Hohe Latenzzeiten

Anwendungsbremse Mobilfunk

05.02.2009
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Irrwege der mobilen Kommunikation

Deren Wurzeln liegen nämlich nicht nur in der Luftschnittstelle (also der Strecke vom Handy oder der Datenkarte zum Mobilfunkmasten), sondern im Netzaufbau der mobilen Datenübertragung selbst. Zu welchen skurillen Effekten dies führen kann, zeigt ein Beispiel: Sucht ein deutscher Geschäftsreisender während eines Termins in der USA mit seinem Smartphone nach Informationen auf Google.com, dann haben seine Daten eine lange Reise vor sich.

Sie werden nicht, wie jeder vermuten würde, direkt vom Netz des amerikanischen Mobilfunk-Providers via Internet an Google weitergereicht. Vielmehr werden sie von dem US-Carrier als Roaming-Partner erst einmal über den Atlantik in das Heimatnetz des deutschen Providers geschickt. Dort reisen sie dann bis zum Internet-Breakout des Mobilfunkers, um dann über das Internet wieder zurück in die USA transportiert zu werden, und erreichen dann endlich ihren Ziel-Server.

Hat Google die Antwort auf die Anfrage gefunden, nimmt das Ergebnis den umgekehrten Weg zurück. Dass in einem solchen Fall nicht mehr über Latency oder Antwortzeiten einer Echtzeitanwendung diskutiert werden muss, liegt auf der Hand. Das Fatale ist, dass mobile Daten selbst in Deutschland solche Irrwege vor sich haben, da ein Local Breakout ins Internet - wie er in den Mobilfunkstandards bereits seit GPRS vorgesehen ist - aus Kostengründen meist nicht bei den Mobilfunkbasisstationen installiert wurde. Vielmehr werden die Basisstationen meist per 2-Mbit/s-Leitung oder Mikrowelle an das Access-Netz des Mobilfunkers angeschlossen. Hier ergibt sich somit angesichts von HSDPA-Bandbreiten von 3,6 Mbit/s und mehr ein weiteres Nadelöhr,.

Unter dem Strich hat der End-User damit kaum Möglichkeiten, die Antwortzeiten zu beeinflussen. Er kann nur warten, bis mit der Einführung von LTE auch ein Redesign der Mobilfunk-Backbones ansteht. Und Enterprise-Kunden empfiehlt Qualcomm-Manager Granzow vor einem Rollout mobiler Anwendungen, ausführlich zu testen, ob die eigenen Applikationen mit den Reaktionszeiten des Provider-Netzes zurechtkommen. Für Corporate-Anwender mit einem entsprechenden Vertragsvolumen eröffnet sich bei einer eventuell längerfristigen Bindung an einen Mobilfunkanbieter noch eine weitere Option: Sie können versuchen, in direkten Verhandlungen einen Local Breakout durchzusetzen, der ihren Bedürfnissen eher entspricht. Gegenüber Großkunden, so Branchengerüchte, seien die Mobilfunker durchaus zu Konzessionen bereit.