil Schiller zunächst den Profi-Maschinen der PowerMac-G4-Linie. Diese takten weiterhin mit maximal 500 Megahertz, weil Prozessorlieferant Motorola noch immer keine schnelleren Varianten in Stückzahlen fertigen kann. Zunächst versuchten Jobs und Schiller, die Bedenken der Apple-Gemeinde angesichts des Megahertz-Krieges in der Intel-Welt zu zerstreuen. Sie ließen dazu einen G4 unter Mac OS 9 gegen einen doppelt so schnell getakteten Pentium-III-Rechner unter Windows 2000 antreten und beide Maschinen eine Reihe komplexer Bildmanipulationen in Adobes "Photoshop" (eines der wenigen Programme, dass die "Velocity"-Engine des G4 schon wirkungsvoll ausnutzt) abarbeiten. Trotz seiner "nur" 500 Megahertz bewältigte der Apple-Rechner die Aufgabe in 100 Sekunden, der Intel-Bolide brauchte dafür 24 Sekunden länger.

Damit aber nicht genug: Jobs gab bekannt, dass der bereits seit einiger Zeit in Aussicht gestellte Mehrprozessor-Desktop ab sofort lieferbar sei. Konkret: Die beiden größeren Konfigurationen des G4 werden ab sofort nur noch mit je zwei 450 respektive 500 Megahertz schnellen Prozessoren geliefert - und das zum gleichen Preis wie zuvor. Lediglich der "kleinste" G4 mit 400-Megahertz-CPU bleibt weiterhin eine Uniprozessor-Maschine. Außerdem kommen alle G4-Rechner ab sofort mit Gigabit Ethernet on board und größeren Festplatten (20, 30 sowie 40 GB Kapazität). Der Dual-Prozessor-G4 bewältigte die erwähnte Photoshop-Aufgabe übrigens in 61 Sekunden. Während der 1-Gigahertz-Pentium noch rechnete, gingen Jobs und Schiller bereits zum nächsten Thema über.

Mac OS X: Beta im September, Release 2001

In Sachen Software ging es zunächst um Apples kommende Betriebssytem-Generation Mac OS X. Die bereits vor einiger Zeit angekündigte Public Beta ist nicht zur Macworld Expo fertig geworden. Sie wird laut Jobs im kommenden September erscheinen; das fertige Betriebssystem stellte er für "Anfang nächsten Jahres" in Aussicht. Wie weit die Entwicklung bereits gediehen ist, demonstrierte der Apple-Gründer höchstpersönlich. In seiner Vorführung standen eindeutig die grafischen Feinheiten und Spielereien der neuen Oberfläche "Aqua" im Vordergrund, an denen sich der CEO wie ein kleines Kind erfreute. Echte Neuerungen waren allerdings Mangelware.

Office:mac 2001, Halo: Brot und Spiele

Danach bevölkerten Vertreter von Partnerfirmen die Bühne. Bruce Chizen von Adobe begnügte sich mit einem Bekenntnis, seine Firma werde alle strategischen Anwendungen schnellstmöglich auf Mac OS X portieren. Etwas mehr Zeit nahm sich Kevin Browne von Microsoft, der "Office:mac 2001" vorstellte, das im Oktober erscheinen soll - eine Anwendung für das alte Mac OS übrigens und keine Neuentwicklung für Mac OS X (diese soll später folgen). Dieses bringt Mac-Anwender in Sachen Word, Excel und Powerpoint auf den Stand der aktuellen Windows-Variante - und in einigen Detailbereichen sogar noch einen Schritt weiter. Mit "Entourage" enthält das Paket zudem einen aus Outlook Express entwickelten PIM (Personal Information Manager) in Stile von Microsoft Outlook. Allerdings enthält Office:mac weder eine Datenbank à la Access noch den Web-Editor Frontpage. Weitere Details der neuen Software finden Interessierte auf Microsofts "Mactopia"-Site.

Mit dem für Spiele zuständigen Vice President Ed Fries schickte Microsoft noch einen weiteren Gast ins Rennen um die Gunst der Mac-Anwender. Fries, der jüngst die Übernahme von Bungie eingefädelt hatte (Computerwoche.de berichtete) , kündigte ein stärkeres Engagement seines Arbeitgebers in Sachen Macintosh an. Entgegen anders lautenden Meldungen soll Bungies derzeit in Entwicklung befindlicher Kulttitel "Halo" (dessen neue Demo frenetischen Applaus erhielt) in jedem Fall auch für den Macintosh und nicht etwa exklusiv für Microsofts kommende Spielekonsole "X-Box" erscheinen. Dies versprach Bungie-Gründer Alex Seropian, der dazu eigens auf die Bühne gebeten wurde. Außerdem sollen die zugekauften Entwickler dafür sorgen, dass die komplette Spielepalette der Gates-Company (u.a. "Age of Empires II", "Links 2000") auf Mac OS portiert wird. Zu diesem Zweck gründen Microsoft und Apple eigens ein Joint Venture.

Happy Birthday, iMac!

Dann stand wieder die Hardware im Mittelpunkt, und zwar zunächst der genau vor zwei Jahren erstmals vorgestellte Consumer-Desktop "iMac", von dem laut Jobs inzwischen 3,7 Millionen Stück verkauft wurden. Nachdem die Hardware seit fast einem Jahr unverändert blieb, war die Zeit für ein Update gekommen. Aus den bislang drei Modellen hat Apple vier gemacht, Design und Ausstattung wurden aber nur marginal verändert und an gängige Standards angepasst. Die iMac-Familie umfasst nun folgende Modelle:

iMac: G3-Prozessor mit 350 Megahertz, 64 MB Hauptspeicher, 7,5-GB-Festplatte und CD-Laufwerk, neue Farbe "Indigo" (jeansblau), Preis 799 Dollar/1999 Mark.

iMac DV: 400-Megahertz-CPU, 10-GB-Platte, Firewire-Schnittstelle und "iMovie-2"-Videoschnittsoftware, Farben Indigo oder "Ruby" (Camparirot), Preis 999 Dollar/2499 Mark.

iMac DV+: 450-Megahertz-Prozessor, 20-GB-Platte, DVD-Laufwerk, Farben Indigo, Ruby oder "Sage" (flaschengrün), Preis 1299 Dollar/3199 Mark.

iMac DV Special Edition: 500-Megahertz-CPU, 128 MB Arbeitsspeicher, 30-GB-Festplatte, Farben "Graphite" (wie bisher) oder "Snow" (milchigweiß), Preis 1499 Dollar/3699 Mark.

Bis auf das ab September lieferbare Einstiegsmodell sind die neue Geräte ab sofort erhältlich.

Apple - Schnittstelle zwischen Kunst und Technik?

Erstaunlich lange Zeit verbrachte Steve Jobs, dessen "Kind im Manne" einmal mehr nicht zu übersehen war, mit einer ausführlichen Vorstellung der verbesserten Videoschnittsoftware "iMovie 2", die sich bei den besseren der neuen iMacs im Lieferumfang befindet (für Besitzer der Vorversion gibt es in Kürze für knapp 50 Dollar ein Update). Diese bietet vor allem bei der Audiointegration und im Effektbereich einige Neuerungen; Profis dürften aber auch weiterhin die leistungsfähigere Apple-Software "Final Cut Pro" bevorzugen.

Jobs beschwor anhand seines selbst gebastelten Videos den "Geist von Apple" herauf. Ziel seiner Firma sei es eben nicht nur, die schnellsten Desktops der Welt zu bauen. Man wolle gleichzeitig immer auch eine "Schnittstelle zwischen Kunst und Technik" sein - und darauf ist der Apple-Chef "sooo stolz." Danach widmete sich Jobs noch einigen Neuheiten in Sachen "iTools", dem kostenlosen Internet-Service (unter anderem kostenloser Speicherplatz und Homepage-Assistent) für Besitzer aktueller Macintoshs. Dann schien das Programm beendet - wenn Steve Jobs da nicht beinahe noch eine ganz entscheidende Sache vergessen hätte...

Ein neuer Würfel: Der PowerMac G4 Cube

Zum ersten Mal, seit unter der Ägide von Steve Jobs die Produktpalette auf je eine Desktop- und Portable-Linie für Profis und Consumer reduziert wurde, bringt Apple eine komplett neue Hardware auf den Markt.

Den Entwicklern ist es gelungen, das gesamte technische Innenleben des aktuellen G4-Desktops in ein würfelförmiges Gehäuse mit 20 Zentimetern Kantenlänge zu packen, dem Chefdesigner Jonathan Ives dann noch ein schickes Plexiglas-Kleid verpassen durfte. Erfreulich: Dank ausgeklügelter Luftkühlung kommt es wie die neueren und brandneuen iMacs ohne lästigen Lüfter aus. Servicefreundlich ist der Cube auch noch - man muss ihn nur umdrehen und kann dann an einem ausfahrbaren Handgriff das gesamte Innenleben nach oben herausziehen (muss man eigentlich gesehen haben).

Den Cube G4 bietet Apple zunächst in zwei Konfigurationen an. Die kleinere bietet eine 450-Megahertz-CPU, 64 MB Hauptspeicher, eine 20-GB-Festplatte sowie ein Slot-loaded-DVD-Laufwerk und kostet 1799 Dollar/4499 Mark. Für 2299 Dollar gibt es einen 500 Megahertz schnellen Prozessor, 128 MB Arbeitsspeicher - maximal fasst der Cube übrigens 1,5 GB - und eine 30-GB-Platte. Letzeres Angebot ist übrigens ein "Online Special", das heißt nur über den Apple Store erhältlich. Beiden Modellen gemeinsam sind eine Vielzahl von Schnittstellen (USB, Firewire alias IEEE 1394, Ethernet, Airport = WLAN, Modem) und externe, ebenfalls edel designte Lautsprecher von Harman Kardon.

Ins rechte Bild gerückt

Passend zum Cube hat Apple auch drei neue Bildschirme entwickelt. Diesen gemeinsam ist vor allem eine Neuerung: Sie werden mit nur noch einem Kabel an den Rechner angeschlossen. Dieses enthält die Stromversorgung sowie die Video- und USB-Signale und ersetzt damit drei bisher separate Strippen. An die neuen G4-Desktops lassen sich die Geräte übrigens auch anschließen; für ältere Desktops soll es einen "Adapter" (vermutlich eine neue Grafikkarte) geben.

Das erste Modell ist ein 17-Zöller mit vollkommen planer "Diamondtron"-Röhre, 2 USB-Ports und integriertem "Colorsync"-Farb-Management zum Preis von 499 Dollar/1249 Mark. Daneben gibt es noch zwei LCD-Flachbildschirme, einen neuen mit 15 Zoll Diagonale sowie das bereits bekannte "Cinema Display" mit seinen üppigen, aber mit 4000 Dollar/9699 Mark unbezahlbaren 22 Zoll. Dessen kleinerer Bruder ist für 999 Dollar/2599 Mark zu haben.

Fazit

Dem iMac hat Apple das nötige Update spendiert, der G4-Desktop kann dank doppelter Prozessor-Power gegenüber der Megahertz-süchtigen Intel-Fraktion Boden gutmachen, und Mac OS X ist auf dem richtigen Weg - wenn auch nicht gerade mit Höchstgeschwindigkeit. Apple ist der erste Hersteller, der seine komplette Rechnerpalette standardmäßig mit einer volloptischen Maus und seine Profi-Maschinen mit Gigabit Ethernet ausstattet. Und der G4 Cube ist wohl - sieht man vom limitierten "Anniversary Mac" ab - der schönste Macintosh aller Zeiten. Nur ist er leider viel zu teuer, um zu einem Massenprodukt zu werden - stattdessen ziert er vermutlich bald die Schreibtische in den Chefetagen von Werbeagenturen und Dotcoms... (tc)