Individuelle Ablauforganisation beim Einsatz von Standärdsoftware (Teil 1)

Anwendungen von der Stange sind über Parameter anpaßbar

28.08.1992

Die Internationalisierung der Märkte (Stichwort Europäischer Binnenmarkt 1993) setzt leistungsfähige Informations- und Kommunikationssysteme voraus. Also gewinnen IT- und Software-Investitionen entscheidende Bedeutung für den unternehmerischen Erfolg. Eine Schlüsselrolle spielt in diesem Zusammenhang Standardsoftware, die sich an betrieblich vorgegebene Abläufe anpassen läßt.

Standardsoftware soll durch die Nutzung moderner Technologien, Standards und Normen zur Steigerung von Flexibilität und Effektivität beitragen. Die Einführung solcher Software von der Stange stellt gleichzeitig aber auch ein Gerüst zur ablauflogischen - Gestaltung bereit. Daraus ergibt sich die Frage, inwieweit moderne Standardsoftware eigentlich an eine individuelle Ablauforganisation anpaßbar ist und welche Konsequenzen sich daraus für das Unternehmen ergeben.

Ein häufiges Argument gegen Standardsoftware ist ihre Funktionsvielfalt, die meist über die Bedürfnisse des Anwenderunternehmens hinausgeht, aber dennoch bezahlt werden muß. Dagegen steht das Prinzip der Moldularisierung. Sie dient dazu, Methoden, die häufig in gleicher oder ähnlicher Form eingesetzt werden, soweit wie möglich zu isolieren und als individualisierbare Bausteine zur Verfügung zu stellen.

Der Vorteil für den Anwender liegt hier in ausgereiften leistungsfähigen Systemkomponenten, die der Hersteller aufgrund der häufigen Wiederverwendung preiswert anbieten kann. Außerdem unterstützt der modulare Aufbau sowohl den isolierten Einsatz einzelner Bausteine als auch betriebswirtschaftlich sinnvolle Kombinationen mehrerer Komponenten.

Das Gesamtsystem zerfällt in einen optionalen Teil (die Applikation) und in einen notwendigen Teil (das Basissystem). Die Applikationen sind dadurch gekennzeichnet, daß sie jeweils eine funktionale Einheit bilden, definierte Schnittstellen zueinander besitzen und in weitere einander funktional ergänzende Module (Komponenten) zerlegt werden können. Das Basissystem hingegen vereinigt in sich jene Funktionen, die allen Applikationen gemeinsam dienen, beispielsweise Dialogsteuerung, Datenbanksteuerung und Tabellen, aber auch Abfragesprache und Textverarbeitung.

Die Installation kommerzieller Anwendungssoftware sollte sukzessive nach einem unternehmensspezifischen Reihenfolgeplan durchgeführt werden. Ziel einer Einführungsstrategie ist es, die Hauptengpässe frühestmöglich zu beseitigen und die Kapazitäten auf unternehmensrelevante Anwendungen zu beschränken.

Das Softwaresystem sollte daher eine flexible, auf den individuellen Bedarf ausgerichtete Schrittfolge zulassen. Ein modularer Aufbau ist diesem Zweck dienlich. Nach der Installation des Basissystems und unter Berücksichtigung der jeweiligen funktionalen Voraussetzungen kann peu ä peu ein dem Unternehmen angepaßtes Leistungsprofil erstellt werden. Die Standardsoftware erweist sich dadurch im Funktionsumfang als flexibel und unterstützt somit auch individuelle Einführungsstrategien.

Die Komplexität moderner Standardsoftware und die daraus resultierenden funktionalen Verknüpfungen der, einzelnen Komponenten lassen es sinnvoll erscheinen, möglichst wenige Programmodifikationen vorzunehmen. Dies liegt nicht nur im Interesse der Kunden, sondern ist - im Hinblick auf die Softwarezuverlässigkeit - auch im, Sinne der Hersteller. Daher bemühen sich die Anbieter, die Steuerungsanweisungen durch definierbare Parameter auszudrücken. Diese lassen sich in Tabellen- und Programmparameter unterteilen.

Die Verlagerung von Steuerungsparametern aus den Programmen in Tabellen gibt dem -Anwender die Möglichkeit, die Software mit Hilfe von Eingabemasken an seine betriebsindividuellen Belange anzupassen. Programmierkenntnisse sind dazu nicht erforderlich. Ein Tabelleneintrag setzt sich aus einem Argument und dem Funktionsteil zusammen. Das Argument definiert dabei den eigentlichen Parameter. Die Funktion beschreibt die von der Einflußgröße direkt abhängigen Daten. Bei der Systemauslieferung sind die Einträge standardmäßig voreingestellt.

Die weiteren Ausführungen beschränken sich auf die Darstellung von Anwendertabellen. Die ergänzenden Systemtabellen steuern nämlich keine auf spezielle Applikationen zugeschnittenen, also programmlogischen Ablauffolgen, sondern gewährleisten vielmehr die programmtechnischen Voraussetzungen für die individuelle Nutzung einzelner Applikationen.

Die Anwendertabellen zerfallen in Text-, Plausibilitäts- und Steuerungstabellen. Texttabellen bieten die Möglichkeit, Textbausteine frei zu definieren. Zwar sind diese gestalterischen Möglichkeiten für die individuelle Kommunikationsstruktur des Unternehmens (Firmenbezeichnungen, Schriftwechsel etc.) nicht zu unterschätzen doch setzen sie weder logische Kontrollen eingegebener Werte noch eventuell damit verbundene Programmablauffolgen in Gang.

Die logischen Prüfungen eingegebener Werte erfolgen hingegen durch Plausibilitätstabellen. Diese Prüfung kann sich zum einen lediglich auf Einträge in Tabellen beziehen: Wenn Tabelle X gepflegt werden soll, ist hinterlegt, daß als Voraussetzung dazu die Tabelle Y gepflegt sein muß. Der Eintrag wird also auf logische Abhängigkeiten geprüft, von denen auch mehrere Tabellen betroffen sein können.

Zum zweiten kann aber auch der Eintrag in eine Bildschirmmaske gegen eine Tabelle geprüft werden. Dies ist vor allem. dann der Fall, wenn es sich nicht um reine Informationseinträge handelt. Plausibilitätstabellen dienen daher einerseits der bloßen Überprüfung eingegebener Daten, andererseits der Unterstützung von unternehmensspezifischen Abläufen. Sie garantieren beispielsweise, daß für bestimmte Materialarten nur bestimmte Disponenten zugelassen sind, die in Tabellen gespeichert werden.

Bestimmung der Verarbeitungsart

Große Bedeutung für die funktionale Systemanpassung haben die Steuerungstabellen. Sie bestimmen den logischen Programmablauf, also die Verarbeitungsart. So läßt sich zum Beispiel im Bereich "Produktionsplanung" über die Planungsart festlegen, in weicher Weise ein bestehender Bedarf befriedigt werden soll. Folgende Alternativen könnten zur Auswahl stehen:

- Normalplanung,

- Bruttoplanung,

- Einzelplanung,

- Gleichteileplanung,

- Variantenplanung und gemeinsame Gleichteileplanung (geschlossene Variantenstückliste) beziehungsweise Kombinationen aus, diesen Möglichkeiten.

Weiterhin bestünde beispielsweise im Bereich "Materialbedarfsplanung" die Wahl zwischen der verbrauchsgesteuerten und der deterministischen Disposition.

Neben dieser individuellen logischen Programmablaufsteuerung bieten die Steuerungstabellen eine zweite Möglichkeit zur kundenspezifischen Anpassung. Sie besteht in der Wahl der anzuzeigenden beziehungsweise eingabebereiten Bildschirmfelder. Dabei kann der Anwender mit Hilfe von Bildauswahl-Regeln definieren, welche Art der Feldverarbeitung er haben will:

- nur Anzeige des Feldes,

- Kanneingabe,

- Mußeingabe oder

- Feld wird ausgeblendet.

Die in Tabellen hinterlegbaren Steuerungsparameter erlauben dem Kunden also eine individuelle Gestaltung von Bildschirmaufbau und Programmablauf innerhalb der vom Softwarehersteller vordefinierten Bandbreite. Festzuhalten bleibt, daß den Tabellen häufig mehrere Eigenschaften der beschriebenen Kategorien zuzuordnen sind. Die Einteilung in Aufgabenbereiche soll deshalb nicht als strenges Klassifikationskriterium verstanden werden, sondern ist vielmehr zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten gedacht.

Verankert in den Basisprogrammen

Eine weitere Anpassungsmöglichkeit bietet die Parametersteuerung auf Programmebene. Programmtechnisch wäre es durchaus möglich, diese Parameter ebenfalls in Tabellen zu hinterlegen. Der zentralen Bedeutung wegen sind sie jedoch in den Basisprogrammen verankert, sollten also lediglich bei der Erstinstallation der betreffenden Komponenten definiert werden.

Für die systembezogenen Programmparameter gilt es dabei, zwei Aufgabenbereiche zu unterscheiden: Zum einen dienen diese Parameter der Standardsoftware-Anpassung an die im Unternehmen vorhandene Systemumgebung. So sind zum Beispiel Angaben über das Betriebs- oder Dialogsystem bei der Installation verbindlich festzulegen. Zum anderen kann das System mit Hilfe solcher Programmparameter auf den speziellen Einsatzort, also das Unternehmen selbst, eingestellt werden. Dazu dienen Angaben wie Anzahl der vorgesehenen Terminals und Benutzer sowie

Definition von Schlüssellängen (Werkschlüssel, Lagerschlüssel, Materialnummer etc.).

Sind Applikationen oder Komponenten physisch vorhanden, so heißt dies nicht, daß sie vom System auch logisch angesprochen werden können. Voraussetzung, dazu ist die Aktivierung der anwendungsbezogenen Programmparameter, die sich - wie auch die systembezogenen - nur über im Programm hinterlegte Eingabefelder, definieren lassen.

Der Unterschied in der Handhabung besteht in der grundsätzlichen Ergänzung durch Tabellen. Stellen die Parameter die Programmtechnische Basis zur Verfügung, so kann diese trotzdem erst mit Hilfe von Sytemtabellen, beispielsweise durch die Zuordnung von Transaktionscode und Anforderungsbild, nutzbar gemacht werden. Außerdem ist es möglich, Standardfunktionen durch die Deaktivierung der maßgeblichen Parameter gesamthaft zu sperren.

Bisher lagen die Chancen -zur individuellen Nutzung der Standardsoftware entweder in der Festlegung eines Rahmens für die funktionale Verwendung oder in der ablauflogischen Verarbeitung anfallender Daten. Die Datenaufbereitung hingegen dient der Bearbeitung einer bestehenden Datenbasis. Die hier beschriebenen Möglichkeiten gliedern sich - aufbauend auf einem Data-Dictionary - in eine Abfragesprache zur Erstellung von Auswertungsprogrammen und den Datentransfer zwischen Host und PC.

Auswertungsprogramme dienen der individuellen Informationsbeschaffung aus oftmals unüberschaubaren Datenbeständen. Unterstützt werden dabei Funktionen wie Selektion oder Sortierung von Daten sowie die darauf aufbauende Erstellung von Statistiken oder Ranglisten. Neben Standardauswertungsprogrammen wie Stücklistenvergleich oder Materialbewegung, die zumeist mit dem Basissystem ausgeliefert werden, sind beliebig abgeänderte, aber auch komplett eigenerstellte Auswertungsprogramme einsetzbar.

Trotz der damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten und des gestiegenen Anwenderkomforts reicht ein Standardsystem der Großrechnerwelt nicht immer aus, alle Anwenderbedürfnisse am Arbeitsplatz zu befriedigen. Um die Effizienz und Benutzerfreundlichkeit zu steigern, ist es daher wünschenswert, die vielfältigen Präsentations- und Verarbeitungsmöglichkeiten der PCs nutzen zu können. Realisiert werden muß dies durch eine PC-Anbindung.

Die Verbindung zwischen Host und PC wird mit Hilfe eines PCs mit normaler Speicherkapazität sowie über Transfersoftware und eine physische Verbindung durch Emulationskarte und Koax-Kabel hergestellt. Basierend auf einer Formatbeschreibung der zu übertragenden Daten lassen sich so Konvertierungsfunktionen nutzen, die dem Anwender eine Fülle zusätzlicher Möglichkeiten zur Aufbereitung der jeweiligen Datenbasis bieten.

Mit dem Einsatz von Textverarbeitungsprogrammen ist ein komfortabler Editor verfügbar, der sich zur Erstellung und Änderung von Auswertungsprogrammen nutzen läßt. Weiterhin besteht die Möglichkeit standardmäßige Online-Dokumentationen des zugrundeliegenden Systems zu verfeinern, zu ergänzen und für Anwendungsschulungen zu benutzen.

Mit Hilfe von Kalkulationsprogrammen werden beispielsweise buchhalterische Arbeiten ergänzt, also Finanzpläne (Budgets und Kostenvoranschläge) bearbeitet beziehungsweise in Form einfacher Grafiken dargestellt. Zur weiteren Aufbereitung dieser Auswertungen können Grafikprogramme in Verbindung mit Datenbanken dienen. wird fortgesetzt