APL ist vielleicht subversiv

04.09.1981

F. J. Perkins Managing Director, I.P. Sharp Associate London

APL ist vielleicht subversiv

Eine ganze Menge von Leuten ist gegen APL. Es ist vielleicht der Mühe wert, einige ihrer Argumente einmal näher zu betrachten.

- "Mit all diesen komischen Symbolen ist das furchtbar schwierig zu lernen."

Jedermann, der einigermaßen logisch denken kann und keine Erfahrung mit Computern hat, kann die Grundzüge von APL innerhalb von drei Tagen erlernen (das ist die typische Kursdauer der wichtigsten Anbieter), und wird nach einem halben Jahr fähig sein, einigermaßen komplizierte Programmsysteme zu schreiben. Seine Leistungsfähigkeit wird auf jeden Fall mit der eines Cobol-Neulings nach einem halben Jahr vergleichbar sein. Dazu kommt, daß man nicht die ganze Sprache beherrschen muß, um mit APL erfolgreich arbeiten zu können. Was Sie von APL nicht wissen, tut Ihnen nicht weh - verwendbare Resultate können Sie schon nach einer Einweisung von zehn Minuten herausholen.

- "Es ist unheimlich teuer in der Anwendung."

Das ist eines der dümmsten Argumente. Die höchsten Kosten bei jeder EDV sind die Personalkosten. Programmierungskosten sind um Größenordnungen höher als Hardwarekosten. Wenn nun APL die Programmierzeit drastisch vermindert (und das tut es!), dann muß es einfach billiger sein. Außerdem ist es im Vergleich mit Compilern anderen Sprachen nicht viel CPU-intensiver, da der APL-lnterpreter Funktionen optimiert, die in anderen Sprachen viele Zeilen Code erfordern.

- "Strukturierte Programmierung ist in APL nicht möglich "

Abgesehen davon, daß diese sehr wohl möglich ist, ist die strukturierte Programmierung in APL schlicht überflüssig, die zur Disziplinierung und Überschaubar-Machung gigantischer Cobol-Programme erfunden wurde. APL ermöglicht im Gegensatz dazu modulare und höchst flexible Programmiermethoden. APL-Programmierer schreiben nun mal keine 1000-Zeilen-Programme.

- "APL-Programme sind nicht wartungsfähig."

Denken Sie mal an die Unmengen vergeudeter Programmierer-Mannjahre, die für die Wartung immenser Cobol-Programme verlorengehen. APL-Programme sind "von Natur aus unglaublich leicht zu modifizieren und an geänderte Anforderungen anzupassen. Wenn ein Modul nicht mehr den Anforderungen entspricht, ist es einfacher, es zu löschen und neu zu schreiben, als in wochenlanger Arbeit ein Cobol-Monsterprogramm abzuändern.

- "APL taugt nicht für Großanwendungen."

Sprechen Sie mal mit den großen Anbietern von APL. Einige der größten und kompliziertesten Computerapplikationen überhaupt sind in APL programmiert. Darüber hinaus ist APL prädestiniert für Probleme, bei denen die letztlichen Spezifikationen noch nicht genau bekannt sind und das System mit den Anforderungen wachsen muß.

- "APL ist nicht benutzerfreundlich."

Im Gegenteil: Mit den heute erhältlichen Spracherweiterungen ist APL die Endbenutzer-Sprache überhaupt. Es gibt dem Anwender die Möglichkeit auf Files und Datenbanken zuzugreifen, die Resultate in beliebiger Form weiterzuverwenden und abzuwandeln, und das alles in einer Form, die er ohne große Mühe versteht. Der Benutzer befaßt sich mit APL, und APL allein, nicht mit JCL, externen File- oder Operating-Systemen. Es trifft vielleicht zu, daß APL subversiv ist. Der traditionelle EDV-Leiter, daran gewöhnt, seine Benutzer-Schäfchen mit Schwärmen von Systemanalytikern, Designern und Programmierern in Schach zu halten, könnte zu Recht befürchten, daß APL ihn seiner Vormachtstellung beraubt. Denn der APL-kundige Endbenutzer kann seine eigenen Applikationen schreiben, ohne bei der EDV-Zitadelle um Beistand anklopfen zu müssen. Der wache EDV-Leiter jedoch sieht in APL die ideale Ergänzung seiner sonstigen Dienstleistungen und festigt seine Position durch eine Anhängerschaft zufriedener Kunden.

Immerhin, wenn er Erfolg an der Höhe seiner EDV-Pyramide mißt, ist APL ein gefährlich revolutionärer Trend. Darauf ist es wohl zurückzuführen, daß APL manchmal trotz der EDV-Abteilung an Beliebtheit gewinnt.

Unterstützungsgruppen

Die Einführung von APL verlangt allerdings Änderungen in der Organisation der EDV-Abteilung. Unterstützung wird zum wichtigen Service, da der Anwender weniger ganze Systeme, da der Anwender weniger ganze Systeme, als einzelne Problemlösungen braucht. Was wiederum bedeutet, daß der APL-Programmierer sich mit dem spezifischen Problem des Anwenders vertraut machen muß und seine hochspezialisierte und isolierte Stellung aufgeben muß. APL-Unterstützungsgruppen erregen oft den Neid anderer EDV-Fraktionen, da sie meist wesentlich enger an der tatsächlich produktiven Arbeit beteiligt sind, und daher ein Plus an Erfolgserlebnissen verbuchen können.

Bei EDV-Leitern unbeliebt

Es scheint eine weitverbreitet Ansicht zu sein, daß APL hauptsächlich für Finanzplanungs- und Modellierungs-Systeme geeignet ist und für andere Anwendungen nicht viel taugt. Es stimmt zwar daß die wachsende Verwendung der Sprache in den letzten Jahre vor allem auf derartige Anwendungen zurückzuführen ist. es ist aber ein Trugschluß, anzunehmen, daß APL sonst nichts zu bieten hätte. Einer der Hauptgrund für die steigende Beliebtheit von APL in Managementkreisen ist der wachsende Druck auf diese Gruppe, schnell Resultate zu liefern und flexibel auf in regelmäßigen Abständen stattfindende, Änderungen in der Firmenpolitik zu reagieren. Von jeher waren solche Benutzer bei den EDV-Leiter nicht sehr beliebt. Andererseits sind sie die Leute, die für schnell erhältliche Lösungen bezahlen können, wenn sie sie nur bekommen können. Für APL, mit seiner Flexibilität und einfachen Implementation, ist das der ideale "Kundenkreis".

Was-ist-wenn-Analysen

Darüber hinaus wird hier ein weiterer vorteilhafter Aspekt von APL deutlich: Manager entdecken, daß sie, mit einem eigenen APL-Terminal am Arbeitsplatz, die bekannten ad-hoc "Was-ist-wenn"-Analysen in Minutenschnelle durchführen können, anstatt in den üblichen Tagen bis Wochen, die es dauert, wenn jemand erst das Cobol-Programm abändern muß.

In den letzten Jahren ist der Bedarf an Zugriffsmöglichkeiten zu öffentlichen Datenbanken immens gestiegen, und mit ihm die Verwendung von APL. Datenbanken mit vielen hundert Megabytes Umfang werden sehr viel zugänglicher, wenn APL als Interface zur Verfügung steht.

APL-Datenbanken umfassen die Gebiete Energie, Finanzwesen, Wirtschaft, Luftfahrt, Bankwesen, Demographie - die ganze Palette des Interesses. Nicht nur, daß all diese Daten Online zur Verfügung stehen und jederzeit abgerufen werden können, es sind gleichzeitig auch die Werkzeuge zur Manipulation, Vorhersage und Dokumentation vorhanden. Diese Verfügbarkeit von Anwendungssoftware über einen großen Interessenbereich, von Buchhaltung über Statistik, Modellplanung, Bestandsaufnahme, Personal- und Projektplanung, "Electronic Mail" etc. bis zur Auftragsbearbeitung und Vorkalkulation, alles erreichbar über ein Terminal und in einer Sprache, eröffnet dem Benutzer neue Möglichkeiten, welcher Art sein momentanes Problem auch immer ist.

Kann Cobol ersetzen

Könnte APL Cobol ersetzen? Die Experten sind ganz einhellig der Meinung, daß es das könnte. Sie sehen aber andererseits durchaus das Gewicht, das Cobol und Verwandte allein durch die weite Verbreitung gewonnen haben, und das einen Ersatz von Heute auf Morgen unmöglich macht.

Pessimistische Vorhersagen sagen, daß dem heutigen Trend nach, in einigen zig Jahren die gesamte erwachsene Weltbevölkerung mit der Wartung von Cobol-Programmen beschäftigt sein wird. Da schließlich irgend jemand unsere grundlegenden Lebensbedürfnisse erarbeiten muß, sollten wir uns rechtzeitig nach einer anderen Lösung umsehen!

APL-Anwender erweitern die Möglichkeiten der Sprache immer mehr in bisher noch brachliegende Gebiete. Minicomputer-lmplementierungen sind, wenn sie auch noch ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis vermissen lassen, interessant als intelligentes Terminal in Verbindung mit APL-Großcomputern. Textautomaten, die sich steigender Beliebtheit erfreuen, erfahren eine ungeahnte Erweiterung ihrer Anwendungsmöglichkeiten durch den Anschluß an APL-Maschinen, die als Datenspeicher genutzt werden. APL-Timesharing ersetzt heute mit ein paar Terminals, was vor Jahren noch spezialisierte Großanlagen erfordert hätte. Aber über all das hinaus geht die Forderung heutiger Benutzer nach besseren Zugriffsmöglichkeiten in den Werkzeugen, die sie brauchen. Sie sind nicht zufrieden mit einem Basic-Minicomputer und ein paar Floppies. Personalkosten steigen viel schneller als Hardwarekosten fallen, und daher brauchen wir eine Möglichkeit, Personal zeit- und kostensparend einsetzen zu können. APL ist eine solche Möglichkeit.