Apple am Scheideweg

25.02.1994

Die Firma Apple findet sich auf der Fortune-Hitliste der "am meisten bewunderten" amerikanischen Unternehmen 1993 auf einem gutem Mittelplatz. In der Branchensparte "Computer" belegt die Company gar Rang vier.

Apple ist zudem laut Dataquest-Untersuchung im Jahr 1993 nach der IBM mit einem weltweiten Umsatz von 7,27 Milliarden Dollar erfolgreichster Anbieter von Systemen der PC-Klasse gewesen.

Man sollte meinen, das stellt eine durchaus gesunde Basis fuer die historische Wende dar, die dem Michael-Spindler-Unternehmen im Maerz mit der Praesentation der Power-PC-basierten Nachfolger der legendaeren Macintosh-Rechner bevorsteht (siehe Seite 37).

Doch Apple sieht sich mit der groessten Herausforderung in seiner Firmengeschichte konfrontiert. Wie DEC mittlerweile schicksalhaft an den Erfolg der Alpha-Architektur gekettet ist, gilt auch fuer die Power-Macintoshs und Apple: hopp oder top.

Mit Sicherheit weckt der Power-PC-Chip in der Branche viel Interesse. Dennoch bereiten Plattform-Migrationen den Anwendern trotz mehr oder weniger befriedigender Emulationsofferten immer erhebliche Kopfzerbrechen. Michael Slater, Brancheninsider aus den USA, sieht denn auch die Gefahr, dass heutige Mac-Benutzer morgen ins Lager der Anbieter leistungsstarker Intel-PCs ueberlaufen. Deshalb muessen die ehemaligen Avantgardisten der Branche jetzt ihre Truempfe aus dem Aermel holen. Mit den Preisen loeckt die Apfel- Firma offensichtlich schon gegen den Stachel der etablierten RISC- Hersteller.

Unuebersehbar gibt es aber Defizite beim Software-Angebot. Das Mac- OS ist nicht mehr auf der Hoehe der Zeit: kein Preemptive Multitasking, keine Speicherschutzmechanismen, kein Multithreading. Hier wird vage Besserung gelobt.

Ein Fragezeichen steht auch hinter Apples Geschaeftsstrategie: In den spaeten 80er Jahren schoss das Unternehmen schon einmal ein kapitales Eigentor mit der Weigerung, das Mac-OS zu lizenzieren. Damit ebnete man Windows unfreiwillig den Weg. Auch die Lizenzierungspolitik fuer das System 7 auf Power-PC-Basis scheint nebuloes.

Zwar entzuendete Spindler bei den Aktieninhabern mit seinem Ja Hoffnungen, doch Apple zog gleich wieder die Notbremse: Lizenznehmer sollen sich auf bestimmte Nischenmaerkte konzentrieren. So verprellte man nach Meinung einiger Insider interessierte PC-Hersteller.

Oder soll hier Markt verhindert werden? Nach Fortune gehoerte Apple 1993 auch zu den zehn Firmen mit den "groessten Verlusten gegenueber" 1992. Ein Omen?