Steve Jobs präsentiert auf der Macworld eine neue Hardware

Apple feiert die Rückkehr des Würfels

28.07.2000
MÜNCHEN (tc) - Apple hat sich wieder einmal selbst erfunden - mit einem Würfel-Mac. Der "Cube G4" war das spektakulärste Thema der Eröffnungsrede, die Chief Executive Officer (CEO) Steve Jobs auf der Fachmesse Macworld Expo in New York hielt.

Bevor Jobs allerdings die Produktneuheiten vorstellen konnte, musste er zunächst auf die Klagen vieler Anwender eingehen. Sie hatten sich verärgert über die mit dem "Imac" und den "G3"- sowie "G4"-Desktops erstmals eingeführten runden Mäuse und kompakten Tastaturen geäußert. Jobs kündigte an, diese Modelle aus dem Programm zu nehmen. Sie werden ab sofort durch neue Geräte ersetzt, womit der Apple-CEO geschickt zu den Neuerungen überleitete.

Künftig liefert Apple seine Rechner mit der länglichen "Pro Mouse" aus, die volloptisch und ohne bewegliche Teile arbeitet. Ihre ganze Oberfläche dient als Maustaste. Die neue Tastatur verfügt wie das alte "Extended Keyboard" über zusätzliche Tasten - insgesamt 108 -, darunter eine für vorwärts Löschen ("Delete") und eine zum Auswerfen von Disketten, CDs und anderen Wechselmedien. Allerdings fehlt der altbekannte Knopf zum Einschalten des Rechners, der offenbar im USB-Umfeld des Öfteren Probleme verursacht hat.

Dafür sind "@" und Euro-Zeichen nun ohne Verrenkungen zugänglich. Die neue Maus und Tastatur kosten je 149 Mark und sind auch für ältere Geräte zu haben - vorausgesetzt, diese besitzen einen USB-Anschluss. Der Apple-Store nimmt ab sofort Bestellungen entgegen, ausgeliefert wird (außer in Verbindung mit neuen Geräten) allerdings erst ab September.

Im Anschluss an die Vorstellung der neuen Eingabegeräte widmete sich der Apple-Chef im Duo mit seinem langjährigen Bühnenpartner Phil Schiller zunächst den Profi-Maschinen der "Powermac-G4"-Linie. Diese takten weiterhin mit maximal 500 Megahertz, weil Prozessorlieferant Motorola noch immer keine schnelleren Varianten in Stückzahlen fertigen kann.

Zunächst versuchten Jobs und Schiller, die Bedenken der Apple-Gemeinde angesichts des Megahertz-Krieges in der Intel-Welt zu zerstreuen. Sie ließen dazu einen G4 unter Mac OS 9 gegen einen doppelt so schnell getakteten Pentium-III-Rechner unter Windows 2000 antreten. Beide Maschinen hatten eine Reihe komplexer Bildmanipulationen in Adobes "Photoshop" (eines der wenigen Programme, das die "Velocity"-Engine des G4 schon wirkungsvoll ausnutzt) abzuarbeiten. Trotz seiner "nur" 500 Megahertz bewältigte der Apple-Rechner die Aufgabe in 100 Sekunden. Der Intel-Bolide benötigte dafür 24 Sekunden länger.

Damit aber nicht genug: Jobs gab bekannt, dass der bereits seit einiger Zeit in Aussicht gestellte Mehrprozessor-Desktop ab sofort lieferbar sei. Konkret: Die beiden größeren Konfigurationen des G4 werden nur noch mit je zwei 450 respektive 500 Megahertz schnellen Prozessoren geliefert - und das zum gleichen Preis wie zuvor. Lediglich der kleinste G4 mit 400-Megahertz-CPU bleibt weiterhin eine Ein-Prozessor-Maschine.

Außerdem beinhalten alle G4-Rechner auf der Platine implementierte Gigabit-Ethernet-Schnittstellen und größere Festplatten (20, 30 sowie 40 GB Kapazität). Das alles konnte die Analysten kaum beeindrucken. Sie bemängelten die fehlenden Applikationen, die die Leistung von zwei Prozessoren voll ausschöpfen. Erst mit "Mac OS X", dem mehrfach angekündigten neuen Apple-Betriebssystem, soll sich die neue Hardwarearchitektur nutzen lassen. Die bereits vor einiger Zeit angekündigte Public Beta konnte der Hersteller allerdings nicht zur Macworld Expo fertigstellen. Sie wird laut Jobs im kommenden September erscheinen; das fertige Betriebssystem stellte er für "Anfang nächsten Jahres" in Aussicht. Wie weit die Entwicklung bereits gediehen ist, demonstrierte der Apple-Gründer höchstpersönlich. In seiner Vorführung standen eindeutig die grafischen Feinheiten und Spielereien der neuen Oberfläche "Aqua" im Vordergrund. Echte Neuerungen waren allerdings Mangelware.

Auch bei den Consumer Desktops der "Imac-Familie" präsentierte Jobs nur wenig Neues. Seit fast einem Jahr ist die Hardware des Imac unverändert, die Zeit für ein Update ist daher reif: Aus den bislang drei Modellen hat Apple vier gemacht, Design und Ausstattung wurden aber nur marginal verändert und an gängige Standards angepasst. Die Imac-Familie umfasst nun folgende Modelle:

- Den einfachen Imac liefert Apple mit G3-Prozessor (350 Megahertz Taktrate), 64 MB Hauptspeicher, 7,5-GB-Festplatte und CD-Laufwerk aus. Die Farbe bezeichnet Apple als "Indigo" (jeansblau), der Preis beträgt 1999 Mark.

- Der "Imac DV" enthält eine 400-Megahertz-CPU, eine 10-GB-Platte, Firewire-Schnittstelle und eine "Imovie-2"-Videoschnittsoftware. Er wird in den Farben Indigo oder "Ruby" (Camparirot) zu einem Preis von 2499 Mark ausgeliefert.

- Der "Imac DV+" arbeitet mit 450-Megahertz-Prozessor. Er kommt mit einer 20-GB-Platte, DVD-Laufwerk und in den Farben Indigo, Ruby oder "Sage" (flaschengrün) zu einem Preis von 3199 Mark auf den Markt.

- Das Highend-Modell, der "Imac DV Special Edition", beherbergt eine 500-Megahertz-CPU, 128 MB Arbeitsspeicher und eine 30-GB-Festplatte. Die Farbauswahl erstreckt sich auf "Graphite" (wie bisher) oder "Snow" (milchigweiß). Er kostet 3699 Mark.

Bis auf das ab September lieferbare Einstiegsmodell sind die neuen Geräte ab sofort erhältlich.

Erstaunlich ausführlich stellte Jobs die verbesserte Videoschnittsoftware "Imovie 2" vor, die ab Werk auf den drei besseren Imacs mitausgeliefert wird (für Besitzer der Vorversion gibt es in Kürze für knapp 50 Dollar ein Update). Diese bietet vor allem bei der Audiointegration und im Effektbereich einige Neuerungen. Profis dürften aber auch weiterhin die leistungsfähigere Apple-Software "Final Cut Pro" bevorzugen.

Den Höhepunkt der Show hatte sich Jobs jedoch für den Schluss reserviert. Zum ersten Mal, seit unter seiner Ägide die Produktpalette auf je eine Desktop- und Portable-Linie für Profis und Consumer bereinigt wurde, bringt Apple eine komplett neue Hardware auf den Markt. Den Entwicklern ist es gelungen, das gesamte technische Innenleben des aktuellen G4-Desktops in ein würfelförmiges Gehäuse mit 20 Zentimetern Kantenlänge zu packen, dem Chefdesigner Jonathan Ives dann noch ein schickes Plexiglas-Kleid verpassen durfte. Dank ausgeklügelter Luftkühlung kommt es wie die neueren Imacs ohne Lüfter aus. Servicefreundlich ist der Cube auch noch - man muss ihn nur umdrehen und kann dann an einem ausfahrbaren Handgriff die gesamte Innenausstattung nach oben herausziehen.

Den Cube G4 bietet Apple zunächst in zwei Konfigurationen an. Die kleinere enthält eine 450-Megahertz-CPU, 64 MB Hauptspeicher, eine 20-GB-Festplatte sowie ein Slot-loaded-DVD-Laufwerk und kostet 4499 Mark (1799 Dollar). Für 2299 Dollar gibt es einen 500 Megahertz schnellen Prozessor, 128 MB Arbeitsspeicher - maximal fasst der Cube übrigens 1,5 GB - und eine 30-GB-Platte. Letzteres Angebot ist ein "Online Special" und nur über den Apple Store im Internet erhältlich. Es kommt erst im August auf den Markt, die hiesigen Preise sind bisher noch nicht bekannt. Beiden Modellen gemeinsam sind eine Vielzahl von Schnittstellen (USB, Firewire alias IEEE 1394, Ethernet, Airport für Wireless LANs, Modem) und externe Lautsprecher von Harman Kardon.

Passend zum Cube hat Apple auch drei neue Bildschirme mit einer bemerkenswerten Neuerung entwickelt: Sie werden mit nur noch einem Kabel an den Rechner angeschlossen. Dieses enthält die Stromversorgung sowie die Video- und USB-Signale und ersetzt damit drei bisher separate Strippen. Mit den neuen G4-Desktops lassen sich die Geräte übrigens auch verbinden; für ältere Desktops soll es einen "Adapter" (vermutlich eine neue Grafikkarte) geben.

Das erste Modell ist ein 17-Zöller mit vollkommen planer "Diamondtron"-Röhre, zwei USB-Ports und integriertem "Colorsync"-Farb-Management zum Preis von 1249 Mark. Daneben gibt es noch zwei LCD-Flachbildschirme, einen neuen mit 15 Zoll Diagonale sowie das bereits bekannte "Cinema Display" mit seinen üppigen, aber mit 9699 Mark sehr teuren 22 Zoll. Dessen kleinerer Bruder ist für 2599 Mark zu haben.

Dem Imac hat Apple das nötige Update spendiert, der G4-Desktop kann dank doppelter Prozessor-Power gegenüber der Megahertz-süchtigen Intel-Fraktion Boden gutmachen, und Mac OS X ist auf dem richtigen Weg - wenn auch nicht gerade mit Höchstgeschwindigkeit. Apple ist der erste Hersteller, der seine komplette Rechnerpalette standardmäßig mit einer volloptischen Maus und seine Profi-Maschinen mit Gigabit Ethernet ausstattet. Und der G4 Cube ist wohl - sieht man vom limitierten "Anniversary Mac" ab - der schönste Macintosh aller Zeiten. Nur ist er leider viel zu teuer, um zu einem Massenprodukt zu werden - stattdessen ziert er vermutlich bald die Schreibtische in den Chefetagen von Werbeagenturen und Dotcoms.