Zusammenarbeit bei Content-Vermarktung geplant

AOL und Microsoft einigen sich im Browser-Streit

06.06.2003
MÜNCHEN (CW) - Den Rechtsstreit über die Vermarktung ihrer Browser haben AOL Time Warner und Microsoft außergerichtlich beigelegt. Microsoft kauft sich für einen vergleichsweise kleinen Betrag in Höhe von 750 Millionen Dollar frei und geht zudem Kooperationen mit dem Rivalen ein.

Die AOL-Tochter Netscape Communications hatte Microsoft verklagt, sein Windows-Monopol missbraucht zu haben. Durch die Kopplung seines Betriebssystems mit dem "Internet Explorer" wolle der Softwarehersteller Netscapes konkurrierenden Browser "Navigator" aus dem Markt drängen. Nun kam es zu einer außergerichtlichen Einigung, die die Zahlung von 750 Millionen Dollar an den Kläger vorsieht.

Laut dem Abkommen wird Microsoft AOL den Internet Explorer kostenlos bereitstellen sowie Einblicke in technische Details dieser Software gewähren, die AOL seit Jahren in sein Einwahlprogramm integriert. Somit hat sich der Internet-Service-Provider der Gefahr entzogen, vom Softwarekonzern in Sachen Browser-Technik übervorteilt zu werden. Über die Zukunft des hauseigenen Netscape-Browsers, der ohnehin nie eine große Rolle in AOLs Strategie spielte, äußerte sich der Medienkonzern wage. "Es gibt zu diesem Zeitpunkt keine Pläne, Netscape zu verkaufen", bemerkt AOL-Chef Dick Parsons dazu. Beide Firmen kündigten ferner Gespräche über die Kompatibilität ihrer Instant-Messaging-(IM-)Software an. Bisher war der Me-dienkonzern und IM-Marktführer nicht bereit, seine Chat-Dienste für Rivalen zu öffnen. Zwar könnte dies künftig anders werden, doch muss sich erst noch zeigen, was beide Seiten unter Interoperabilität verstehen.

Microsoft und AOL wollen ferner bei der Distribution von digitalen Inhalten zusammenarbeiten. Davon hat AOL Time Warner reichlich: Zum Konzern gehört unter anderem das Filmstudio Warner Bros. sowie das Musiklabel Warner Music. Der Softwarekonzern verfügt über Digital-Rights-Management-Technik, die es ermöglichen soll, Musik und Filme online zu vertreiben und gleichzeitig Raubkopien zu verhindern. Außerdem gestattet der "Windows Media Player" das Abspielen solcher Inhalte. Diesen will das Medienhaus künftig zur Verbreitung von Content nutzen. Das bedeute jedoch nicht automatisch das Ende der Zusammenarbeit mit Real Networks. Der "Real Player" ist zurzeit Bestandteil der AOL-Software. Microsoft sichert in dem Vertrag zu, AOLs Einwahlsoftware auch weiterhin mit Windows auszuliefern. (fn)

Kommentar

Die außergerichtliche Einigung zwischen AOL Time Warner und Microsoft ist ein Indiz für den Sinneswandel beim Medienriesen nach der glücklosen und kostspieligen Fusion des Online-Dienstes mit dem Time-Warner-Konzern. Statt die Front gegen den Gates-Konzern aufrechtzuerhalten, sucht Firmenchef Dick Parsons - anders als noch sein Vorgänger Steve Case - die Zusammenarbeit. In Zeiten, in denen die Online-Sparte des Unternehmens sich eher als Hemmschuh denn als treibende Kraft erweist, denkt Parsons in neuen Kategorien: Sein Anliegen ist es, über alle möglichen Kanäle Medieninhalte zu vertreiben, die seine Firma produziert. Welchen Media-Player oder welchen Browser seine Internet-Kunden dabei benutzen, interessiert den Manager ebenso wenig wie die Zukunft der Tochterfirma Netscape, die den Grund für den nun beigelegten Rechtsstreit lieferte. Die 750 Millionen Dollar von Microsoft nimmt Parsons für den Abbau der Schulden, die ihm sein Vorgänger hinterlassen hat, gern entgegen, statt den Prozess mit ungewissem Ausgang noch jahrelang weiterzuführen. (fn)