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AOL will seinen Instant-Messenger für die Konkurrenz öffnen

16.06.2000
Reine Hinhaltetaktik, klagen Kritiker

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - AOL hat im Instant-Messaging-Konflikt einen ersten Vorschlag zur Güte gemacht: Der Online-Dienst will seinen Mitbewerbern künftig den Zugriff auf sein proprietäres System "AOL Instant Messenger" (AIM) erlauben. Wie die Anbindung konkurrierender Dienste aussehen könnte, hat AOL in einem 18-seitigen Schreiben an die Internet Engineering Task Force (IETF) dargelegt. Den Vorschlag selbst schickte der Online-Dienst gerade noch rechtzeitig an das Standardisierungsgremium - nämlich eine Stunde vor Ablauf der Eingabefrist bei der Presence Protocol Working Group der IETF.

Bislang können AIM-Teilnehmer nur untereinander Kurznachrichten verschicken und empfangen, die Anwender von Systemen wie Yahoo oder Microsoft sind ausgeschlossen. Seit Monaten liefern sich die AOL-Konkurrenten einen erbitterten Kampf mit dem Online-Riesen, der jeden Versuch der Mitbewerber zur Anbindung ihrer Dienste an AIM durch Blockaden vereitelte. Zuletzt verweigerte AOL dem New Yorker Startup Odigo den Zugriff auf seinen Instant-Messaging-Dienst (CW Infonet berichtete).

Kritiker sehen in dem Nachgeben des Online-Dienstes einen politischen Schachzug, der die Regulierer bezüglich der geplanten Fusion von AOL mit dem Medienkonzern Time Warner positiv stimmen soll. "Ich befürchte, es handelt sich hier um eine reine Hinhaltetaktik, um den Merger voranzutreiben," erklärte ein Sprecher der Internet-Investment-Gesellschaft CMGI, die die Mehrheit an dem Instant-Messaging-Dienst Tribal Voice besitzt. Andere bezeichneten den AOL-Vorschlag als "vage" oder "esoterisch". Der Online-Dienst verteidigte seinen wenig technische Details enthaltenden Entwurf mit einem alten Argument: "Wenn Protokolle einmal veröffentlicht sind, werden sie von Hackern und Spammern als Roadmap für Attacken verwendet." AOL will nach eigenen Angaben seine Technologie erst dann offen legen, wenn die Sicherheit der Verbraucher gewährleistet ist.