Fan-Nostalgie und Milliarden-Einnahmen

Apple ein Jahr ohne Steve Jobs

04.10.2012

Strategische Weichen wurd noch von Jobs gestellt

Und doch schwebt der Geist des Gründers immer noch über allem, was Apple heute tut: Die strategischen Weichen - iPhone, iPad, Mac-Design, der Online-Speicher iCloud als Herzstück der Apple-Welt - sind alle noch unter Jobs gestellt worden. Auch das neue iPhone 5 wirkt mehr als eine Weiterentwicklung denn als Vorstoß in unbekanntes Terrain. Die erste große eigene Innovation oder der erste große Fehler von Cook und seiner Mannschaft müssen erst noch kommen.

Als solche ultimative Bewährungsprobe zeichnet sich der Vorstoß ins Fernsehgeschäft ab. Seit Monaten wird über den ersten Apple-Fernseher spekuliert. Aber immer noch scheint das Ausbleiben eines Inhalte-Deals mit den mächtigen US-Kabelbetreibern ein Bremsklotz zu sein. Schon der charismatische Jobs hatte jahrelang vergeblich versucht, ihre Blockade zu brechen - und das Fehlen seines berühmten "realitätsverbiegenden Kraftfelds" sei für Apple jetzt das größte Handicap, urteilte etwa ein Kommentator im "Wall Street Journal". Cook sei ein starker Manager - aber eben kein Steve Jobs. "Wenn Steve Jobs lebte, würde er Tim Cook feuern", erklärte kurzerhand das Magazin "Forbes".

Jobs war der detailversessene Visionär, der Apple mit einer einzigartigen Serie von Innovationen aus der Beinahe-Pleite auf den Industrie-Olymp beförderte. Er überzeugte im Vorfeld des Starts von iTunes persönlich Musiker wie Bono von U2 oder Neil Young, ihre Scheu vor der Digitalisierung der Musik abzulegen und ihre Songs für den Apple-Musikladen zur Verfügung zu stellen. Legendär ist auch die Geschichte, wie er den US-Konzern Corning dazu brachte, binnen weniger Monate die Produktion einer völlig neuen Glassorte für das iPhone auf die Beine zu stellen.

Der 51-jährige Cook versucht ganz bewusst nicht, Steve Jobs zu imitieren. Die Präsentation des iPhone 5 Anfang September wäre seine Chance gewesen, voll ins Rampenlicht zu treten - das Vorgängermodell hatte Cook noch im Schatten des Übervaters vorgestellt, Jobs starb einen Tag später an den Folgen seines langjährigen Krebsleidens. Doch Cook hielt sich auch jetzt weiter zurück und überließ erneut viel Raum seinen Top-Managern wie Marketing-Mann Phil Schiller. Die Botschaft: Das neue Apple wird von einem Team statt einer einzelnen Lichtgestalt geführt. "Ich vermisse Steve jeden Tag", bekannte Cook im Mai in einem der seltenen Interviews. Aber jetzt bestimmt er die Regeln in Cupertino.

Zugleich könnte das Karten-Debakel die Gewichte in der Apple-Spitze verschieben: Der Dienst fällt als Teil des Betriebssystems iOS in die Verantwortung des ehrgeizigen Scott Forstall, dem Apple-Kenner durchaus auch Chef-Ambitionen nachsagen. Das öffentliche Fehlereingeständnis von Cook macht Forstalls Position nicht gerade stärker. Allerdings habe einst auch der große Steve Jobs erst wenige Wochen vor der iPhone-Vorstellung überhaupt eine Karten-App in Auftrag gegeben, die dann schnell zusammengezimmert worden sei, erzählten frühere Mitarbeiter jetzt der "New York Times". (dpa/jha)