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AOL-Personalchef stolpert über alte Seilschaften

11.09.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Personalchef der America-Online-Division in der AOL Time Warner, Gregory Horton, ist einem möglichen Rauswurf zuvor gekommen und hat seinen Rücktritt eingereicht. Damit reagierte er offensichtlich auf hausinterne Untersuchungen, die geargwöhnte Interessenverquickungen des AOL-Managers mit der Personalberatung Pinebrook Consulting offenzulegen scheinen.

Pinebrook Consulting sieht sich mit einer Klage von America Online konfrontiert. Darin wirft der Online-Dienstleister der Personalberatung vor, Rechnungen in Höhe von 100.000 Dollar erstellt, hierfür aber keine Leistungen erbracht zu haben. Das Geld habe Pinebrook dann an ein drittes Unternehmen weitergereicht. Wer das ist, wurde in der Klageschrift allerdings nicht eröffnet. Weder ein Vertreter von Pinebrook noch Horton gaben einen Kommentar zur Sache ab. Das "Wall Street Journal" zitiert den Rechtsbeistand des ehemaligen AOL-Managers lediglich mit den Worten, Horton habe das Arbeitsverhältnis aufgelöst. "Die Konditionen der Vertragsbeendigung sind aber vertraulich."

AOL hatte sich vergangenes Jahr bereits von David Colburn getrennt. Colburn war erfolgreich für Geschäftsanbahnungen zuständig. Nachdem bekannt wurde, dass es bei drei Finanztransaktionen im Gesamtwert von 49 Millionen Dollar zu unsauberen Verrechnungen gekommen sein könnte, weil diese als Anzeigenumsätze verbucht worden seien, musste Colburn gehen.

Interessanterweise waren der President von Pinebrook, Aubrey Strickstein, und der jetzt demissionierte AOL-Personalchef Horton, früher beide bei PepsiCo beschäftigt. Danach nahm Horton Jobs bei Autonation und Qwest an. In beiden Unternehmen zeichnete er verantwortlich dafür, dass Pinebrook Aufträge erhielt für Personalqualifizierungs- sowie Coaching-Massnahmen. Ein ehemaliger Qwest-Mitarbeiter sagte zudem, Horton habe während seiner Tätigkeit bei Qwest offenbart, er sei Teilhaber an einer Zehn-Mann-Firma, die als Headhunter für Manager operiere.

Diese Nebentätigkeit erwähnte Horton während seiner AOL-Beschäftigung zumindest in Gesprächen mit anderen Personen aus der Recruitment-Branche. Seine Kenntnisse im Personalfindungsprozess soll Horton gegenüber Personalberatungsunternehmen offiziell als Vorteil dargestellt haben, um gegenüber diesen externen Firmen bei Preisverhandlungen besonders entschieden auftreten zu können.

Es ist unklar, ob die Klageschrift Horton direkt vorwirft, er oder seine kleine Headhunterfirma hätten die 100.000 Dollar von AOL über Pinebrook eingestrichen. Das "Wall Street Journal" zitiert jedenfalls den auf Personalfragen spezialisierten Boston-University-Professor Fred Foulkes mit der Aussage, es sei absolut ungewöhnlich, dass der Personalverantwortliche eines Unternehmens gleichzeitig Anteile an einer Headhunter-Firma besitzt. Da sei der Interessenkonflikt geradezu programmiert. (jm)