Kein Kniefall vor dem Industrie-Standard:

Apple erkennt letzt die Realitäten

06.06.1986

CUPERTINO/MÜNCHEN (ch) - Apple plant für die Zukunft Weiterentwicklungen des Macintosh, die in der Lage sind. MS-DOS-Software zu verarbeiten. Die bekannte Macintosh-Benutzeroberfläche wird allerdings nicht mit den MS-DOS-Fähigkeiten kombiniert werden können. Dies ließ Apple-Präsident Sculley wissen.

Statt dessen würden die Apple-Rechner der Zukunft insofern MS-DOS-Fähigkeiten besitzen, als sie Daten zwischen MS-DOS- und Macintosh-Programmen austauschen könnten, erläuterte Sculley in einem Interview. In diese Technik habe Apple im Verlauf von fünf Jahren mehrere hundert Millionen Dollar Entwicklungskosten gesteckt.

"Diese Neuentwicklung befähigt den Anwender, Dokumente von einer Umgebung in die andere zu transferieren", führte der Apple-Boß aus. Anwender seien künftig definitiv in der Lage, Programme des "Industriestandards" auf dem Macintosh laufen zu lassen. Auf Aussagen über den Termin der Markteinführung wollte Sculley sich allerdings nicht einlassen. Ebensowenig war von Microsoft zu erfahren, ob Apple mittlerweile unter die MS-DOS-Lizenznehmer gegangen sei.

Dennoch bekräftigte Sculley die Ernsthaftigkeit seiner Absicht, in den Großkundenmarkt vorzudringen. Dies war bisher an der mangelnden - Kompatibilität der Apple-Produkte zu dem von IBM verwendeten Betriebssystem gescheitert.

"Wir sind es müde, dauernd ausgeschlossen zu sein", sagte Sculley. Er vertrat die Ansicht, wenn sein Unternehmen den DV-Einkäufern die Kaufentscheidung erleichtere, indem es MS-DOS-Kompatibilität biete und gleichzeitig damit fortfahre, seine Benutzeroberfläche zu verfeinern, könne es IBM schlagen.

Außerdem plant Apple, sein Typenspektrum zu diversifizieren und damit Großunternehmen (Corporate Users) sowie Anwender von technisch-wissenschaftlichen Rechnern und im Schulwesen anzusprechen. Außerdem werde Sculley künftig für das Konstruktionsbüro und für die Büroautomation getrennte Produkte anbieten. Näheres wollte er dazu allerdings nicht bekanntgeben.

Wie die deutsche Apple-Tochter dazu auf Anfrage mitteilte, seien diese Absichten des Apple-Chefs keinesfalls als Kniefall vor dem Industriestandard zu werten, sondern eher als "Anerkennung der Realität". Apple werde auch in Zukunft Geräte verkaufen, die die gegenwärtige Benutzeroberfläche besitzen und auf denen die zur Zeit schon verfügbaren Programme laufen können.