E-Books

Apple-Chef Cook fordert US-Wettbewerbshüter heraus

12.04.2012
Im Streit um die Preise von E-Books in den USA geht Apple aufs Ganze.

Apple-Chef Tim Cook schlug eine mögliche Einigung mit dem US-Justizministerium aus und will weiter gegen der Vorwurf illegaler Preisabsprachen kämpfen. Die Folgen sind schwer abzusehen.

Apple-Chef Tim Cook geht seinen ersten großen Kampf ein - und sucht sich dafür gleich mächtige Gegner aus: das US-Justizministerium und 16 Bundesstaaten. Im Streit um die Preisgestaltung für E-Books in den USA steht viel mehr auf dem Spiel als nur Einnahmen für Apple. Wenn der Apple-Konkurrent Amazon als Folge der Regierungsklage wieder digitale Bücher zum Discountpreis von 9,99 Dollar verkaufen kann, verschieben sich die Machtverhältnisse in der amerikanischen Buchbranche noch weiter zugunsten des Online-Händlers.

Bei Preisen unterhalb der Zehn-Dollar-Schwelle dürften sich noch mehr Verbraucher E-Books statt der teureren gedruckten Ausgaben kaufen. Dadurch würden die Erlöse der Verleger sinken und die bereits schwächelnden Buchläden weiter unter Druck geraten. Amazon kündigte bereits an, die Preise sobald es geht wieder zu senken.

Für das US-Justizministerium ist der Fall klar: Angesichts der düsteren Perspektive hätten die Verleger bereits 2008 ein gemeinsames Vorgehen abgesprochen, um die Preise wieder in Griff zu kriegen, heißt es in der am Mittwoch eingereichten Klage (PDF-Link). Der Einstieg von Apple ins Geschäft mit digitalen Büchern zum Start des Apple-Tablets kam ihnen demnach gerade recht: Sie witterten die Chance, Amazon mit Hilfe von Apple in die Schranken zu weisen.

Das gelang den Verlegern schließlich mit einem Modell, das in Deutschland unter dem Namen Buchpreisbindung das Buchgeschäft bestimmt: Über den Preis der Bücher entscheiden die Verlage und nicht die Händler. In den USA heißt das "Agency Modell" - weil die Händler technisch gesehen nur als Verkaufsagenten der Verlage aufträten. Apple kam das entgegen: Das Unternehmen wollte seine übliche Provision von 30 Prozent kassieren und bei einem Preis von 9,99 Dollar wäre dafür nur noch wenig Luft gewesen.

Das Justizministerium will beweisen, dass dem Wechsel zur Preisfindung illegale Absprachen zum Schaden der Verbraucher vorhergegangen sind. Zwei Verlage - Penguin und das zur deutschen Holtzbrinck-Gruppe gehörende Unternehmen Macmillan - weisen den Vorwurf zurück und wollen weiterkämpfen. Drei weitere gaben in einem Vergleich klein bei.

Das Ministerium beruft sich in der mehr als 40 Seiten starken Klage auf interne E-Mails, Aufzeichnungen von Treffen, Notizen zu Telefonaten und protokollierte Beratungen von Verwaltungsräten. Die Rede ist von einer "Verschwörung" mit diskreten Treffen in edlen New Yorker Restaurants. Und auf Seite 16 prangt - ohne weiteren Quellenhinweis - gar der schwere Vorwurf, Apple habe anfangs die Welt der digitalen Medien gütlich mit Amazon aufteilen wollen: E-Books für den Online-Händler, Musik und Video für den iPhone-Anbieter.

Auch Apple-Gründer Steve Jobs selbst lieferte den Kartellwächtern aus Washington Munition für ihre Klage. Seinem Biografen Walter Isaacson erzählte Jobs freimütig, Apple habe den Verlegern gesagt: "Wir wechseln zum Agenturmodell, bei dem ihr den Preis bestimmt und wir unsere 30 Prozent bekommen. Und ja, der Verbraucher zahlt ein wenig mehr, aber das ist ja eh das, was ihr wollt."

Die in der Klage zitierten E-Mails geben zudem einen seltenen Einblick in Apples berühmt-berüchtigtes Verhandlungsgeschick. So setzte der zuständige Manager Eddy Cue den Verlagen demnach zunächst einmal eine Preis-Obergrenze von 12,99 Dollar vor, gepaart mit der Forderung, dass sie keinem anderen Verkäufer günstigere Konditionen anbieten und E-Books immer zeitgleich mit den gedruckten Ausgaben auf den Markt bringen müssten. Beim Preis akzeptierte Apple später auch eine Erhöhung auf bis zu 19,99 Dollar. Andere Konditionen blieben.

Cook geht mit seinem Konfrontationskurs ein riskantes Spiel ein: Beim Softwareriesen Microsoft war schon vor mehr als zehn Jahren zu sehen, wie unangenehm es werden kann, wenn US-Wettbewerbshüter jeden Stein umdrehen. Die Buchbranche warnt ihrerseits vor negativen Folgen für alle. Der Präsident des Schriftstellerverbandes Author's Guild, Scott Turow, sprach von einer schmerzhaften Ironie: "Unsere Regierung steht möglicherweise kurz davor, echten Wettbewerb abzutöten, um eine Illusion von Wettbewerb zu erhalten. Das wäre tragisch für uns alle, die Bücher und die Kultur dahinter wertschätzen." Die Behörden wollen hingegen 100 Millionen Dollar einklagen, die US-Verbraucher zuviel für E-Books bezahlt hätten. (dpa/tc)