Geheimniskrämerei um Mirabilis-Übernahme

AOL will mit Chat-Tool im Web auftrumpfen

29.05.1998

Den Berichten zufolge soll AOL 300 Millionen Dollar für das israelische Unternehmen bezahlt haben. Vorsichtiger äußerte sich das "Wall Street Journal". Demnach verhandeln die Firmen noch miteinander, mit einer Einigung sei in eein bis zwei Wochen zu rechnen. Sowohl Mirabilis als auch AOL halten sich bedeckt. Auf Anfrage teilte eine Sprecherin von AOL in den USA mit, man wolle zu Spekulationen keine Stellung beziehen.

Mirabilis mit Sitz in Tel Aviv ist der Hersteller des bekannten Internet-Chat-Tolls ICQ ("I seek you"). Millionen von Web-Usern haben sich die kostspielige Software bereits von der Homepage http://www.mirabilis.com kopiert und "chatten" (schwatzen) so mit Bekannten oder auch Unbekannten via das Internet.

America Online besitzt mit "Instant Messenger" selbst ein solches Chat-Tool für das Web. Darüber hinaus bietet AOL mit "Buddy List" eine ähnliche Funktion für seinen proprietären Online-Dienst. Allerdings erfreut sich das Mirabilis-Produkt offenbar weit größerer Beliebtheit. Nach Unternehmensangaben sind etwa 11,5 Millionen Internet-User in Besitz der Chat-Software. Der Zuspruch der Anwender kommt nicht von ungefähr: In puncto Funktionsvielfalt läßt ICQ das Werkzeug von America Online weit hinter sich.

Nach Ansicht eines Analysten des US-Marktforschungs-unternehmens Forrester Research ist Mirabilis ein begehrter Übernahmekandidat für die Betreiber von Einstiegspunkten ins World Wide Web (Internet Portal Sites). Zu den bekanntesten Portalen gehören Internet-Suchdienste wie Yahoo, Lycos sowie die Web-basierten Online-Dienste "Netcenter" von Netscape und "Msn.com" von Microsoft.

AOL könnte durch die ICQ-Software sein eigenes Eingangstor "aol.com" aufwerten. Die Anbieter profitieren bei einer großen Zahl an Visits durch hohe Einnahmen bei der Online-Werbung. ICQ-Anwender reagierten empört auf die bevorstehende Übernahme, weil sie nun fürchten, künftig zur Kasse gebeten zu werden.